Ein Bericht des Kollegiaten Tom Zeising
In einer ersten Erkenntnis stellten die Teilnehmenden gemeinsam mit Prof. Maull fest, dass sich die liberale internationale Ordnung in einer strukturellen Krise befindet. Diese Krise würde sich durch Konflikte innerhalb der Staaten-, der Gesellschafts-, und der Ideenwelt materialisieren. Prof. Maull gab jedoch zu bedenken, dass diese Krise nicht erst mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine begonnen habe. Auf Nachfrage der Stipendiatinnen und Stipendiaten datierte er die Anfänge auf die Finanzkrise ab 2008. Diese hätten die Führungsrolle der USA und die Auffassung der Überlegenheit des westlichen Systems mit einer liberalen Weltordnung nachhaltig beschädigt. Seitdem könne eine zunehmende Aufteilung der Welt in einen chinesischen und einen amerikanischen Pol beobachtet werden.
Es sei genau diese Bipolarisierung, die zunehmend Probleme und eine Blockade des Systems mit sich bringt, so die Schlussfolgerung. Dies zeigt auch der Blick auf Schwellenländer, zum Beispiel in Südamerika, aber auch Indien und Asien. So erläuterte Prof. Maihold, dass die lateinamerikanischen Länder außenpolitische Diversität als Handlungsressource innerhalb des Spannungsfeldes zwischen EU, USA und China sähen. Dies führt nicht nur zu einer Vielzahl an Institutionen, die oft “ihre eigene Substanz suchen”, sondern lasse zudem eine Spannung zwischen funktionalem und regulatorischem Multilateralismus, zwischen Zielen und Werten entstehen.
Dieses, offiziell als “Forum Shopping” bezeichnete, Taktieren mit (flachen) internationalen Organisationen, findet ebenso Anwendung in den asiatischen Staaten, wie Prof. Rüland ausführte. Die Formen des Multilateralismus reichen hier von globalen Institutionen über unterschiedliche Ausprägungen des Interregionalismus bis hin zu regionalen Arrangements. In der Diskussion mit den Kollegiatinnen und Kollegiaten wurde klar, dass die asiatischen Groß- und Mittelmächte versuchen, besonders mit bilateralen Ansätzen ihre strategischen Ziele zu erreichen, während kleinere Nationen dies eher mit multilateralen Ansätzen tun.
Christian Echle sowie Lewe Paul gewährten abschließend noch einen Einblick in die praktische Relevanz des Themas Multilateralismus am Beispiel Indiens. Dass Deutschlands Potential als Sicherheitsgarant innerhalb der südasiatischen Staaten als vernachlässigbar angesehen wird, wurde im Laufe der Debatte zunehmend deutlich. Es wurde jedoch auch klar, dass ein deutsches Engagement im Bereich der Umwelt- und Cybersicherheit ein „Unique Selling Point“ darstellen könnte, der zu einer stärkeren Kooperation Deutschlands und Indiens beitragen könnte.
Wie üblich stellten auch einige Kollegiatinnen und Kollegiaten die Fortschritte ihrer Promotionsarbeit vor. Benjamin Pfannes untersucht in seiner Promotion anhand von Experteninterviews und Archivarbeit die militärische Rolle der Deutsch-Französischen Brigade. Dieses Thema ist besonders im Hinblick auf eine mögliche europäische Armee von Bedeutung und soll Aufschluss über mögliche Defizite innerhalb der Kooperation leisten. Um die Systemfrage zwischen China und Europa ging es bei der Präsentation von Cynthia Wrage. Ihre Dissertation stellt die Frage, warum kritische Infrastruktur in Europa an den Systemrivalen China verkauft wird. Zur Beantwortung wird sie mit Länderstudien und den Großtheorien der Internationalen Beziehungen arbeiten. Eine Arbeit über Usbekistan stellte schließlich der Kollegiat Florian Eitzenberger vor. Sein im ethnologischen Bereich verankertes Promotionsprojekt soll beleuchten, welchen Zusammenhang Tourismus und Nation-Building in dem Land haben.
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