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„Die Kirche sollte mehr zu den Menschen kommen!“

Schülergespräch mit Ministerpräsident Wulff beim Katholikentag

Ob zu Kirche, Bildungsfragen oder EU-Beitritt der Türkei – bei seinem Gespräch mit Schülern im Rahmen des KAS-Begleitprogramms zum Katholikentag ging Ministerpräsident Christian Wulff keiner Frage aus dem Weg. Zum Frühstück mit dem Ministerpräsidenten hatte die KAS engagierte Schüler der Osnabrücker Gymnasien sowie des Gymnasium Josephinum aus Hildesheim in die Cafeteria des Gymnasium Carolinum in Osnabrück eingeladen.

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Gleich zu Beginn des Gesprächs fragte ein Schüler, den die vollen Gassen Osnabrücks beim vorangegangenen Eröffnungsabend des Katholikentages offenbar nicht beeindruckt hatten: „Nur noch 15 Prozent der Deutschen werden getauft, die Kirchen sind leer: Was muss die Kirche tun, um die Gesellschaft besser zu integrieren?“ Wulffs Antwort: Angesichts sich wandelnder Familienbilder und des sozialen Wandels habe es die Kirche schwerer, Gläubige an sich zu binden. Als Beispiele, wie der Trend umzukehren sei, führte er Modellprojekte aus Hannover und anderen niedersächsischen Kirchengemeinden an, die mit breiten „Taufangeboten“ oder „Urlaub in der Kirche“ erfolgreich auf die Bedürfnisse der Menschen eingingen. Wulff: Der MP warb: „Die Kirche sollte mehr zu den Menschen kommen!“ Der Katholikentag mit seinem sehr vielfältigen Programm zeige, dass dies erkannt worden sei. Der Kritik einer Schülerin an den Kosten des aufwändigen Kirchentages trat Wulff entgegen: „Das ist eine wichtige Investition. Denn dieses christliche Engagement fördert die Entwicklung Niedersachsens!“

Studiengebühren versus Schulden

Nachdem sich der prominente Gast und die 29 jugendlichen Diskutanten „warmgelaufen“ hatten, blieb dem Ministerpräsidenten kaum Zeit, sich mit dem Frühstück für das folgende Katholikentagsprogramm zu stärken. Frage folgte auf Frage.

„Ich kann verstehen, dass Sie das kritisieren“, entgegnete Wulff auf den Einwurf, inwieweit Studiengebühren und die daraus entstehende Belastung einkommensschwächerer Familien mit einer christlich inspirierten Politik vereinbar seien. „Wir müssen vor allem raus aus der Verschuldung“, so Wulff, denn diese sei ein Verstoß gegen die Generationengerechtigkeit. Zugleich müssten die Universitäten ausgebaut werden. Mit dem Geld, das Niedersachsen innerhalb von 14 Tagen an Schuldzinsen zahle, könne man die Studiengebühren eines Jahres finanzieren. Doch knappe Kassen seien nicht das einzige Argument. „Bei den Gebühren handelt es sich um die Investition von rund 4000 Euro in die eigene Zukunft. Die wirklichen Kosten des Studiums sind ja viel höher.“ Dank Bafög – von dem bei voller Förderung maximal 15.000 Euro zurückzuzahlen seien -, den Vergünstigungen für kinderreiche Familien und Stipendien sei es möglich, diese Kosten abzufedern. Wulff gab zugleich einen Ausblick: „Wir diskutieren in Kabinett, ob wir mehr Stipendien vergeben oder ob wir einen Nachlass auf die Gebühren für ehrenamtlich Engagierte gewähren.“

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Ministerpräsident Wulff und Teilnehmer des Schülergesprächs in Osnabrück: „Raketenabwehr ist sinnvoll.“

In diesem Zusammenhang warb Wulff für die Idee einer Ehrenamtskarte, mit der besonders engagierte Bürger Vergünstigungen und Preisnachlässe erhielten. Das Beispiel Hessen, wo bereits 12.000 dieser Karten vergeben worden seien, zeige, dass die Nachlässe durch den Werbeeffekt letztlich nicht zu Mindereinnahmen bei den Partnern führten. „Ich wünsche mir, dass in fünf Jahren fast alle Geschäfte einen Aufkleber haben: ‚Barrierefrei’ und ‚Ehrenamtskarte erwünscht’!“

Das Thema Schule brannte vielen Schülern naturgemäß ebenfalls unter den Nägeln: Unterrichtsgestaltung, dreigliedriges Schulsystem versus Gesamtschule, Hauptschule als Sackgasse? Wulff setzte sich für neue Wege bei der Unterrichtsgestaltung ein, betonte sein Eintreten für ein durchlässiges, dreigliedriges System im Wettbewerb mit anderen Schulformen: „Wir brauchen den Stachel im Fleisch!“. Und zur Hauptschule: Die Zufriedenheit der Wirtschaft mit den Hauptschulabgängern sei in den vergangenen Jahren massiv gestiegen. Die Akzeptanz der Schulen sei je nach Umfeld unterschiedlich.

Den Hinweis, der wachsende Leistungsdruck an den Schulen lasse kaum noch Spielraum für ehrenamtliches Engagement, nahm Wulff sehr ernst: „Wir müssen aufpassen, dass wir das nicht überziehen.“

EU: „Vertiefung hat Vorrang“

Weiteres Thema war der EU-Beitritt der Türkei, wobei Wulff zunächst Vorrang der Vertiefung der bereits bestehenden Union gab. Deren schwelende, innere Konflikte müssten zuvor befriedet werden. Zugleich wies er auf die kritische Lage der christlichen Kirchen in der Türkei hin. „Es ist deprimierend, dass es dort keine christliche Ausbildung gibt, wogegen hier die Errichtung von Koranschulen erlaubt ist.“ Ein muslimischer Mitgliedsstaat in Europa sei, so der Ministerpräsident, kein Problem sondern eine Herausforderung. Doch müsse man sich bewusst machen, dass sich nicht alle Muslime zur Demokratie und zur Trennung von Staat und Kirche bekannten.

Auch Nachdenkliches erfuhren die Schüler, überrascht von der Aufgeschlossenheit des Politikers: Wenn Bürger in Deutschland Forderungen an die Politik stellten, dann geschehe dies nicht selten mit Ansprüchen, die sich auf einem sehr hohen Niveau befänden. Würden sie nicht erfüllt, hagele es Kritik, mangele es an Dankbarkeit und der Fähigkeit, sich manchmal auch zurückzunehmen. „Denken Sie nur an den Wahlbetrug in Kenia oder die Diktaturen weltweit. Die Probleme in der Welt sind viel größer. Wir müssen uns klar sein, welch ein Schatz unser Land und unsere Demokratie ist.“

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Oldenburg Deutschland

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