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Die Ukrainer sind skeptisch. Zwar finden Sie den jüngsten Vorstoß gut, weil er auf eine friedliche Lösung des Konflikts abzielt. Dennoch denken Sie, dass nun die russische Seite am Zug sei, Minsk II, das Abkommen von Februar, umzusetzen. „Das Problem aber ist, dass Russland sich nach wie vor nicht als Konfliktpartei sieht“, berichtet Baumann. Zugleich erhöhe Russland aber den militärischen Druck an der Grenze zur Ukraine, indem es dort eine Militärbasis verstärkte, die mittlerweile auf 50.000 Soldaten angewachsen sei. Ukrainische Stimmen äußern sich zudem besorgt darüber, dass die Waffenruhe, die seit 1. September weitgehend eingehalten wird, nur Kalkül sei: Mit ihr wolle Präsident Wladimir Putin nur versuchen, in seiner Rede vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen Ende September die russischen Bemühungen zu bekräftigen, die Waffen zum Schweigen zu bringen.
Allein ein Ende der Kämpfe reicht den Ukrainern nicht, denn „der Donbas ist mittlerweile eine andere Region“, weiß Baumann: Im von ihnen kontrollierten Gebiet haben die Separatisten den Rubel und russische Gesetze eingeführt. Die Ukrainer aber wünschen sich die Umsetzung von Minsk II: Darin wurde unter anderem der Abzug schwerer Waffen, Gefangenenaustausch und die Durchführung von Wahlen vereinbart. „Zudem geht es um den wichtigsten Punkt: die Wiedererlangung der Kontrolle über die ukrainisch-russische Grenze. Solange das nicht erfüllt ist, ist auch Minsk II nicht erfüllt“, sagt Baumann. Doch genau diese Vermischung kurzfristiger militärischer und langfristiger Ziele stelle ein Problem dar und erschwere die Verhandlungen, erläutert Baumann. Die größte Befürchtung der Ukrainer sei ein Einfrieren des Konflikts. Sie wollen nicht, „dass der Donbas eine Region wird, in der Russland die Möglichkeit hat, auch mit Statthaltern Einfluss auszuüben auf die ukrainische Politik“, so Baumann.
Über die politische Dimension hinaus hat der Konflikt auch den Alltag der Ukrainer erreicht. Etwa 1,5 Millionen Flüchtlinge sind aus dem Osten und von der Krim in den Westen des Landes geflohen. Die wirtschaftliche Lage sei durch die hohe Staatsverschuldung schwierig, Arbeitslosigkeit und Inflation sind gestiegen. Aber Baumann berichtet auch von positiven Entwicklungen: So gebe es vermehrt Investitionen in das Land, beispielsweise von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und von privaten Unternehmen, auch aus Deutschland. Man könne zwar noch nicht von einem Aufschwung sprechen, die Phase der Stagnation dürfte jedoch überwunden sein.