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Politischer Hintergrund
Anfang Dezember 2006 hat das bulgarische Parlament ein Gesetz zur Öffnung der Archive der ehemaligen kommunistischen Geheimdienste verabschiedet. Viele Beobachter gehen davon aus, daß die Akten der ehemaligen Staatssicherheit Durzhavna Sigurnost (DS) auch 17 Jahre nach der Wende noch politischen Sprengstoff bergen.
Das jüngste Gesetz ist nicht der erste Versuch zur Offenlegung der Dossiers. Zuvor gab es mindestens drei Anläufe, Personen zu durchleuchten und die Archive freizugeben. Bereits 1990 überprüfte ein Parlamentsausschuss die Abgeordneten auf DS-Verstrickungen. Seine Arbeit beschränkte sich jedoch auf die Akten der politischen Polizei, die für die ideologische Kontrolle der Gesellschaft zuständig war. 1997 verabschiedete die bürgerliche Mehrheit ein Gesetz, das die Überprüfung politisch und gesellschaftlich relevanter Personenkreise vorsah. Zudem erhielt jeder Bürger die Möglichkeit, Einsicht in seine – soweit vorhanden – Opferakte zu nehmen. 2001 begann man, intensiver Personen auf ihre frühere DS-Tätigkeit zu überprüfen. Ab 2002 wurde der Zugang zu den Geheimdienstdokumenten aber wieder erschwert.
Nach dem neuen Gesetz ist die Liste der auf DS-Vergangenheit zu durchleuchtenden Personen nunmehr außerordentlich lang, angefangen beim Präsidenten über Regierung, Parlament, Verfassungsgericht, Richter, Staatsanwälte, Bürgermeister, Regionalgouverneure, Chefredakteure, Journalisten, Universitätsdozenten bis hin zu Partei- und Gewerkschaftsvorsitzenden und Religionsführern. Die Liste umfaßt einige 10.000 Personen. Auch soll jeder Bürger Zugang zu seiner Akte erhalten. Sanktionen wie ein Verbot für enttarnte Agenten, öffentliche Ämter zu bekleiden, sind nicht vorgesehen.
Als problematisch hat sich zuletzt die Besetzung des für die Öffnung der Archive zuständigen Ausschusses herausgestellt. Die Opposition argwöhnt, daß die Sozialistische Partei versuchen könnte, sich eine Mehrheit im Gremium zu sichern oder gar die bürgerlichen Oppositionsparteien ganz von der Teilnahme am Ausschuß auszuschließen.
Vorführung des Films „Das Leben der Anderen“
Am Abend des 5. März fand im Rahmen des Sofioter Filmfestivals die bulgarische Erstaufführung des Oscar-preisgekrönten Films „Das Leben der Anderen“ des deutschen Regisseurs Florian Henckel von Donnersmarck im großen Saal des Sofioter Kulturpalastes statt. Dazu kamen ca. 3500 geladene Gäste. Dieses Ereignis wurde von der KAS in Zusammenarbeit mit der Deutschen Botschaft und dem Goethe-Institut Sofia organisiert. Auf dem anschließenden Empfang war auch der Regisseur Wim Wenders zugegen, der Stargast auf dem Filmfestival war.
Die ersten Publikumsreaktionen auf den Film waren nahezu ausnahmslos positiv. Die Vorgehensweise der kommunistischen Geheimdienste war in allen ehemaligen Ostblockländern ähnlich, so daß die meisten bulgarischen Zuschauer mit der Problematik vertraut waren.
Tags darauf erhielten Journalisten die Gelegenheit, im Rahmen einer Pressekonferenz Fragen über den Film und die Stasi-Problematik an den Leiter des Goethe-Instituts in Sofia, Peter Anders sowie an Herrn Gauck zu richten.
Anders lobte den Film, der sich im Gegensatz zu anderen Produktionen ernsthaft mit der DDR-Vergangenheit auseinandersetze, ohne dabei eine Schwarz-Weiß-Malerei der damaligen Zustände zu betreiben. Joachim Gauck meinte, daß die Aufarbeitung der Vergangenheit auf zwei Schienen laufen müsse. Zum einen seien Wissenschaft und Forschung aufgerufen, die objektiven Fakten festzustellen und zu analysieren. Zum anderen aber sei es Aufgabe der Künstler, sich in Büchern, Filmen, Gedichten usw. emotional mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Viele Menschen seien für die künstlerische Aufarbeitung der Vergangenheit empfänglicher als für kühle Analysen.
Die Konferenz
Am Abend des 6. März wurde im Sofioter Radission Hotel die Konferenz „Die totalitäre Vergangenheit und die Öffnung des Archives der ehemaligen Staatssicherheit“ durchgeführt.
Dr. Gauck referierte zu Beginn über die deutsche Erfahrung bei der Öffnung der Stasi-Archive. In Deutschland habe man nach der Wende 1989 beschlossen, keinen Schlußstrich unter die Vergangenheit zu ziehen und die Akten etwa zu vernichten. Das noch 1990 von der ersten freigewählten Volkskammer der DDR im Konsens aller Parteien beschlossene Stasi-Unterlagengesetz habe zum Ziel gehabt, das Herrschaftswissen der ehemaligen Unterdrücker in die Hände und Köpfe der ehemals Unterdrückten zu geben. Damit sei das Monopolwissen der Stasi gebrochen worden. In Deutschland habe es keine Entkommunisierung gegeben, Mitglieder der SED seien nicht einfach aus dem öffentlichen Dienst entlassen worden. Was die ehemaligen Mitarbeiter der Stasi anbelangt, so seien nach Prüfung eines jeden Einzelfalles rund 50% von ihnen aus dem öffentlichen Dienst entfernt worden. Als sehr wichtig bezeichnete Dr. Gauck die Unabhängigkeit der Behörde, die die Akten der Stasi verwaltet.
Der Journalist bei der Deutschen Welle, Alexander Andreew, zugleich Moderator der Veranstaltung, legte 10 Thesen über die ehemalige Staassicherheit vor, die er als Anregung und Anstoß für die Diskussion verstanden wissen wollte.
Der ehemalige Chef des Archives des Innenministerium, Serafim Stojkov, behauptete, daß entgegen einer landläufigen Meinung im Zentralarchiv der DS in Sofia nach der Wende 1989 nur wenig Aktenmaterial vernichtet worden sei. Umfangreichere Säuberungen habe es hingegen in den regionalen Archiven gegeben. Ebenso sei es ein Mythos, daß Akten oder ihre Kopien massenhaft nach Moskau abstransportiert worden seien.
Hristo Hristov, einer der bekanntesten bulgarischen investigativen Journalisten, kritisierte die bulgarischen Schriftsteller, Künstler und Journalisten dafür, daß sie seiner Meinung nach zu wenig für die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit unternehmen. Nur wenige von ihnen hätten im Zeitraum 1997-2001, als das Archiv der Staatssicherheit frei zugänglich war, auch wirklich darin gearbeitet. Die Bestände seien lediglich zu 2% erforscht. Er lobte die neue Gesetzesbasis, war aber insgesamt skeptisch, ob tatsächlich der politische Wille vorliegt, die Archive vorbehaltlos zu öffnen.
Im Gegensatz zu früheren Veranstaltungen der KAS zu diesem Thema verlief die anschließende Diskussion unter den rund 320 Teilnehmern diesmal zwar angeregt, aber ohne überschießende Emotionalität. Die Teilnehmer richteten zahlreiche Fragen an die Referenten und insbesondere an Joachim Gauck. Im Publikum waren der Sofioter OB, Bojko Borissov sowie der ehemalige bulgarische Vizepräsident im Zeitraum 1997-2002, Todor Kawaldschiev.
Das Interesse der Medien an der Person von Joachim Gauck ist, obwohl er innerhalb eines Jahres bereits das dritte Mal in Sofia weilt, keineswegs abgeebbt. Er hat sieben Interviews für verschiedene bulgarische Medien gegeben – Zeitungen, Internet-Ausgaben und Fernsehsender. Das Nationalfernsehen strahlte eine Reportage über die Konferenz in der abendlichen Hauptnachrichtensendung aus.
Als Fazit kann festgehalten werden, daß die Filmvorführung und die nachfolgende Konferenz angesichts der hochkarätigen Bestzung und des starken öffentlichen und medialen Echos zu einem bedeutenden Ereignis in der Tätigkeit der KAS in Bulgarien geworden ist. Sie war zweifellos ein wichtiger Beitrag für die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit im Lande.
Im Anschluß an die Konferenz meldete sich die Birthler-Behörde bei der KAS Sofia. Die Behörde habe von den umfangreichen Aktivitäten der KAS in Bulgarien zum Thema DS-Archive erfahren und möchte gern mit der Stiftung auf diesem Feld zusammenarbeiten.