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Auf das Podium waren dazu drei Generationen eingeladen: Dr. Wulf Schönbohm war 1967/68 Bundesvorsitzender des RCDS und damit direkt mit den Auseinandersetzungen in Berlin konfrontiert. Für Rechtsanwalt Marcus Sonnenschein sind sie dagegen Kindheitserinnerungen, er wurde in einem Kinderladen aufgezogen. Der aktuelle RCDS-Vorsitzende Matthias Kutsch ist knapp 20 Jahre später geboren und kennt die Vorgänge nur aus der Zeitgeschichte.
Ein Jahr, das zum Synonym für eine gesellschaftliche Bewegung werden sollte – das war 1968. Die Träger dieser Bewegung kamen aus dem linken Studentenmilieu, auf ihrer Agenda stand der Protest gegen den gegenwärtigen Zustand der Gesellschaft, gegen die Autoritäten, die Medien, den Kapitalismus und die verbreiteten Wertvorstellungen. Bereits in den frühen 60er Jahren hatte sich diese Bewegung entwickelt, was sich vor allem an der Radikalisierung des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) nach seinem Ausschluss aus der SPD im Jahre 1961 verfolgen lässt. Ihren Höhepunkt hatte die Bewegung dann aber eindeutig in den Jahren 1967 und 1968 mit der Forderung nach Hochschulreformen und der Kampagne „Enteignet Springer“. In diese Zeit fallen auch eine Vielzahl an Großdemonstrationen, die nicht selten von Gewalt begleitet waren. Der Tod von Benno Ohnesorg im Juni 1967 und das Attentat auf Rudi Dutschke im April 1968 trugen maßgeblich zu einer Eskalation im Kampf zwischen Demonstranten und Staatsgewalt bei. Ab dem Spätjahr 1968 kam es dann zu einer Zersplitterung der Bewegung.
Zunächst erinnerte Politologe Schönbohm daran, dass die Bundesrepublik in den 60er Jahren von einer „miefigen Gesellschaft“ geprägt wurde, so dass es gerade bei den jungen Menschen eine große Protestbereitschaft gab. Er ist sich aber sicher, dass die gesellschaftlichen Veränderungen auch ohne die 68er stattgefunden hätten, vielleicht weniger dynamisch. In der Frage nach dem Gewalteinsatz der linken Studentengruppierungen betonte Marcus Sonnenschein, dass dieser Aspekt der Bewegung nicht mythologisiert werden darf: „Viele haben sich mit der Gewaltfrage kritisch auseinandergesetzt, wie beispielsweise die Kommune II, ihr Fehler bestand aber darin, sich zu spät von der Gewaltanwendung zu distanzieren.“
Aus der Sicht von Wulf Schönbohm ging es den Studenten denn auch weniger um Gewalt als vielmehr um gezielte Regelverletzung: Nach Dutschkes Ansicht sollten beispielsweise die Reaktion auf Verstöße gegen die Hausordnung der Universität klar machen, was für ein faschistoider Staat Deutschland ist. Doch die „Gewalt gegen Sachen“ brachte weitere Fragen auf: Wie wehrt man sich gegen die Polizei? Was macht man mit Fahrern von Zeitungs-LKWs, die sich nicht widerstandslos von der Auslieferung der Springer-Erzeugnisse abbringen lassen? Aus der daraus resultierenden Diskussion über „Gewalt gegen Personen“ ist nach Schönbohms Überzeugung dann letztlich die RAF entstanden, die den Kampf mit letzter Konsequenz und Waffengewalt vertrat.
Die Nachwirkung dieser Diskussion an den deutschen Universitäten hat der RCDS-Vorsitzende Matthias Kutsch aus erster Hand erfahren. Er teilt die „Erben der 68er“ in zwei Lager: „Es gibt die linken Träumer und die Utopisten. Beide bedienen sich der 68er jedoch eher als Mythos, fundierte Kenntnis über diese Generation fehlt oftmals.“ Auffällig sei, dass diese Gruppierungen Toleranz forderten, um dann selbst vollkommen intolerant aufzutreten. Zudem beobachtet der RCDS, wie die linken Studentenverbände immer wieder den Boden der politischen Kultur verlassen, indem sie beispielsweise der Studentenschaft staatlich zugewiesene Gelder für Protestfahrten zum G8-Gipfel missbrauchen.
Im Bezug auf die Fragestellung der Diskussion verständigte sich das Podium mit den Zuhörern auf zwei zentrale Thesen: Mit ihrer Theorie von der Gegengewalt zur Staatsgewalt haben die 68er einen Umbruch geschaffen, der sich bis heute auswirkt. Daher ist es dringend geboten, das Tabu der Gewaltanwendung in der politischen Auseinandersetzung wiederherzustellen. Zudem ist es ein Versäumnis vieler Sympathisanten der 68er gewesen, die Gewaltanwendung nicht frühzeitig verurteilt zu haben. In seinen Schlussthesen erinnerte Prof. Gerd Langguth von der Universität Bonn nochmals daran, dass gerade 40 Jahre nach 1968 die Bedeutung der Studentenbewegung nicht verklärt werden darf. Er ist sich sicher: „Die Frischluft wäre auch ohne sie in das miefige Deutschland gekommen, wenn auch vielleicht langsamer.“
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