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Diese Vierergruppe hatte auch Fox im Auge, als er im Juli eine vertiefte lateinamerikanische Integration anmahnte und als Kern eine engere Zusammenarbeit zwischen Mexiko, Argentinien, Brasilien und Chile vorschlug. Am 31.8. und 1.9. dieses Jahres hatte nun Cardoso seinen Führungsanspruch bei den künftigen Integrationsbemühungen angemeldet. Er hatte die 12 Staatschefs Südamerikas nach Brasilia eingeladen, um eine neue südamerikanische Identität zu finden und die Nachbarstaaten Brasiliens an den MERCOSUR heranzuführen.
Fox bedauerte den ,Ausschluß''x bedauerte den ,Ausschluß''bedauerte den ,Ausschluß''dauerte den ,Ausschluß''uerte den ,Ausschluß''rte den ,Ausschluß''e den ,Ausschluß''den ,Ausschluß''n ,Ausschluß'',Ausschluß''usschluß''schluß''hluß''uß'''' der übrigen lateinamerikanischen Staaten, der nicht nur die Bipolarität der Diskussion um die lateinamerikanische Integration deutlich machte, sondern auch die Rivalität Mexikos und Brasiliens um die Sprecherrolle bei den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen Nordamerika, Lateinamerika und der Karibik, ALCA, das 2005 in Kraft treten soll. Die Staaten der Europäischen Union werden diesen Prozeß aufmerksam verfolgen müssen, denn bereits jetzt ist die Enttäuschung Lateinamerikas über die Verhandlungen mit der EU, besonders im Hinblick auf den Agrarmarkt, deutlich zu spüren.
Südamerika - eine neue geopolitische Dimension?
Experten in Europa, Nordamerika und vom Rio Grande bis Feuerland waren es gewohnt, sich bei ihren Analysen auf Lateinamerika zu beziehen, wobei freilich immer auf die Unterschiede der einzelnen Länder hingewiesen wird. Dennoch hatte sich der Begriff Lateinamerika auf Grund von historischen, kulturellen und, mindestens teilweise, sozio-ökonomischen Gemeinsamkeiten eingebürgert. Südamerika war demgegenüber mehr ein geographischer, als ein politischer oder entwicklungspolitischer Begriff.
Cardosos Initiative, die Integration Südamerikas voranzubringen, ist nicht nur aus der Rivalität mit Mexiko zu erklären. Die demokratie-politischen Probleme der Nachbarn Venezuela, Peru, Ecuador und Paraguay, die Guerillaprobleme Kolumbiens, der Drogenhandel und die Geldwäsche in mehreren Nachbarstaaten Brasiliens und die wirtschaftliche Schwäche des größten MERCOSUR-Partners Argentinien lassen Brasilien in der Tat keine Alternative zu einer Kooperation mit den Nachbarstaaten, wenn es seine Demokratie und Wirtschaft wirksam schützen und konsolidieren will. Daß es hierbei auch um den Anspruch geht, bei den ALCA-Verhandlungen die führende Rolle des Südens zu spielen, ist gleichfalls unter der Rubrik Eigeninteresse Brasiliens zu buchen.
Dennoch spiegelt das Kommuniqué der Konferenz von Brasilia in seinen 62 Punkten einen neuen Geist Südamerikas wider. Die Präsidenten waren sich einig in der Einschätzung, daß "der Friede, das freundschaftliche Verhältnis und die Kooperation zwischen den lateinamerikanischen Staaten diese Region vorteilhaft von anderen Regionen der Welt unterscheide" (Punkt 4 des Kommuniqués). Dies mag man als Rhetorik geringschätzen, wenn man die unterschiedlichen Interessen der südamerikanischen Staaten und die sehr verschiedenen Führungspersönlichkeiten, etwa Cardoso und Lagos mit ihrem eher wissenschaftlich strategischen Ansatz in Brasilien beziehungsweise Chile gegenüber den eher populistischen Präsidenten Perus und Venezuelas vergleicht. Die Tatsache, daß der wirtschaftlich stärkste und größte Staat Südamerikas eine Führungsrolle in dieser Region übernimmt und die übrigen Staaten in eine engere Kooperation zwingen will, gibt dem Gipfel von Brasilia allerdings eine realpolitische Dimension, die über die in Lateinamerika übliche freundschaftliche Umarmung hinausgeht, deren Wirkung letztlich freilich erst bei den ALCA-Verhandlungen objektiv zu beurteilen sein wird.
Demokratie und Frieden durch Integration
Neben den südamerikanischen Präsidenten und den Beobachtern der lateinamerikanischen Kooperationsinstitutionen waren die Präsidenten der Interamerikanischen Entwicklungsbank und des Andenpakts in Brasilien an den Verhandlungen beteiligt. Dies zeigt einerseits, daß auch Brasilien nicht nur ‚südamerikanisch denkt', andererseits das Bemühen Brasiliens, die beiden Integrationsversuche Südamerikas, den MERCOSUR und den Andenpakt, einander näher zu bringen. Deutlich wird aus der Teilnehmerliste auch, daß der Bedarf an Integrationsinstitutionen in Lateinamerika gedeckt ist und es eigentlich mehr auf eine Konzentration der Anstrengungen ankommt.
Wie wichtig der rationale Einsatz der Integrationsressourcen ist, wird deutlich an den verhandelten Problemen. Demokratie und Frieden durch eine vertiefte Integration in Südamerika zu schaffen und zu konsolidieren, war das Leitmotiv des Treffens. Besondere Aufmerksamkeit schenkten die Staatschefs
- dem internationalen Umfeld der Wirtschaft Südamerikas, insbesondere einer besseren Nutzung der Globalisierungschancen, einer gerechteren Verteilung des Reichtums, einer Öffnung der Märkte in den Industrieländern und einem verbesserten Kapitalzufluß;
- der Konsolidierung der Demokratie, die übereinstimmend als "unabdingbare Voraussetzung für Frieden, Stabilität und Entwicklung in der Region" betrachtet wird; deutlich spürbar wird die Sorge um die Rolle der politischen Parteien, um die Partizipation und das demokratische Engagement der Bürger, die Transparenz der Politik (man merkt, daß nur aus diplomatischen Gründen das Wort Korruption vermieden wurde) und um die Erhaltung des Rechtsstaats; die Verpflichtung der MERCOSUR-Staaten, ausgedrückt im Protokoll von Ushuaia 1998, sich bei der Gefährdung der Demokratie zu konsultieren, macht die Absicht deutlich, den Anfängen zu wehren, wie dies im Falle Paraguays geschah, freilich im Falle Perus und Venezuelas nicht sichtbar wurde;
- der Bekämpfung der Armut, wobei man auf internationale Hilfe pocht, freilich die eigene Verantwortung nicht versteckt; bemerkenswert ist zudem der klar herausgestellte Zusammenhang zwischen dem Erfolg bei der Armutsbekämpfung und der Konsolidierung der Demokratie;
- der Intensivierung des Handels, wobei die Fortschritte innerhalb der Region in den 90er Jahren betont und die mangelnde Marktöffnung außerhalb der Region beklagt wird; nicht explizit angesprochen, aber auch nicht schwer zu erraten sind die Vorwürfe an die USA und die EU wegen der mangelnden Liberalisierung ihrer Importpolitik, besonders im Agrarbereich; was den intraregionalen Handel angeht, soll - neben den weiteren Bemühungen um Liberalisierung - ein Forum geschaffen werden, das Repräsentanten der Privatwirtschaft mit Regierungsvertretern in einen Dialog bringen soll; man war sich bewußt, daß eine Ausweitung des Handels dauerhaft einhergehen muß mit einer Harmonisierung der makroökonomischen Kennziffern;
- dem Ausbau der physischen und telekommunikativen Infrastruktur, die berechtigtermaßen als wesentliche Voraussetzung für die Integration des südamerikanischen Wirtschaftsraums betrachtet wird; ein "Aktionsplan zur Integration der regionalen Infrastruktur in Südamerika" soll in den nächsten 10 Jahren spürbare Fortschritte bei der Verbesserung der Verkehrs- und Kommunikationsstruktur bringen; das von der Interamerikanischen Entwicklungsbank im Auftrag Brasiliens entwickelte Programm zur Erweiterung des Straßennetzes und der Energiewirtschaft würde bessere Standortbedingungen für die Entwicklung der Wirtschaft in Südamerika schaffen;
- der Bekämpfung des Drogenhandels und der damit verbundenen Verbrechen; hier wird die nur gemeinsam zu bewältigende Aufgabe besonders deutlich, wobei man auch der internationalen Hilfe bedarf;
- der Kooperation in Wissenschaft und Forschung; hiervon verspricht man sich eine Beschleunigung des technischen Fortschritts, was die Nutzung der in der Globalisierung liegenden Chancen erleichtern würde.
"Kolumbianisierung" des Gipfeltreffens
Die Übertragung der Situation in einem Land auf andere Staaten enthält nicht nur diplomatischen Sprengstoff. Der von den lateinamerikanischen Medien benutzte Begriff der Kolumbianisierung des Gipfeltreffens soll denn auch nur zeigen, daß die Verhandlungen in Brasilia von den Problemen Kolumbiens überschattet, am Ende des Gipfels sogar beherrscht waren. Der Besuch Präsident Clintons in Kolumbien einen Tag vor dem Gipfeltreffen in Brasilia unterstrich die Bedeutung, die die Lösung des Guerilla- und Drogenproblems auch für die übrigen südamerikanischen Staaten hat.
Zwar lehnen die südamerikanischen Staaten militärische Aktionen der USA ab. Auch haben sie sich nicht bereit erklärt, Kolumbien militärisch zu helfen; sie sind sich aber, das kommt indirekt auch im Kommuniqué von Brasilia zum Ausdruck, sehr wohl bewußt, daß der Konflikt in Kolumbien auch in die Nachbarstaaten überschwappen kann. Brasilien wird deshalb seine Truppen im Norden verstärken, um ein Übergreifen auf sein Territorium zu verhindern, womit man Kolumbien indirekt doch hilft und Rückzugsgebiete der Guerrilla verschließt. Ob Venezuela, entgegen früheren Aussagen von Präsident Chávez dem Beispiel Brasiliens folgt, bleibt abzuwarten.
Als Zeichen der südamerikanischen Solidarität werteten die Medien die "erklärte Unterstützung" (decidido apoyo) Kolumbiens für eine friedliche Lösung und die Anerkennung für die bisherigen Bemühungen. Kolumbien hatte es somit erreicht, daß der ,Plan Colombia', der eigentlich in der Agenda nicht vorgesehen war, die nötige Aufmerksamkeit fand. Zu einer konkreten Hilfe fanden sich die südamerikanischen Staaten freilich nicht bereit.
Perspektiven der Integration
Wenn die erklärte Absicht der Staatschefs, die Kooperation in Südamerika zu intensivieren, Wirklichkeit wird, ergeben sich für in- und ausländische Investoren neue Chancen in Südamerika. Die Verhandlungen zwischen dem MERCOSUR und dem Andenpakt sollen vor Januar 2002 aufgenommen werden. Damit wird gleichzeitig ein wichtiger Schritt in Richtung auf die ALCA-Verhandlungen unternommen, für die - gemäß der 5. Ministertagung in Toronto 1999 - die einzelnen lateinamerikanischen Staaten erste Vorschläge bis Ende dieses Jahres ausarbeiten sollen. In Brasilia wurde nun beschlossen, "die Koordinierung der Verhandlungspositionen der südamerikanischen Länder zu intensivieren". Dies ist ein ernst zu nehmender Schritt, der von manchen Autoren befürchtete, durch ALCA verstärkte Abhängiggkeit Lateinamerikas von den USA entgegenzuwirken. Für Südamerika wäre hierbei die Bildung einer beim EU-Lateinamerika-Gipfel in Rio de Janeiro in Aussicht gestellten Freihandelszone mit der EU eine wesentliche Unterstützung. Fraglich bleibt freilich, ob sich die USA hiervon beeindrucken lassen und ihre Importpolitik liberalisieren.
Mittelamerika, inzwischen überwiegend durch Freihandelsabkommen mit Mexiko enger verbunden, spielte in Brasilia ebenso wenig eine Rolle wie die Karibik. Zwar wurden auch deren Kooperationsabkommen im Protokoll von Brasilia erwähnt, den südamerikanischen Staaten, und ganz besonders Brasilien geht es nun freilich zunächst einmal um die Region südlich Panamas. Hierbei setzt man auf mehr Selbstverantwortung für die Entwicklung in dem jeweiligen Land, auf die Kooperation mit den anderen südamerikanischen Staaten und auf die internationalen Beziehungen. Sollte dieser in Brasilia beschworene Integrationsgeist Realität werden, bekämen die Verhandlungen der EU mit dem MERCOSUR und die Verhandlungen mit Nordamerika im Rahmen der ALCA eine neue Dimension. Südamerika wäre dann wohl auch in der Lage, die Chancen der Globalisierung und die Ressourcen der zahlreichen Integrationsinstitutionen besser zu nutzen als bisher.
Trotz einer gewissen Skepsis wegen der bekanntermaßen oft nicht identischen Rhetorik und Realität in Lateinamerika muss festgehalten werden, dass zum ersten Mal alle südamerikanischen Präsidenten vereint sich zu einer demokratischen Kultur bekennen, sich ihrer Möglichkeit als Wirtschaftsfaktor bewusst zu sein scheinen und mit der Unterzeichnung der Deklaration von Brasilia in eine zukunftsweisende Richtung zielen. Immerhin besteht der südamerikanische Markt aus mehr als 300 Millionen Einwohnern und hat ein Gesamt-BIP von mehr als 1,5 Billionen USDollar.
Mexiko dürfte mit einem gewissen ,Neid' auf die von den Teilnehmern und den Medien im Konsens gelobte erfolgreiche erste südamerikanische Gipfelkonferenz blicken. Sollten auch nur Teile der Resolutionen realisiert werden, so ist Brasilien die Rolle als führende Macht des südamerikanischen Kontinents auch weiterhin gewiss. Mexikos Anspruch auf die lateinamerikanische Führungsrolle wäre damit kaum zu verwirklichen, was Mexikos Position in der NAFTA und bei den ALCA-Verhandlungen schwächen würde.
Dementsprechend klar war Cardosos Antwort in einem Interview bezüglich der Zukunft der ALCA: "Darüber sollte man die USA befragen...". Unterstrichen wird damit das neues Selbstverständnis und Selbstbewußtsein Südamerikas, sich aktiv an weltpolitischen Entscheidungen zu beteiligen. Die Europäische Union ist Vorbild für dieses neue Südamerika. Auch deshalb wäre es angemessen, wenn die südamerikanische Region künftig von europäischer Seite eine stärkere Beachtung, Anerkennung für die weitreichenden Reformen in der Region und Unterstützung bei der Erweiterung und Vertiefung der Integration fände.
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