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Die Chronologie und die Fakten
Die UDK wählte am 22. Dezember 2008 zum ersten Mal seit ihrer Gründung per Urabstimmung aller Parteimitglieder den 32-jährigen Ökonomen und Abgeordneten Martin Dimitrov zum Parteivorsitzenden. Dimitrov setzte sich in der Stichwahl mit großer Mehrheit gegen seinen Kontrahenten Rumen Hristov durch. Der alte Vorsitzende Plamen Jurukov hatte auf eine Teilnahme an der internen Wahl verzichtet, weil er nach seinen Worten nicht über den erforderlichen Rückhalt in der Partei verfüge.
Gegen die Wahl des neuen Vorsitzenden Dimitrov klagten UDK-Mitglieder. Dabei richtete sich ihr Einspruch zunächst gegen die neue Parteisatzung, laut welcher die Wahl von Dimitrov stattgefunden hatte. Die Registrierung der neuen Satzung war nach Ansicht der Kläger zum Zeitpunkt der Wahl nicht in Kraft getreten. Danach wurde die Wahl von Dimitrov selbst vor Gericht angefochten.
Das Sofioter Stadtgericht verweigerte dem neuen Vorsitzenden die Eintragung in das Parteienregister. Als Motive für seine Entscheidung wurde u.a. angegeben, daß die geheime Urabstimmung zur Wahl einer Parteiführung nicht demokratisch sei und Urabstimmungen innerhalb von Parteien in Bulgarien bisher nicht durchgeführt worden seien.
Die UDK-Führung bezeichnete den Gerichtsbeschluß als politisch motiviert. Die Urteilsbegründung enthalte eindeutig politische und keine juristischen Formulierungen. Sie legte Berufung beim Obersten Gerichtshof dagegen ein. Das Oberste Gericht hob den Beschluß der ersten Instanz auf und verwies den Fall zurück an das Sofioter Stadtgericht mit der Anweisung, daß er von einem neuen Senat verhandelt wird. Allerdings erklärte der Richter des Sofioter Stadtgerichts, der den Fall der UDK neu verhandeln sollte, daß er sich selbst wegen vermeintlicher Befangenheit vom Prozeß zurückziehe (Selbstablehnung), so daß keine Verhandlung stattfand. Ein weiterer mit der Sache betrauter Richter des Sofioter Stadtgerichts erklärte ebenfalls seine Voreingenommenheit und weigerte sich ebenfalls, den Prozeß in Gang zu setzen.
Derweil rückte der 12. Mai, der Tag, an dem die Frist für die Eintragung der Parteien und Koalitionen für die Teilnahme an den Europawahlen endet, immer näher.
Der UDK-Vorsitzende Dimitrov richtete einen Brief an staatliche Institutionen und Parteien - Sofioter Stadtgericht, Oberstes Kassationsgericht, Inspektorat des Obersten Justizrates, den Vertreter der Europäischen Kommission in Bulgarien, den Vorsitzenden der EVP sowie Vorsitzende der EVP-Mitgliedsparteien -, in welchem er sie zum Eingreifen aufforderte. In Bulgarien finde ein Verzicht auf Rechtsprechung statt.
Überraschend brachten unterdessen der alte, aber noch immer formell juristisch amtierende Vorsitzende Plamen Jurukov und der frühere Generalsekretär Plamen Radonov die Unterlagen für eine selbständige Teilnahme der Union an den Europawahlen in die Zentrale Wahlkommission ein. Jurukov rechtfertigte seinen Schritt zuerst damit, daß er als noch-legitimer Vorsitzender die Gefahr abwenden wolle, daß die UDK aufgrund der juristischen Probleme mit der Parteiführung von den Wahlen ausgeschlossen werden könnte. Später meinte er, daß die Blaue Koalition UDK-DSB ein Fehler sei und die UDK mit einer eigenen Liste bei der Wahl antreten sollte. Allerdings scheiterte er mit diesem Versuch letztlich infolge eines Spruches des Obersten Verwaltungsgerichtes, das eine kurzzeitig gegebene Zulassung zu den Europawahlen durch die Wahlkommission widerrief. Das bedeutet, daß die Jurukov-UDK von der Teilnahme an den Europawahlen endgültig ausgeschlossen ist.
Zuvor waren der de jure Vorsitzende Jurukov, Ex-Generalsekretär Radonov sowie einige weitere UDK-Mitglieder aus der Partei ausgeschlossen worden. Am selben Tag registrierte die Zentrale Wahlkommission die Blaue Koalition, das Bündnis aus UDK und DSB, für die Europawahlen. Die UDK ist dort als Partei wegen der ausstehenden Registrierung der Führung nicht aufgeführt. Politisch hat das keine weiteren Konsequenzen, sämtliche UDK-Kandidaten werden laut Koalitionsabkommen im Rahmen des Bündnisses an der Wahl teilnehmen.
Hintergründe
An der Legitimität der jetzigen UDK-Führung um Martin Dimitrov besteht trotz der juristischen Einwände für die meisten Beobachter letztlich kein Zweifel.
Die neue UDK-Führung um Martin Dimitrov behauptet vehement, daß die juristischen Hürden bei ihrer Registrierung von den Regierungsparteien Bulgarische Sozialistische Partei (BSP) und insbesondere von der Vertretung der türkischen Minderheit, der Bewegung für Rechte und Freiheiten (DPS) aufgebaut werden. Die BSP, DPS und die Oligarchie führten einen Krieg gegen die UDK. Ein gutes Abschneiden der Blauen Koalition würde eine gemeinsame bürgerliche Regierung mit der GERB-Partei des Sofioter OB Bojko Borissov bedeuten. Das versuchten die BSP und DPS durch direkte Einmischung in die Arbeit der staatlichen Behörden und Druck auf die Justiz zu verhindern. Anders sei die Haltung dieser Institutionen nicht zu erklären. Der Ex-Vorsitzende Jurukov und der Ex-Generalsekretär Radonov seien mit der DPS verbunden und würden in ihrem Auftrag handeln. Bemerkenswert sei darüber hinaus, daß Jurukov alle diese Aktionen im Alleingang ohne die Zustimmung der Parteispitze unternommen habe. Er habe sich nicht getraut, vor die Führung zu treten und seine Absichten zu begründen.
Die UDK hat seit ihrer Gründung im Dezember 1989 viele Spaltungsversuche erlebt und war oft Zielscheibe nicht ganz korrekter politischer Angriffe. Insofern ist das jetzige Drama kein Präzedenzfall. Dennoch ist die gegenwärtige Situation in mancher Hinsicht drastischer. Es gibt in der Tat eine Reihe von Indizien, die die These von Dimitrov, daß Strippenzieher aus Regierungskreisen hinter den Kulissen eine Schwächung oder gar Vernichtung der Blauen Koalition auch um den Preis politischen Drucks auf das Gericht anstreben, nicht unplausibel erscheinen lassen. Was die Aktionen des de jure UDK-Vorsitzenden Jurukov anbelangt, so sind diese befremdlich und rational kaum nachvollziehbar. Insofern sind Mutmaßungen von Beobachtern, daß er im Auftrag politischer Gegner der Blauen arbeitet, nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen.
Ausblick
Die Stammwähler der Blauen werden durch die letzten Ereignisse vermutlich nur in ihrer Entschlossenheit bestärkt, ihre Koalition bei den Wahlen zu unterstützen. Martin Dimitrov meint, daß die Angriffe auf die UDK einen mobilisierenden Effekt auf die bürgerliche Wählerschaft insgesamt haben werden. Dem ist entgegenzuhalten, daß die allgemeine Politikverdrossenheit in Bulgarien derzeit groß ist. Potentielle bürgerliche Wähler außerhalb der Kernwählerschaft, die die politischen Prozesse nicht so genau verfolgen, könnten durch dieses für sie unverständliche Hickhack verwirrt und zur Wahlenthaltung veranlaßt werden. Vor allem aber ist diese Entwicklung der politischen Kultur im Lande insgesamt abträglich. Bulgarien hat sich in den letzten 20 Jahren seit der Wende 1989 mehr oder weniger kontinuierlich in Richtung eines Rechtstaates bewegt. Mit der jüngsten Entwicklung jedoch sind grundlegende Normen und Spielregeln des demokratischen Rechtsstaates in bedenklicher Weise übertreten oder ignoriert worden.