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„Deutschland muss mehr Verantwortung übernehmen“

з Jana Glose

Bericht von der 3. „Karl-Carstens-Rede" mit Friedrich Merz

Friedrich Merz war auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung am 19. März in Bremen zu Gast. Im Zuge der 3. „Karl-Carstens-Rede“ würdigte er vor rund 600 Gästen im Swissôtel den aus Bremen stammenden fünften Bundespräsidenten und setze sich in seiner Rede mit dem Thema den transatlantischen Beziehungen auseinander.

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Ralf Altenhof, Leiter des Politischen Bildungsforums Bremen, begrüßte die Gäste und gab einen kurzen Überblick über den Stellenwert des deutsch-amerikanischen Verhältnisses für Karl Carstens (1914-1992). Dabei stellte er auch Parallelen zu Friedrich Merz her. So war Carstens ebenso wie Merz Jurist, CDU-Fraktionsvorsitzender und Oppositionsführer im Deutschen Bundestag. Beide seien als messerscharfe Analysten bekannt. Gleichzeitig beklagte Altenhof die fehlende Erinnerung an Karl Carstens in dessen Geburtsstadt Bremen. „Trotz seiner starken Verbundenheit zu Bremen wird das Gedenken an den ehemaligen Bundespräsidenten aus politischen Gründen vernachlässigt“, sagte Altenhof.

„Karl Carstens hat mich politisch und beruflich schon ein wenig geprägt“, sagte Merz zu Beginn seine Rede. Der Vorsitzende des Netzwerks Atlantik-Brücke betonte, dass Carstens und er ein gemeinsames Verständnis der transatlantischen Beziehungen gehabt hätten. Sie beide seien Amerika sehr verbunden und hätten ein großes Interesse an der Beziehung zwischen Amerika und Europa.

„Wir sind gut beraten uns darauf einzustellen, dass sich die transatlantischen Beziehungen grundlegend verändern werden“, so Merz zum aktuellen Zustand im europäisch-amerikanischen Verhältnis. „Wir werden erst in ein paar Jahren sehen, dass wir Zeitzeugen eines fundamentalen politischen und wirtschaftlichen Wandels sind“, erklärte Merz. Als Ursachen dieses Wandels nannte Merz vier Ereignisse aus der jüngsten Vergangenheit: Die Annexion der Krim und der Einmarsch russischer Soldaten in die Ost-Ukraine im Februar und März 2014, die Abstimmung über den Brexit am 23. Juni 2016, die Wahl von Donald Trump zum 45. amerikanischen Präsidenten am 8. November 2016 sowie der Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas im Oktober 2017. „Diese vier Daten werden die politische Landkarte der nächsten Jahre und sogar Jahrzehnte verändern“, sagte Merz.

In Amerika sei besonders die Zerrissenheit des Landes zwischen Republikanern und Demokarten ein grundlegendes Problem. Während die West- und Ostküste in Händen der Demokraten läge, sei das Zentrum Amerikas von den Republikanern geprägt. „Amerika kann man nicht verstehen, wenn man nur die Küste wahrnimmt. Man muss das Zentrum verstehen“, erklärte Merz. In Zukunft werde sich Amerika politisch stark verändern. Eine Studie besage, dass im Jahr 2040 70 Prozent der Bevölkerung in acht Staaten, die restlichen 30 Prozent in den anderen 42 Staaten leben werde. Dies bedeute, dass zukünftig 30 Prozent der Amerikaner 70 Prozent der Senatoren wählen dürften. Lediglich 16 Senatoren kämen dann aus den acht großen Bundesstaaten mit dem Hauptteil der amerikanischen Bevölkerung. „Amerika wird aufgrund dieser Veränderungen mit sich selbst beschäftigt sein. Selbst wenn Trump frühzeitig gehen würde, würde morgen nicht wieder alles so wie es früher einmal war“, resümierte Merz.

Man dürfe das Land aber nicht außer Acht lassen, denn es gäbe vieles, was Europa und Amerika eine. So wäre eine gemeinsame Beziehung zwischen Amerika und Europa ohne gemeinsame Grundlagen und Gewaltenteilung nicht möglich gewesen. Daran müsse man auch bei jeder Kritik am Land und an Präsident Trump denken. „Wir müssen zuhören, wo Trump recht hat. Er hat nicht nur unrecht. Trump ist nicht über Nacht gekommen und wird nicht einfach über Tag gehen“, so Merz. Besonders mit Blick auf die Verteidigungsfähigkeit müsse Deutschland mehr tun. Es könne nicht dabei bleiben, dass die USA 70 Prozent des Nato-Budgets bei der Verteidigung trüge und Europa lediglich 30 Prozent. Dies sei eine Lastenverteilung zu Gunsten Europas und zu Lasten Amerikas. „Wir müssen unabhängiger von Amerika werden“, sagte Merz. Besonders Deutschland müsse hier eine aktivere Rolle einnehmen. „Deutschland hat eine überproportional hohe Verantwortung innerhalb er Europäischen Union. Wir müssen unsere geostrategische Mitte in Europa wahrnehmen“, so Merz.

Ganz besonders wichtig sei es, in Deutschland keine innenpolitisch motivierten Entscheidungen zu treffen, die gegen das Interesse unserer EU-Nachbarn gingen. „Zu viel Innenpolitik und zu wenig Rücksicht auf unsere europäischen Nachbarn kann und wird nicht funktionieren“, sagte Merz. Dies gelte auch für den Brexit, der die europäische Union komplett verändern werde. Merz selbst geht davon aus, dass der Brexit stattfinden wird. Wenn nicht Ende März, dann spätestens zum 2. Juli, wenn das neue EU-Parlament nach den Wahlen zusammentritt, an denen sich Großbritannien aller Voraussicht nach nicht beteiligen werde. Aus dem Austritt folgten grundlegende Veränderungen in der Außen- und Sicherheitspolitik, der Handels- und Wirtschaftspolitik sowie der Innen- und Rechtspolitik. Diese müssten gesamteuropäisch aufgefangen und gelöst werden. Bei allen nun aufkommenden Fragen werde innerhalb der Europäischen Union besonders von Deutschland erwartet, Führung zu übernehmen. „Deutschland muss mehr Verantwortung übernehmen“, sagte Merz.

Zum Abschluss seiner Rede appellierte Merz besonders in Bezug auf die transatlantischen Beziehungen an das Publikum: „Bei allem, was uns trennt, uns verbinden gemeinsame Werte und eine Gewaltenteilung mit gut funktionierender Exekutive. Daher sollten wir bei diesem Leitbild bleiben und für eine offene, freiheitliche Gesellschaft eintreten.“

Im anschließenden Gespräch fragte Moderatorin Christina von Ungern-Sternberg nach der Verbindung von Karl Carstens zur politischen Gegenwart. „Ich glaube Karl Carstens wäre entsetzt über Trump und seine Umgangsformen, würde aber auch dafür stehen, dass wir Rüpeln nicht mit Rüpeln beantworten dürfen“, antworte Merz auf die Frage, was Carstens wohl zu Trump sagen würde. Man müsse aber in der aktuellen Situation auch zwischen Trump und anderen Amerikanern differenzieren. Es gäbe nicht nur Amerikaner wie Trump, sondern auch viele mit anderen Ansichten. „Amerika muss versuchen nicht nur die Elite am Rand zu gewinnen. Die Demokraten müssen auch im Zentrum und damit in der Mitte der Gesellschaft gewinnen. Die Wahl wird nicht an den Rändern, sondern in der Mitte entschieden“, sagte Merz.

Das sei auch auf Europa und Deutschland übertragbar, da man hier auch nicht nur die Elite, sondern die Mitte erreichen müsse. „Wir dürfen nicht zu groß für Europa sein, sondern ein gleichberechtigter Partner, der aber Verantwortung übernimmt und die großen politischen Fragen nicht alleine diskutiert“, stellte Merz zur Rolle Deutschlands innerhalb Europas und der Welt fest.

Zum Abschluss der 3. „Karl-Carstens-Rede“ bedankte sich Ralf Altenhof bei Friederich Merz für die ausgezeichnete analytische Rede, die weit über die transatlantischen Beziehungen hinausgegangen sei. Er kündigte an, dass die 4. „Karl-Carstens-Rede“ noch in diesem Jahr mit Wolfgang Schäuble zum Thema „Patriotismus ohne Nationalismus“ stattfinden wird.

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Dr. Ralf Altenhof

Dr. Ralf Altenhof

Landesbeauftragter und Leiter Politisches Bildungsforum Bremen

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