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Pojedinačni naslov

Was eint die Einwanderungsgesellschaft?

von Dr. Sabine Pokorny, Dr. Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff

Eine repräsentative Umfrage zu Einstellungen, Glaube und Wertorientierungen von Bürgerinnen und Bürgern mit und ohne Migrationshintergrund

Die Studie untersucht die Einstellungen von Deutschen ohne Migrationshintergrund, Spätaussiedlern und Migranten aus Polen, Russland und der Türkei zu Werten, Demokratie und Religion.

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Die öffentliche Diskussion in der ersten Hälfte des Jahres 2020 konzentrierte sich stark auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie; andere Probleme waren aus dem Fokus der Öffentlichkeit weitgehend verdrängt. Fast konnte man vergessen, dass zwischen 2015 bis Ende 2019 die Flüchtlingsproblematik die öffentliche Diskussion beherrschte, mit den bekannten teilweise heftigen Auswirkungen auf die Parteienlandschaft in Deutschland.
 
Die Ergebnisse der repräsentativen Umfrage sind:
 
Deutsche ohne Migrationshintergrund sind im Schnitt weniger religiös als Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler und Personen mit russischem, polnischem und türkischem Migrationshintergrund. Zudem beten sie seltener. Am stärksten ausgeprägt ist die Religiosität bei türkischstämmigen Migrantinnen und Migranten, von denen sich 82 Prozent als etwas oder sehr religiös bezeichnen, und gut jede(r) Zweite angibt, täglich zu beten.
 
Personen mit Migrationshintergrund weisen tendenziell traditionellere gesellschaftliche Einstellungen auf. Alle untersuchten Zuwanderergruppen sind zurückhaltender in Bezug auf Sterbehilfe und stimmen häufiger zu, dass Kinder unter drei Jahren zu Hause betreut werden sollten.
 
Bei manchen Einstellungen zu Staat und Gesellschaft zeigt sich bei einigen Gruppen ein Zusammenhang mit der Religiosität hin zu eher traditionelleren Ein-stellungen (z. B. häusliche Betreuung der Kinder, geringere Zustimmung zu Sterbehilfe, Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen). Die unterschiedlich starke religiöse Bindung kann jedoch die Einstellungsunterschiede zwischen den Gruppen häufig nicht erklären. Auch zwischen sehr religiösen Deutschen und sehr religiösen Migrantinnen und Migranten, vor allem aus der Türkei, bestehen bei manchen Einstellungen deutliche Unterschiede. Ähnlich gilt das für nicht religiöse Personen. Religiosität hat also einen Einfluss auf die Einstellungen, ist aber nicht maßgeblich für die Gruppenunterschiede.
 
Bei den Fragen nach Demokratie und Sozialstaat sind manchen Migrantengruppen grundlegende Grundwerte weniger wichtig als Deutschen ohne Migrationshinter-grund: Polnischstämmigen und Russischstämmigen sind Meinungs- und Presse-freiheit weniger wichtig als Deutschen, bei Russischstämmigen gilt das zusätzlich für Glaubens- und Demonstrationsfreiheit. Auch Spätaussiedlerinnen und Spätaus-siedlern sowie Türkischstämmigen ist das Recht zu demonstrieren weniger wichtig als Deutschen ohne Migrationshintergrund.
 
Türkischstämmige geben mit 90 Prozent von allen untersuchten Gruppen am häufigsten an, Meinungsfreiheit sei ihnen sehr wichtig. Das sollte jedoch mit Vorsicht interpretiert werden, da nicht erhoben wurde, was genau die Befragten unter Meinungsfreiheit verstehen. Gleichzeitig wünschen sich 80 Prozent der Türkisch-stämmigen einen besseren Schutz ihres Glaubens vor Beleidigungen. Meinungs-freiheit stößt bei dieser Gruppe offenbar an Grenzen, wenn der eigene Glaube betroffen ist.
 
Allen untersuchten Gruppen ist die Sicherheit im Umfeld besonders wichtig. Am stärksten gilt das für Russischstämmige und Türkischstämmige. In allen Gruppen gehören zudem Verlässlichkeit, Umwelt- und Naturschutz sowie Höflichkeit zu den besonders wichtigen Werten. Die „klassischen Tugenden“ Höflichkeit, Pünktlichkeit, Bescheidenheit und Regeltreue sind Spätaussiedlerinnen und Spätaus-siedlern, polnisch-, russisch- und türkischstämmigen Migrantinnen und Migranten wichtiger als Deutschen ohne Migrationshintergrund.
 
Religiosität verstärkt tendenziell und vor allem bei Deutschen ohne Migrations-hintergrund eher konservative und soziale Werte, während hedonistische und materialistische Werte entweder nicht beeinflusst oder in manchen Gruppen verringert werden.
 
Eine grundsätzliche Toleranz gegenüber den verschiedenen Konfessionen ist vorhanden und Kontakt zu Andersgläubigen oder der Besuch eines Festes in einer Kirche oder Moschee werden nicht abgelehnt. Wenn es um die eigene Familie geht, fällt die Toleranz jedoch geringer aus: Vor allem Polnischstämmige und Türkisch-stämmige lehnen es ab, dass die Tochter einen Juden heiratet. Zusätzlich lehnen Polnischstämmige einen muslimischen und Türkischstämmige einen christlichen Schwiegersohn mehrheitlich ab. Ähnlich verhält es sich, wenn ein Familienmitglied konvertieren würde. Polnischstämmige sowie Spätaussiedlerinnen und Spätaus-siedler sind vor allem skeptisch gegenüber dem Islam, aber auch dem Judentum. Russischstämmige lehnen eher den Wechsel eines Familienmitglieds zum Islam und zum Christentum ab, während Türkischstämmige einen Übertritt zum Judentum und zum Christentum mehrheitlich negativ bewerten.
 
Eine deutliche Trennlinie zwischen Deutschen mit und ohne Migrationshintergrund bildet die Einstellung zu gleichgeschlechtlichen Ehen, die nur eine geringe Minderheit der Deutschen ohne Migrationshintergrund ablehnen. Unter Russischstämmigen sowie Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern werden gleichgeschlechtliche Ehen schon von nahezu jedem und jeder Zweiten abgelehnt. Unter Türkischstämmigen findet sich sogar eine Mehrheit von 60 Prozent, die gleichgeschlechtliche Ehen ablehnt.
 
Lesen Sie die gesamte Studie hier als PDF.

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Kontakt

Dr. Sabine Pokorny

Dr

Wahl- und Sozialforschung

sabine.pokorny@kas.de +49 30 26996-3544

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