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Ghanas Parlament verabschiedet Anti-LGBTQ+ Gesetz

von Dr. Arne Wulff

Nach mehr als 2½ Jahren Beratung hat Ghanas Parlament für ein neues Anti-LGBTQ+ Gesetz gestimmt und damit die Lage für Homosexuelle und sexuelle Minderheiten dramatisch verschärft.

Am 31. Januar 2021 eröffneten Anhänger der LGBTQ+ Gemeinschaft in Ghanas Hauptstadt Accra ein Büro. Das Büro sollte sowohl Treffpunkt als auch Rückzugsort sein. Die mit medialem Aufwand und auch von einigen ausländischen Botschaftern begleitete Eröffnung erregte in der Gesellschaft Ghanas schnell große Aufmerksamkeit. Die darauffolgende heftige Kritik führte nicht nur zur schnellen Schließung des Zentrums, sondern auch zur Einbringung eines radikalen Anti-LGBTQ+ Gesetzentwurfs in das Parlament. Unterzeichnet war er von acht Abgeordneten: sieben von der oppositionellen NDC (National Democratic Congress) und einem von der regierenden NPP (National Patriotic Party). Als Initiator und wichtigster Betreiber des Gesetzentwurfs gilt Hon. Samuel Nartey George (NDC), der vor seiner Wahl zum Abgeordneten zum engeren Beraterkreis des früheren Präsidenten John Mahama gehörte. Er klassifiziert Homosexualität als „Perversion“, die hart bestraft werden müsse.

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Nach intensiven Beratungen und der Anhörung von Interessenvertretern und Menschenrechtsorganisationen über das „Pro und Contra“ der Regelung wurde der Gesetzentwurf „Promotion of Proper Human Sexual Rights and Ghanian Family Values Bill, 2021“ (dt. „Gesetzentwurf zur Förderung angemessener sexueller Rechte des Menschen und der ghanaischen Familienwerte 2021“) am 28.02.2024 vom Parlament verabschiedet.  In Kraft getreten ist er bisher allerdings nicht, da Ghanas Präsident Nana Akufo-Addo ihn noch nicht unterzeichnet hat.

 

Inhalt des Gesetzentwurfes

Der Gesetzentwurf umfasst 36 Seiten. Er beginnt mit einem Memorandum, in dem die Eröffnung des LGBTQ+ Gemeinschaftszentrum als ausschlagebener Grund für die Gesetzesinitiative genannt wird. Der Schilderung des Hintergrundes folgen Stellungnahmen gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen renommierter Organisationen und Persönlichkeiten, wie z.B. den traditionellen Autoritäten und ehemaliger ghanaischer Präsidenten. Homosexualität verstoße gegen sozialkulturelle Werte und Traditionen der ghanaischen Gesellschaft. Rechtlich wird darauf verwiesen, dass nach der Verfassung gewährte individuelle Freiheitsrechte dann eingeschränkt werden können, wenn sie die nationale und gemeinschaftliche Gesundheit, Ordnung und Sicherheit gefährden. Diesbezüglich beruft sich der Gesetzentwurf auch auf die Artikel 18 Abs. 1, 2 und 16 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, wonach ein Staat für die Sicherheit von Familien und Kindern verantwortlich ist.

 

Inhalt des vom Parlament verabschiedeten Gesetzes

Das neue, nach den Beratungen durch das Parlament verabschiedete Anti-LGBTQ+ Gesetz betrifft nicht nur Menschen, die sich als lesbisch, schwul, bisexuell oder transgender identifizieren, sondern erweitert den Sammelbegriff auch auf transsexuelle, queere, verbündete, pansexuelle und solche Personen, die sich außerhalb der binären Geschlechter und der sexuellen Beziehung von männlich und weiblich identifizieren (LGBTTQQIAAP+).

Folgende Strafen droht das Gesetz an:

  • Personen, die sexuellen Verkehr im Sinne des Gesetzes ausüben, droht eine Haft bis zu drei Jahre;
  • Personen, die andere Personen mit der Absicht festhalten, sie in sexuelle Aktivitäten zu verwickeln, droht ebenfalls eine Haft bis zu drei Jahre;
  • Personen, die ein Zimmer, Haus oder einen Platz zur Verfügung stellen, damit dort entsprechende sexuelle Aktivitäten ausgeübt werden können, können mit Haft bis zu sechs Jahre bestraft werden;
  • Personen, die Eigentümer oder Manager einer Einrichtung oder eines Gebäudes sind, in dem entsprechende sexuelle Aktivitäten ausgeübt werden, können ebenfalls zu einer Haftstrafe bis zu sechs Jahre verurteilt werden;
  • Personen, die in der Öffentlichkeit Liebesbekundungen zeigen, droht eine Haft bis zu einem Jahr;
  • LGBTTQQIAAP+ Ehen sind verboten und ausländische Heiratsurkunden werden nicht akzeptiert. Personen, die solch eine Heiratsurkunde in Ghana erstellen, aushändigen oder irgendeiner Form dabei Unterstützung leisten, wird eine Haftstrafe bis zu drei Jahre angedroht;
  • Personen, die durch traditionelle und neue Medien LGBTTQQIAAP+ propagieren, befürworten, unterstützen oder fördern, droht eine Haft bis zu zehn Jahre;
  • Personen, die durch traditionelle und neue Medien LGBTTQQIAAP+ an Kindern propagieren oder Kinder dazu ermutigen, solche Identitäten zu erkunden, oder Personen, die LGBTTQQIAAP+ nahe Medien oder Materialien direkt auf Kinder gezielt entwickeln bzw.  veröffentlichen, droht ebenfalls eine Haft bis zu zehn Jahre;
  • Verboten ist es ebenfalls, LGBTTQQIAAP+ nahe Aktivitäten finanziell, sachlich oder anderweitig zu fördern. Personen, die Organisationen, Gruppen, Bewegungen, Vereine, Clubs und andere Gremien und Einrichtungen fördern, die LGBTTQQIAAP+ nahe Aktivitäten unterstützen, droht eine Haft bis zu max. zehn Jahre.  
  • Personen, die sich als LGBTTQQIAAP+ identifizieren, ist es nicht erlaubt Kinder zu adoptieren. Jegliche Bewerbungen werden verweigert.
  • Darüber hinaus werden alle Bürger dazu verpflichtet, jegliche Aktivitäten anzuzeigen, die nach diesem Gesetz verboten sind.

 

Abstimmung, Reaktionen und Kritik

Der Gesetzentwurf erhielt im Parlament keine Gegenstimmen. Kein Abgeordneter will sich angesichts einer im Land überwältigenden Stimmung gegen gleichgeschlechtliche Lebensformen vorwerfen lassen, diese zu tolerieren oder sogar zu unterstützen. Ein derartiges Bekenntnis würde gerade im Wahljahr 2024 mit großer Wahrscheinlichkeit zum Verlust des Mandats führen. Dies gilt umso mehr, als dass die

Oppositionspartei NDC die Gesetzesinitiative im Hinblick auf die homophobe Stimmung in der Bevölkerungsmehrheit ganz gezielt im Wahlkampf einsetzen möchte. Im Widerspruch dazu steht, dass sich der NDC durch die Mitgliedschaft bei der sogenannten „Progressive Alliance“, einem internationalen Zusammenschluss sozialistischer und sozialdemokratischer Parteien, einer Politik gegen jede Form der Diskriminierung verpflichtet hat[1].

Schon nach der Einbringung des Gesetzentwurfes ins Parlament erhielt dieser starke Unterstützung durch die in Ghana zahlreich vorhandenen Religionsgemeinschaften. Befürwortend äußerte sich nicht nur die muslimische Minderheit im Land, sondern ebenso z.B. die Anglikanische Kirche und die Katholische Kirche. Der Präsident der ghanaischen Bischofskonferenz, Most Rev. Matthew Kwasi Gyamfi, forderte die Parlamentarier dazu auf, folgendes zu berücksichtigen: Der Schutz von Homosexualität sei nicht im Interesse der Nation, da sie Einfluss auf die Größe der Bevölkerung haben werde[2]. Diese Stellungnahme verwundert nicht nur deswegen, weil sie konträr zur Auffassung des Papstes ist, wonach homosexuelle Beziehungen sogar von katholischen Priestern gesegnet werden können. Sie impliziert, dass es bei einem Verbot von Homosexualität mehr Familien mit Kindern geben würde. Die Auffassung, dass sich Homosexualität durch Verbote beseitigen ließe und homosexuelle Menschen dadurch geheilt würden, findet in der ghanaischen Gesellschaft im Jahr 2024 jedoch weiterhin viel Anklang. So hat eine aktuelle Befragung von 1295 Ghanaern durch das „Africa Center for Democracy and Socioeconomic Development” (CDS Africa) eine Zustimmung von über 78 % zu dem Gesetz ergeben.[3]

Als vehementeste und radikalste Befürworter der Gesetzesinitiative erweisen sich die Pfingstkirchen und Evangelikalen. Beide unterliegen starken Einflüssen aus den USA und haben von Beginn an die Verbote lautstark unterstützt. Ähnlich hatten sie sich bereits in Uganda positioniert, als vor wenigen Jahren das dortige Anti-LGBTQ+ Gesetz diskutiert und 2023 beschlossen wurde.

Gleichwohl gibt es auch andere Stimmen im Land. Sie sind zwar wichtig, konnten aber mit Blick auf die im Dezember anstehenden Wahlen die politischen Entscheidungen nicht beeinflussen. So haben verschiedenste NGO´s, wie z.B. „Human Rights Watch“ oder CDD (Center for Democratic Development) gegen den Gesetzentwurf Stellung bezogen. Laut Human Rights Watch haben körperliche homophobe Anfeindungen in Ghana bereits zugenommen. Ablehnend positionierten sich auch viele westliche Botschafter, wobei die europäischen Botschafter ihre Bedenken im Vergleich eher verhalten geäußert haben. Dagegen stellte die amerikanische Botschafterin in Ghana ernsthafte Konsequenzen für das an sich sehr gute Verhältnis zwischen den USA und Ghana in Aussicht. Auch die UN kritisierte das Anti-LGBTQ+ Gesetz auch deshalb, weil es Personen der LGBTQ+ Gemeinschaft weitaus mehr als nur in ihrer persönlichen Freiheit rechtlich einschränken wird. Unter anderem sind zusätzlich das Recht auf die Privatsphäre der Wohnung und der Schutz der Gesundheit gefährdet. Das ghanaische Parlament ließ alle diese Bedenken ungerührt – selbst die Befürchtung des Finanzministers, dass die Weltbank Zuweisungen an Ghana in den nächsten fünf Jahren in Höhe von ca. 3,8 Mrd. USD kürzen könnte, falls das Gesetz Wirklichkeit wird. Aus Sicht des Parlaments hat die internationale Gemeinschaft die Souveränität des Landes zu respektieren.

 

Noch ist das Gesetz nicht in Kraft

Bereits bevor das neue Gesetz dem Präsidenten zur Schlusszeichnung vorgelegt wurde, reichte der Anwalt und Journalist Richard Dela Sky am 5. März eine Beschwerde vor dem höchsten Gericht Ghanas, dem Supreme Court, ein. Er argumentiert, dass es gegen die in der ghanaischen Verfassung garantierten Freiheitsrechte verstieße. Unter Verweis auf das laufende Verfahren lehnt es Präsident Akufo-Addo in der Folge ab, sich mit dem Gesetz zu befassen und es zu unterschreiben. Es wird vermutet, dass der Präsident ebenfalls verfassungsrechtliche Bedenken hat. Unter den Abgeordneten hat dies zu einer erheblichen Aufregung geführt, insbesondere beim oppositionellen „Speaker“ (Präsident des Parlaments). Gleichwohl ist es das Recht des Präsidenten, eine Entscheidung des Supreme Court abzuwarten. Wann diese fallen wird, ist noch nicht abzusehen. 

Der Präsidentschaftskandidat der oppositionellen NDC, Ghanas ehemaliger Präsident John Mahama, hat bereits seine Zustimmung zum Gesetz geäußert. Auch der Kandidat der NPP, Vizepräsident Mahammuda Bawumia, hat sich an Eid al-Fitr, dem Tag des Fastenbrechens am 11. April 2024, für das Gesetz ausgesprochen. Unter Berufung auf seinen muslimischen Glauben und die Weisungen des Korans hielte er das Gesetz für notwendig. Lange davor hatte er geschwiegen. Es drängt sich daher der Eindruck auf, dass Bawumias Entscheidung eher eine politisch motivierte Entscheidung, denn eine des Gewissens oder der Überzeugung ist.  Dadurch hat er den Umgang mit dem Gesetz und dessen weitreichenden Konsequenzen für den amtierenden Präsidenten nicht leichter gemacht. Aber in Ghana ist Wahljahr – nicht nur dort immer wieder eine Zeit des politischen Opportunismus.

Das neue Anti-LGBTQ+ Gesetz ist ein Rückschritt in Ghanas demokratischer Entwicklung. Es bleibt abzuwarten, ob es vor dem Supreme Court als Verfassungsgericht Bestand haben wird.

 

[1] Vgl. hierzu ein früherer Länderbericht des KAS Büros Ghana aus dem Jahr 2022: https://www.kas.de/en/web/ghana/laenderberichte/detail/-/content/ghana-die-vorzeigedemokratie-plant-ein-hartes-anti-lgbtq-gesetz

[2] Conference Statement „Building a Social Democratic Future of Diversity and Unity“, Jakarta 2022

[3] Ghana Times vom 12. Dezember 2023, Seite 12

[4] Ghanaians support anti-gay bill passage – Report (modernghana.com)

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Kontakt

Anna Wasserfall

Anna Wasserfall bild

Leiterin Auslandsbüro Ghana

anna.wasserfall@kas.de +233 302 7686 29

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