Izvještaji o manifestacijama
Wer in das Gebiet des sogenannten Islamischen Staats einreisen will, hat 23 Fragen zu beantworten. In einem der Formularfelder muss ein Bürge angegeben werden und „bei einer sehr großen Zahl der englischen Einreisenden in den Jahren 2012 und 2013 taucht ein Name konsequent auf: Omar Bakri“, berichtet Professor Peter Neumann. Der Direktor des „International Centre for the Study of Radicalisation“ am Londoner King’s College und OSZE-Sondergesandte zur Bekämpfung von Radikalisierung hat mit seinem Team die IS-Einreisepapiere untersucht.
Die vier Schlüsselfiguren
Omar Bakri steht in einer Reihe mit drei weiteren Männern, die als Schlüsselfiguren des Islamismus in England, aber auch in Europa, bezeichnet werden können: Abu Hamza al-Masri, Abu Qatada, Abu Dohar. Sie waren allesamt islamistische Aktivisten im Nahen Osten und im arabischen Raum, die versuchten, in Ägypten, Libyen und Syrien die dortigen Diktaturen zu stürzen. In den 1990ern jedoch mussten sie ihre Länder verlassen und fanden Zuflucht in Großbritannien. Schnell wandelte sich das Feindbild: Aus ihrer Logik unterstützte der Westen die autoritären Regime im Nahen Osten – und sei damit ein legitimes Ziel, sagt Neumann. Die Hassprediger bildeten Netzwerke, übernahmen Moscheen und damit auch ideologischen Einfluss. „Sie sind charismatische, eloquente Vaterfiguren, die persönliche Beziehungen herstellen, sie sind Entrepreneure, ständig unterwegs, innovativ“ und „Kenner von Theologie“, resümiert Neumann. So konnte eine dschihadistische Szene entstehen, das sogenannte „Londonistan“.
Bildung von Parallelgesellschaften und Netzwerken in ganz Europa
Omar Bakri hatte einen Ziehsohn. Und dieser machte mit PR-Aktionen wie der Scharia-Polizei auf sich und seine Gruppierung aufmerksam. Seine Propaganda und seine Taktiken tauchten später überall in Europa auf. Er reiste durch die Länder und gründete zum Beispiel „Sharia4Belgium“, eine Basis für Terror-Touristen: Die Hälfte der Personen, die 2012/2013 von Belgien aus nach Syrien in den Kampf zogen, waren Aktivisten bei „Sharia4Belgium“, so Neumann. „Das haben wir damals noch nicht verstanden, weil die Verbindungen nicht so offensichtlich waren“, sagt Neumann rückblickend: „Genau diese Netzwerke, die von Anjem Choudary nach Europa exportiert wurden, waren dann die Struktur für die Leute, die als erste nach Syrien ausgereist sind.“
Diese Entwicklung zeigt, dass die charismatischen Anführer auch auf empfängliche Zielgruppen treffen müssen. In Brüssels Bezirk Molenbeek sei das beispielsweise eine ganz spezielle ethnische Gruppe: marokkanische Berber, berichtet der Polizeichef der Brüsseler Gemeinde Ixelles, Saad Amrani. Diese Berber hätten eine besondere historische Tradition der Revolution gegen Autoritäten – und das habe zu einer geschlossenen Gesellschaft in dem Problembezirk beigetragen. So konnte der Paris-Attentäter Salah Abdeslam erst 126 Tage nach den Anschlägen vom 13. November 2015 gefasst werden: Er hatte sich in Molenbeek versteckt – wo ihn niemand der Polizei meldete.
Empfänglich seien nicht nur Marokkaner, auch ganz bestimmte Menschen aus Algerien und Tunesien. Amrani berichtet von Männergruppen, die nach Europa kommen, um kriminellen Machenschaften nachzugehen. Diese würde kaum jemand kontrollieren und sie reisten quer durch Europa: „Sie sind unter dem Radar“ – und genau in diesen Gruppen rekrutiere der IS, sagt Amrani.
Für die Radikalisierung und die Entstehung von religiös geprägten Parallelgesellschaften macht Amrani auch Pakistan und Saudi-Arabien verantwortlich: Gelder in Milliardenhöhe seien in den letzten Jahrzehnten aus diesen Ländern nach Europa geflossen, um ihre fundamentalistischen Vorstellungen des Islam zu transportieren.
Solche Parallelgesellschaften seien ein Wegbereiter für den Terrorismus, meint auch Dr. Marwan Abou-Taam. Der Terrorismus-Experte vom Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz ist sich sicher, dass „die Unterstützer und das Umfeld eine wichtige Rolle spielen“. Doch er warnt vor Rasterfahndung und Schubladen-Denken: Konvertiten und als Muslime erzogene Menschen würden genauso radikalisiert wie Bildungsverlierer und Hochschulabsolventen.
Radikalisierung „von Angesicht zu Angesicht“
Fest steht jedoch, dass „die Szenen und Milieus an vielen Orten in Europa auf wenige Individuen zurückgehen“, so Neumann, ob in Belgien, England, Frankreich oder Norwegen. Und die dort entstandenen Netzwerke seien von einer hohen Kontinuität geprägt. Während Politik und Öffentlichkeit nach den letzten Anschlägen in Europa immer wieder über Selbstradikalisierung durch Online-Propaganda diskutierten, weist Neumann auf die Gefahr der bestehenden persönlichen Netzwerke hin. So wichtig die Radikalisierung über das Internet auch sei: „In den allermeisten Fällen gehen Ausreisen nach Syrien oder die Beteiligung an terroristischen Straftaten zurück auf Kontakte, die von Angesicht zu Angesicht entstanden sind.“
Omar Bakri wurde 2010 von den libanesischen Behörden verhaftet, und sein Ziehsohn Anjem Choudary wurde im Juli 2016 wegen Anwerbung von Kämpfern für den IS verurteilt und sitzt seitdem in einem englischen Gefängnis. Doch die dschihadistischen Netzwerke sind damit nicht ausgetrocknet. Um gegen sie und die unterstützenden Parallelgesellschaften vorzugehen, braucht es eine EU-Strategie, betont Polizeichef Amrani: kohärent von der europäischen bis hinunter zur kommunalen Ebene.
Während das erste Panel den Fokus auf Europa legte, betrachtete die Fachkonferenz auch zwei weitere Kontinente: Im Videomitschnitt können Sie die Diskussionen zur Entstehung von islamistischem Terrorismus in Afrika und Asien nachverfolgen.
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Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit
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