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Wahlrecht, Volljährigkeit und Politikinteresse?

Immer wieder wird in Deutschland über eine Absenkung des Wahlalters als Mittel gegen eine angenommene „Politikverdrossenheit“ bei Jugendlichen diskutiert. Zuletzt hat der Landtag in Brandenburg im Dezember 2011 mit den Stimmen von SPD, LINKEN, Grünen und FDP gegen die Stimmen der CDU das Wahlalter auf 16 Jahre festgelegt. Der oft emotional geführten Debatte mangelt es allerdings meist an einer nüchternen Bewertung der Fakten. Insbesondere sind bei der Entscheidung über das Wahlalter folgende Gesichtspunkte zu beachten.

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Die Grundlagen

Artikel 38 des Grundgesetzes legt in Absatz 2 zur Wahlberechtigung für die Wahlen zum Deutschen Bundestag fest: „Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.“ Für eine Änderung dieser Regelung wäre ein 2/3-Mehrheit im Deutschen Bundestag erforderlich.

Zwar können die Bundesländer das jeweiligen Landtags- und Kommunalwahlrecht grundsätzlich autonom regeln, aber sie orientieren sich meist am Bundestagswahlrecht. Zwölf von 16 Bundesländern regeln das Wahlalter für Landtagswahlen und landesweite Volksabstimmungen in ihren Landesverfassungen. Das diese nur mit einer 2/3-Mehrheit bzw. teilweise nur durch Volksabstimmungen geändert werden können, ist eine Änderung des Wahlrechtes vor parteitaktischen Überlegungen geschützt. In den Landesverfassungen von Bayern (Art 14), Baden-Württemberg (Art. 73), Berlin (Art. 39), Hessen (Art. 73), Niedersachsen (Art. 8), Nordrhein-Westfalen (Art. 30), Rheinland-Pfalz (Art. 76), dem Saarland (Art. 64), Sachsen (Art. 4) Sachsen-Anhalt (Art. 42) und Thüringen (Art. 46), ist das Wahlalter ausdrücklich auf die Vollendung des 18. Lebensjahres festgelegt.

In Brandenburg wurde die Landesverfassung am 19. Dezember 2011 mit den Stimmen von SPD, LINKEN, Grünen und FDP gegen die Stimmen der CDU geändert und das Wahlalter generell auf 16 Jahre festgelegt.

In Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein ist das Wahlalter grundsätzlich nicht in der Landesverfassung festgelegt und durch einfache Änderung des Wahlgesetzes änderbar. In Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt ist das Wahlalter bei Kommunalwahlen nicht durch die Landesverfassung festgelegt und ebenfalls durch einfaches Gesetz. d. h. mit einfacher Mehrheit änderbar.

Von der Wahlberechtigung ab 18 Jahre weichen bei Kommunalwahlen inzwischen sieben der sechzehn Bundesländer ab: In Niedersachsen (1996), Sachsen-Anhalt (1998), Schleswig-Holstein (1998), Mecklenburg-Vorpommern (1999), Nordrhein-Westfalen (1999), Bremen (2007) und Brandenburg (2011) gilt das kommunale Wahlrecht ab 16 Jahre abgesenkt.

Bei Landtagswahlen ist Wählen ab 16 Jahren bisher nur in Bremen (seit 2011) und künftig in Brandenburg möglich.

In anderen Bundesländern und im Bundestag wurden entsprechende Anträge zur Herabsetzung des Wahlalters wiederholt abgelehnt.

Auch im europäischen Ausland gilt generell die Wahlberechtigung ab 18 Jahren – mit Ausnahme von Österreich, wo 2007 das Wahlalter bei nationalen Wahlen auf 16 Jahre gesenkt wurde. International lassen bisher außerdem lediglich Brasilien, Nicaragua und Kuba (wo man von Wahlen gar nicht sprechen kann) ein Wahlrecht ab 16 Jahren zu.

Wahlalter und Volljährigkeit

Die Forderung nach einer Senkung des Wahlalters wirft die Frage auf, nach welchen Kriterien das Wahlalter festgelegt werden soll. Bisher galt das Erreichen der Volljährigkeit dafür als entscheidender Maßstab. So kündigte Bundeskanzler Willy Brandt in seiner Regierungserklärung „Mehr Demokratie wagen“ vom 28. Oktober 1969 miteinander verbunden Gesetzesinitiativen zur Absenkung des Wahlalters und der Volljährigkeit an. Die Umsetzung erfolgte zur Bundestagswahl 1972 mit der Absenkung des aktiven Wahlalters und (wegen der Vielzahl rechtlicher Folgeregelungen zeitlich verzögert) 1975 mit der Herabsetzung der Volljährigkeit (und damit der passiven Wahlberechtigung) auf 18 Jahre.

Der Vorschlag nach einer weiteren Senkung des Wahlalters wird allerdings nicht mit der Forderung nach einer weiteren Absenkung der Volljährigkeitsgrenze verbunden. Die sich daraus ergebende Entkoppelung von Wahlberechtigung und Volljährigkeit führt zur grundsätzlichen Problematik, ob Bürgerrechte wie das Wahlrecht nicht an die Bürgerpflichten gebunden sein sollten, die zur Volljährigkeit gehören.

Der innere Zusammenhang zwischen Wahlalter und Volljährigkeit konkretisiert sich in der Frage, warum jemand über die Geschicke der Gesellschaft mitentscheiden soll, den diese Gesellschaft noch nicht für reif genug hält, seine eigenen Lebensverhältnisse zu regeln.

16 -Jährige dürfen in Deutschland Mofa fahren, aber nicht ohne Begleitung eines Erwachsenen ein Auto lenken. Sie dürfen in der Öffentlichkeit Bier trinken, aber keine hochprozentigen Alkoholika. Ohne Erlaubnis der Eltern dürfen sie eine Diskothek nur bis Mitternacht besuchen. Bei Gesetzesverstößen fallen 16-Jährige unter das Jugendstrafrecht. Heiraten darf man zwar ab 16, aber nur wenn ein Familiengericht dazu die Genehmigung erteilt und der Ehepartner bereits volljährig ist.

Kaufverträge, die von Jugendlichen unter 18 Jahren ohne Zustimmung des gesetzlichen Vertreters geschlossen werden – zum Beispiel der Kauf eines Computers – sind nur wirksam, wenn sie aus Mitteln bezahlt werden, die ihnen vom gesetzlichen Vertreter oder mit dessen Zustimmung von einem Dritten überlassen worden sind. Dieser sog. „Taschengeldparagraph“ (§ 110 des Bürgerlichen Gesetzbuches) gilt bis zur vollen Geschäftsfähigkeit mit Erreichen des 18. Lebensjahres.

Es ist auffällig, dass auch die Befürworter einer Absenkung des Wahlalters nicht vorschlagen, dass an diesen Alterseinschränkungen etwas geändert wird. Sie plädieren nicht für eine Absenkung der Volljährigkeit. So gesehen ist die Wahlberechtigung für Minderjährige ein Widerspruch in sich, weil es das Wahlrecht von der Lebens- und Rechtswirklichkeit abkoppelt.

Wenn das Wahlrecht von der Volljährigkeit entkoppelt wird, sind andere Altersgrenzen willkürlich, weil sie an kein objektives Kriterium geknüpft sind. Nach der Volljährigkeit ist im deutschen Rechtssystem allenfalls die Strafmündigkeit ab dem 14. Lebensjahr (§ 19 Strafgesetzbuch) ein wesentlicher Einschnitt. Mit dem Erreichen des 16. Lebensjahres werden hingegen nur einige Einschränkungen des Jugendschutzes gelockert (z. B. Ausgang ohne Erwachsenenbegleitung bis 24 Uhr).

Auch in der Vielzahl der Vorschläge einer unterschiedlichen weitgehenden Absenkung des Wahlalters spiegelt sich die Willkürlichkeit von Altersgrenzen, die sich nicht an der Volljährigkeit orientieren. Sieben von 16 Bundesländer haben das Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt – allerdings mit der Ausnahme von Bremen und Bradenburg nur bei Kommunalwahlen. Zugleich treten die Landesjugendringe u.a. in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen für eine Wahlberechtigung ab 14 Jahren ein .

Die Aufhebung jeder Altersgrenze bei der Wahlberechtigung wird z. B. von der Piratenpartei gefordert. Deren Berliner Spitzenkandidat, Andreas Baum, sagte im Herbst 2011: „Wir möchten die Hürden für die Teilnahme an Wahlen absenken und vor allem Jugendliche und Kinder früh dafür motivieren, sich mit dem politischen Geschehen auseinanderzusetzen. Nach umfangreichen Diskussionen sind wir überein gekommen, dass wir hier keine neue starre Altersgrenze einführen möchten. Wir gehen davon aus, dass ein Kind ab dem Zeitpunkt, in dem es frei den Willen zur Teilnahme äußern kann und selbst die Motivation hat, sich in das Wählerverzeichnis einzutragen, auch ein hinreichendes Interesse hat, sich mit politischen Sachverhalten auseinanderzusetzen.“ Baum wurde Ende September 2011 zum Fraktionsvorsitzenden der Piratenpartei im Berliner Abgeordnetenhaus gewählt.

Zum Politikinteresse von minderjährigen Jugendlichen

Oft wird als Begründung für eine Senkung des Wahlalters das vermeintlich hohe Politikinteresse von minderjährigen Jugendlichen angeführt. Dafür gibt es keine empirischen Belege. Im Gegenteil stimmen die vorliegenden Studien darin überein, dass das Politikinteresse von 16/17-Jährigen deutlich geringer ausgeprägt ist als das von älteren Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Schon 1991 kam die Konrad-Adenauer-Stiftung im Rahmen einer Jugendstudie mit 5022 Befragten im Alter von 15-25 Jahren zu dem Ergebnis, dass 16/17-Jährige ein messbar geringeres Interesse an Politik zeigen als 18-24-Jährige.

Zuletzt befasste sich 2008 eine qualitative Studie der Universität Hohenheim mit der Frage „Lässt sich eine Herabsetzung des Wahlalters in Deutschland durch Ergebnisse zum Politikverständnis bei heutigen und potenziellen Erstwählern begründen?“ Dazu wurden ausführliche Interviews mit 171 Schülern und jungen Studenten geführt. In der Zusammenfassung der Ergebnisse heisst es:

  • „Die Teilnehmer ohne Wahlrecht (unter 18 Jahren) hatten ein signifikant geringeres politisches Wissen als die Teilnehmer mit Wahlrecht. Dies gilt sowohl für die Personen mit höherer Bildung (Gymnasiasten oder Personen mit FH-Reife bzw. Abitur) als auch für die Personen mit geringerer Bildung (Hauptschüler, Hauptschul-Absolventen oder Personen mit mittlerer Reife). Unabhängig von der Bildung konnten die Teilnehmer ohne Wahlrecht lediglich etwa ein Drittel der Punkte in den Tests zum politischen Wissen erzielen, während die Wahlberechtigten im Schnitt etwas über die Hälfte der Punkte erzielten.“
  • „Überraschend ist, dass die Teilnehmer ohne Wahlrecht ihr Verständnis politischer Kommunikation im Schnitt jedoch nicht signifikant schlechter bewerten als die Personen mit Wahlrecht. Die subjektive Einschätzung des Verständnisses entspricht hier also nicht dem objektiv nachweisbaren Verständnis der politischen Kommunikation.“
  • „Entgegen ihrer Selbsteinschätzung schnitt die Gruppe der 16-17-jährigen Jugendlichen bei diesem Verständnisteil (Test, ob sie einen vorlegten politischen Text verstanden) wesentlich schlechter ab, als die Gruppe der 18- bis 21-Jährigen Erstwähler. So erreichten die Neuntklässler der Hauptschule gerade einmal die Hälfte der Punkte im Verständnistest, die Berufsschüler hingegen immerhin fast zwei Drittel. Dieser altersbedingte Unterschied zeigte sich ähnlich deutlich beim Vergleich von Gymnasiasten und Studienanfängern.“

Wahlberechtigung als ungeeignete politische Bildungsmaßnahme

Das häufigste Argument für eine Senkung des Wahlalters ist die Behauptung, man könne dadurch das Interesse von Jugendlichen an Politik wecken. Grundsätzlich ist dagegen einzuwenden, dass das Wahlrecht zu grundlegend für die freiheitliche Demokratie ist, um es zum pädagogischen Hilfsmittel zu degradieren. Es ist auch wenig einleuchtend, durch unterschiedliches Wahlalter unterschiedlichen Wahlen eine unterschiedliche Wertigkeit zuzusprechen – so als seien Kommunalwahlen weniger bedeutend und deshalb am ehesten als Experimentiertfeld geeignet.

Vor allem aber zeigen empirische Untersuchungen, dass die Einführung des Wahlrechts ab 16 nicht zu einem höheren politischen Interesse dieser Altersgruppe geführt hat. Dies zeigt sich auch an der deutlich unterdurchschnittlichen Wahlbeteiligung der 16/17-jährigen, wo dies gemessen werden konnte. Vor allem ist eine Zunahme der Wahlbeteiligung von Jugendlichen auch dort nicht nachzuweisen, wo das herabgesetzte Wahlalter schon länger gilt.

Bei der Bremer Kommunalwahlen (Beirätewahlen) 2007, bei denen in der Hansestadt erstmals das kommunale Wahlrecht ab 16 Jahren galt, lag die „Wahlbeteiligung der Jugendlichen“ (ohne genauere Spezifierung) bei 44,3 Prozent (insgesamt bei 56,6 Prozent). Es lässt sich nicht feststellen, dass diese kommunale Wahlberechtigung ab 16 zu einem höheren politischen Interesse geführt hat, als 2011 in Bremen erstmals bei Landtagswahlen schon mit 16 Jahre gewählt werden durfte.

Um das Wahlgeheimnis zu wahren, wurde bei der Landtagswahl 2011 in Bremen keine Wahlstatistik für 16/17-jährige erstellt. Für die Wahlbeteiligung wurde die Gruppe der 16-21-jährigen analysiert, für die Stimmverteilung auf die Parteien die Gruppen der 16-25-jährigen. Deshalb konnte das Statische Landesamt in Bremen lediglich feststellen, dass die erstmals an einer (Bürgerschaftswahl teilnehmenden 16- bis unter 21-jährigen mit 48,6 Prozent ihre Stimme an der Urne (ohne Briefwahl) abgaben. Damit lag die Beteiligungsquote der Erstwähler nur geringfügig über der Wahlbeteiligung der Erstwähler bei der vorangegangenen Bürgerschaftswahl 2007 (47,9 Prozent), bei der noch das Wahlrecht ab 18 gegolten hat. Welchen Anteil daran die 16/17-Jährigen hatten ist nicht feststellbar. Insgesamt lag die Wahlbeteiligung der Erstwähler deutlich unter der allgemeinen Wahlbeteiligung, die in Bremen geringfügig auf 56,7 Prozent zurückgegangen (2007: 57,5 Prozent).

In Sachsen-Anhalt wurden bei den Kommunalwahlen 1999 und 2009 am Wahltag ausdrücklich die 16/17-jährigen hinsichtlich der Wahlbeteiligung abgefragt. 1999 lag die Wahlbeteiligung in dieser Gruppe bei 40 Prozent (allgemeine Wahlbeteiligung 49,5 Prozent), im Jahr 2009 bei 29,3 Prozent (allgemeine Wahlbeteiligung 38 Prozent). Die zehnjährige Erfahrung mit dem Wahlrecht ab 16 in diesem Bundesland zeigen keinen Anstieg politischen Interesse in der fraglichen Altersgruppe. Die Landesregierung Sachsen-Anhalt stellte deswegen in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage im September 2011 fest: „Die praktischen Erfahrungen der Kommunalwahlen zeigen jedenfalls, dass die Beteiligung in der Altersgruppe der 16- bis unter 18-jährigen in den aufgezeigten Jahren unterhalb der durchschnittlichen Wahlbeteiligung lag.“

Als in Schleswig-Holstein bei Kommunalwahlen 1998 erstmals Wähler im Alter ab 16 Jahren zugelassen waren, wurde in Neumünster eine Befragung der Erstwählerinnen und Erstwähler durchgeführt. Die allgemeine Wahlbeteiligung lag in Neumünster damals bei 52,76 Prozent. Auch hier lag die Wahlbeteiligung der 16/17-Jährigen mit knapp 40 Prozent deutlich darunter, aber höher als bei den 18-21-jährigen Erstwählern (31 Prozent) war.

Bedeutsam ist vor allem die Tatsache, dass die Wahlstatistiken bei fast allen Wahlen zeigen, dass die Gruppe der 18-25-jährigen regelmäßig die niedrigste Wahlbeteiligung aller Altersgruppen aufweist – und zwar unabhängig davon, ob sie bei den vorhergehenden Wahlen bereits mit 16 Jahren wählen durften oder nicht. Es gibt deshalb keinerlei Indikatoren dafür, dass das Wahlrecht ab 16 eine unmittelbare oder (was noch wichtiger wäre) nachhaltige Auswirkung auf politisches Interesse oder die Bereitschaft zur Teilnahme an Wahlen hätte.

Betroffene Jugendliche lehnen Senkung des Wahlalters mehrheitlich ab

Die meisten minderjährigen Jugendlichen stehen einer Herabsetzung des Wahlalters skeptisch gegenüber. Sie sagen von sich selbst, dass sie mit der Verantwortung für politische Entscheidungen in der Regel überfordert seien und die ernsthafte Auseinandersetzung mit Politik in der Regel nicht das ist, was in ihrem Lebensalltag wichtig sei.

So wurden in der 15. Shell-Jugendstudie 2006 insgesamt 2532 Jugendliche im Alter von 12-25 Jahren gefragt: „Wie finden Sie die Idee, die Altersgrenze für die Teilnahme an Bundestagswahlen von 18 Jahren abzusenken, so dass man schon ab 16 Jahren wählen könnte?“ 52 Prozent der Befragten lehnten dies ab, 25 Prozent stimmten zu und 23 Prozent meinten, es sei ihnen ega l.

Anfang 2009 führte die „Grüne Jugend Ostalb“ eine Umfrage zum Wahlrecht ab 16 bei mehr als 550 Aalener Schülern durch. Auf die Frage „Hälst du das Wahlrecht ab 16 für sinnvoll?“ antworteten 58 Prozent mit „nein“ und nur 24 Prozent mit „ja“. 18 Prozent konnten sich nicht entscheiden. Das Fazit der Grünen Jugend lautete: „Ein Großteil der Jugendlichen hält das Wahlrecht ab 16 nicht für sinnvoll. Hier zeigt sich, dass die Jugendlichen sich noch sehr unsicher fühlen“.

Im Sommer 2010 ergab eine Forsa-Umfrage in Berlin, dass 63 Prozent der befragten Jugendlichen im Alter von 14- 29 Jahren das Wahlrecht ab 16 Jahren für sich ablehnen. Die Ablehnung in der Gesamtbevölkerung lag bei 77 Prozent.

Auch in Österreich zeigte 2007 kurz vor Einführung der Wahlberechtigung ab 16 eine im Auftrag von Bildungs- und Wissenschaftsministerium erstellte Umfrage unter 700 Jugendlichen ein sehr gespaltenes Bild. Von den 14-17-Jährigen waren nur 47 Prozent für die Senkung des Wahlalters, 46 Prozent dagegen. Bei den 18-24-jährigen überwog mit 63 Prozent die Ablehnung.

Weitere Aspekte

Parteien sollten der Versuchung widerstehen, die Herabsetzung des Wahlalters unter dem Gesichtspunkt eines eigenen Vorteils durch Stimmengewinn zu bewerten. Bei einer solchen oberflächlichen Betrachtung sind Enttäuschungen durch das tatsächliche Abstimmungsverhalten der Jugendlichen nicht ausgeschlossen. So wählten in Österreich 44 Prozent der Erstwähler die rechtspopulistische FPÖ und nicht die Sozialdemokraten, die das neue Wahlrecht ab 16 erstritten hatten. Die Frage des Wahlrechtes ist eine grundsätzliche und keine parteitaktische Frage.

Auch das häufig benutzte Argument, man müsse Jugendlichen durch die Absenkung des Wahlalters die Vertretung ihrer eigenen Interessen ermöglichen, ist nicht schlüssig. Die eigenständige Vertretung ihrer Interessen wäre nur dann möglich, wenn minderjährige Jugendliche nicht nur wählen dürfen, sondern auch wählbar wären. Von niemanden wird aber die Forderung nach Senkung des aktiven Wahlalters mit dem Vorschlag der Senkung des passiven Wahlalters verbunden. Die einseitige Absenkung des aktiven Wahlalters würde aber bedeuten, dass minderjährige Jugendliche nicht Gleichaltrige, sondern nur Ältere wählen dürfen.

Eine Senkung des Alters der passive Wahlberechtigung wäre übrigens ohne Veränderung der Volljährigkeit nicht möglich: Bis zum Erreichen der Volljährigkeit schränken die Vorschriften des Jugendschutzes und die Rechte der Erziehungsberechtigten die grundgesetzlich garantierte Freiheit des Mandats unzulässig ein.

Fazit

Insgesamt gibt es weder plausible Gründe für die Abkoppelung der Wahlberechtigung von der Volljährigkeit noch Hinweise darauf, dass die Herabsetzung des Wahlalters als politische Bildungsmaßnahme zu höherem Politikinteresse bei minderjährigen Jugendlichen führen würde. Nicht zuletzt lehnen auch die betroffenen Jugendlichen einen solchen Schritt mehrheitlich ab.

Diskutieren Sie diesen Beitrag im begleitenden Blog des Autors Stephan Eisel.

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