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"Wir haben die Macht aus den Händen des Volkes erhalten und geben sie nun an das Volk zurück", erklärte er. "Ich kann es nicht verantworten, auf die blutige Adlerbrücke zu schauen, jeder Tropfen Blut ist eine Schande für uns", sagte er unter Bezugnahme auf die gewaltsam verlaufenden Demonstrationen. "Wir haben unser Bestes in diesen vier Jahren gegeben".
So ehrenhaft diese für viele überraschende Entscheidung auch ist, sie stürzt Bulgarien in eine Krise. Sollte das Parlament nicht in der Lage sein, eine neue Regierung zu bilden, dann wird das Parlament vom Staats- präsidenten aufgelöst. Dieser setzt eine Interimsregierung ein und ordnet Neuwahlen innerhalb von 60 Tagen an; also Mitte April oder Anfang Mai. Regulär wäre ohnehin Anfang Juli gewählt worden.
Anlass waren hohe Stromrechnungen. Doch diese sind nicht der einzige Grund, der zehntausende Bulgaren seit Tagen im ganzen Land auf die Straße treibt.
Bulgarien ist das ärmste Land der EU, neben Rumänien. Aber es ist fiskalpolitisch auch eines der stabilsten. Es erfüllt alle Maastricht-Kriterien problemlos, was angesichts der Krise des Nachbarn Griechenland nicht hoch genug bewertet werden kann.
Doch diese finanzpolitische Stabilität hat einen hohen Preis: Die Investitionen in die Infrastruktur bleiben weitgehend aus und da, wo sie stattfinden, sind sie überwiegend aus den EU-Strukturfonds finanziert. Die Einkommen sind extrem gering und seit Jahren nicht mehr gestiegen, die Renten reichen den wenigsten Alten zum Leben. Nach einer Statistik des Bulgarischen Wirtschaftsblatts vom Februar leben 1,5 Mio. Menschen (20,4 %) unter der Armutsgrenze. Sie verfügen über weniger als 215 Leva (etwa 110 €) pro Kopf und Monat; 2,5 Mio. Bulgaren haben weniger als den Mindestlohn von 290 Leva (34,2 %) zur Verfügung; 2,3 Mio. weniger als die zum Lebensunterhalt notwendigen 565 Leva (31,5 %). Nur 1,0 Mio. Bulgaren liegen über diesem Satz (13,7 %). Einnahmen u. a. aus Schwarzarbeit und die Tatsache, dass fast alle Bulgaren über Wohneigentum verfügen, mildern diesen Umstand nur unwesentlich. Unterchwellig war großer Unmut bei den sehr leidensfähigen Bulgaren schon seit längerem spürbar.
Der Brotpreis war in vergangenen Jahrhunderten in Europa oft der Grund für Revolten; in Bulgarien ist der Strompreis der neue Brotpreis: An vermeintlich zu hohen Stromrechnungen entzündete sich in der letzten Woche der Protest, der sich schnell auf das ganze Land ausweitete und am Sonntag und Montag (17./18. Februar) den vorläufigen Höhepunkt erreichte: Es gab Demonstrationen in 30 Städten, an denen Zehntauende teilnahmen. Zum Teil kam es zu heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei, vor allem in Sofia. Mittlerweile geht es nicht mehr nur um die Energierechnungen, die viele Bulgaren nicht mehr bezahlen können, sondern auch um zu niedrige Einkommen und um die wirtschaftliche und soziale Stagnation im Land.
Der Protest richtete sich nicht nur gegen die 2004 privatisierten Energiekonzerne und ihre monopolistischen Strukturen, sondern schnell auch gegen die Alleinregierung von Ministerpräsident Boiko Borissov und seiner von ihm gegründeten Partei Gerb. Borissov reagierte stets empfindlich auf Proteste. Mit diesen konnte er nicht lange umgehen. Der medial sonst so präsente Politiker war seit Samstagmorgen „abgetaucht“. Erst auf einer Pressekonferenz am Dienstag versuchte er vergeblich, die Lage zu stabilisieren. Nach Auskunft der offiziellen Website des russischen Präsidenten Putin soll Borissov gestern mit ihm aktuell über Energieprojekte telefonisch gesprochen haben. Das Telefonat, das von Borissov ausging, zeigt den Stellenwert Russlands in Bulgarien.
Am Montag wurde Finanzminister Djankov, der bislang der Garant für strikte Haushaltsdisziplin war, zum Rücktritt gezwungen, was viele als Bauernopfer interpretierten. Die Entlassung führte jedenfalls keine Beruhigung der Lage herbei. Der erklärte Antikommunist Djankov gehörte nicht der Partei Borissovs an. Der ehemalige Mitarbeiter der Weltbank wurde vor vier Jahren als Experte für Wirtschaftsfragen ins Kabinett geholt.
Manche wünschen sich nun eine überparteiliche Interims-Regierung von „Experten“, nachdem nach Ansicht vieler in der Bevölkerung die Parteien allesamt gescheitert sind. Viele Bürger haben den Glauben an die Politik, also auch an die Opposition, verloren, so dass diese momentan eher nicht profitiert und auch kaum Lust verspürt, in dieser Lage regieren zu wollen.
Der bürgerlich-konservative Politikwissenschaftler Ognjan Mintchev von der Sofioter Universität meint, die Proteste seien von pro-russischen Oligarchen gesteuert, denen der Premier in letzter Zeit auf die Füße getreten sei. Der Politologe bedauert, dass Borissov sich nicht vom Einfluss dieser Mächtigen getrennt habe, die das Land ausplünderten, sondern ein Lavieren zwischen Russland und dem Westen betrieben habe. Man könne nicht zwei Herren auf einmal dienen.