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Deutsch-Mongolische-Beziehungen
Zwar pflegen beide Länder seit langer Zeit ein enges Verhältnis, jedoch haben die Treffen zwischen Spitzenpolitikern in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Der letzte große deutsche Staatsbesuch in der Mongolei fand 2011 statt. Angela Merkel besuchte als erstes deutsches Regierungsoberhaupt die Mongolei. Im Jahr darauf empfing Bundespräsident Joachim Gauck den mongolischen Präsidenten Elbegdorj als seinen ersten ausländischen Staatsgast im Schloss Bellevue. Letztes Jahr besuchte Außenminister Frank Walter Steinmeier die Mongolei, um die 40-jährigen gemeinsamen diplomatischen Beziehungen zu feiern.
Der Besuch von Joachim Gauck im Oktober 2015 setzt nun diese Besuchsdiplomatie der beiden Länder fort. Die Beständigkeit und Häufigkeit der deutsch-mongolischen Besuche auf höchster Ebene zeigen wie eng das beiderseitige Verhältnis ist.
Die Basis der heutigen Situation ist die Partnerschaft zwischen der DDR und der mongolischen Volksrepublik zu Zeiten des Kalten Krieges. Nach der Wiedervereinigung hatte Deutschland diese Beziehung aufrechterhalten. Damals wurde sogar von der Bundesrepublik die Botschaft der DDR in Ulaanbaatar übernommen. Bis heute ist in diesem Gebäude die deutsche Vertretung untergebracht. Die Beziehungen haben sich seitdem immer weiter vertieft.
Ausbaufähig zeigen sich hingegen die mongolisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen. Als eines der rohstoffreichsten Länder der Welt birgt die Mongolei das Potenzial sich zu einem wichtigen Rohstofflieferanten für die deutsche Industrie zu entwickeln. Besonders interessant sind dabei die Vorkommen an Gold, Kupfer oder seltenen Erden. Politische Instabilität, mangelnder Investorenschutz und große Transport- und Logistikkosten verhindern aber bislang die Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen. So gehen lediglich 0,3 Prozent der mongolischen Exporte nach Deutschland und das trotz des 2011 von Angela Merkel und ihrem Amtskollegen Batbold in Ulaanbaatar unterzeichneten „Abkommen über die Zusammenarbeit im Rohstoff-, Industrie- und Technologiebereich“. Die Vereinbarung reicht von der gemeinsamen Erkundung, Erschließung, dem Abbau und der Verarbeitung von Rohstoffen, über die Schaffung der entsprechenden Infrastruktur, bis hin zur Aus- und Weiterbildung von Fachkräften. Die Bilanz ist aus wirtschaftlicher Sicht jedoch bislang ernüchternd. Seit dem Einbruch der mongolischen Wirtschaft 2013, besteht kaum noch Warenaustausch zwischen den beiden Ländern (Platz der Mongolei bei deutschen Einfuhren 2014: 150; bei Ausfuhren: 121). Ein ebenso negatives Bild zeigt sich bei den Importen der Mongolei. Lediglich 2,9 Prozent der mongolischen Einfuhren kommen aus Deutschland.
Trotz der geografischen Distanz beider Länder findet ein stetiger und intensiver Austausch auf gesellschaftlicher und kultureller Ebene statt. So erfreut sich die deutsche Sprache und Kultur großer Beliebtheit bei den Mongolen: Über 50.000 Mongolen sprechen deutsch. Die Deutschen dagegen erleben die mongolische Kultur als Touristen, als Teil von Schülerprogrammen oder als Austauschstudenten.
Kurz gesagt, sind beide Länder gesellschaftlich und politisch nahe zusammenrückt, wirtschaftlich leidet jedoch die Beziehung unter der mongolischen Wirtschaftskrise und den Problemen bei der Infrastruktur und dem Investorenschutz.
Gegenseitige Erwartungen
Die Tatsache, dass Gauck zusammen mit einer Wirtschaftsdelegation anreiste, zeigt die konkreten deutschen Erwartungen und Interessen. Die deutsche Seite verspricht sich, von den großen Rohstoffvorkommen der Mongolei zu profitieren. Der Besuch fand auch deshalb im Umfeld der German-Mongolian Corporate Days, der größten deutschen Wirtschaftsmesse in der Mongolei, und der Tagung des Deutsch-Mongolischen Wirtschaftsausschusses statt.
Bei einem Besuch des Bundespräsidenten ist zwar nicht zu erwarten, dass er umfangreiche Verträge unterschreibt. Allerdings kann der Bundespräsident als Dialogpartner neue Netzwerke zwischen den Ländern knüpfen. Beispielsweise hatten Gaucks Vorgänger Roman Herzog (Besuch 1998) und Horst Köhler (2008) schrittweise von einer politischen Zusammenarbeit auf eine gesamtgesellschaftliche Verflechtung hingearbeitet. Roman Herzog gründete z.B. mit seinem Amtskollegen Ochirbat das Mongolisch-Deutsche-Forum (MDF). Das MDF ist bis heutige das wichtigste außenpolitische Gesprächsformat beider Länder und findet in diesem Jahr bereits zum 13. Mal in Berlin statt. Dieser Weg soll von Gauck nun im kulturellen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich fortgesetzt werden. Die konkreten deutschen Interessen beziehen sich vor allem auf zwei Bereiche: Wirtschaft und die Verbreitung europäischer Werte. Im Wirtschaftsbereich bleiben weiterhin die mongolischen Rohstoffe interessant. Der Bergbausektor ist dabei aus zwei Gründen wichtig: Zum einem braucht die deutsche Industrie Zugang zu Rohstoffen, zum anderen werden im Bergbau viele Maschinen benötigt, die Deutschland liefern kann und möchte.
Bislang entsprach die Performanz der mongolischen Demokratie zwar nicht europäischen Standards. Nichtsdestotrotz bekennt sich die Mongolei lautstark zu Demokratie und Marktwirtschaft und fordert immer wieder die westliche Unterstützung bei der Weiterentwicklung. Die Mongolei als demokratischer Staat kann ein wichtiger Akteur für die Verbreitung von Menschenrechten, Demokratie und Freiheit im asiatischen Raum werden. Wenn die Europäische Union mehr sein will als ein Wirtschaftsbund, nämlich eine auf Werten basierende Interessengemeinschaft, dann ist die Mongolei ein natürlicher Verbündeter. Dabei ist die Bundesrepublik der wichtigste europäische Partner für die Mongolei und Vorbild für viele junge Mongolen. Voraussetzung ist aber, dass die Mongolei den eingeschlagenen Weg weiter geht und die Europäische Union diesen Weg hin zu mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auch durch wirtschaftliche Kooperationen stärker honoriert.
Die Beziehungen zu Deutschland sind für die Mongolen Teil ihrer Drittnachbarschaftspolitik. Diese außenpolitische Strategie zielt darauf ab, sich aus dem Abhängigkeitsverhältnis von den direkten Nachbarn der Mongolei – China und Russland - zu lösen, indem man enge Beziehungen zu „dritten Staaten“, wie Japan, den USA oder Deutschland, pflegt. Dies wird bei steigender Abhängigkeit von der chinesischen Wirtschaft immer wichtiger. Zudem ist Deutschlands Stimme als Fürsprecher in der Europäischen Union wichtig, um weitere Drittnachbarschaftsbeziehungen zu schaffen. Anstatt bilateraler Abkommen können über direkte Verträge mit der EU alle 28 Mitgliedsstaaten gleichzeitig erreicht werden. Dabei beschränkt man sich jedoch nicht nur auf die EU, sondern engagiert sich aktiv in einer Vielzahl von internationalen Organisationen, wie der UN, der Freedom Online Coalition oder der OSZE.
Da es um den mongolisch-deutschen Außenhandel nicht gut bestellt ist, war der Staatsbesuch des Bundespräsidenten daher auch eine Chance, die wirtschaftlichen Beziehungen wiederzubeleben und vor allem Investoren zu gewinnen. Darüber hinaus hofft die Mongolei, dass Deutschland in einem anderen Punkt bei der Diversifizierung der Wirtschaft hilft. Bislang ist die mongolische Wirtschaft stark vom Rohstoffexport abhängig und deshalb anfällig für Krisen. So fielen 2013 auf Kohle (26,3 Prozent), Kupferkonzentrat (22,2 Prozent), Eisenerz (15,3 Prozent), Rohöl (12,1 Prozent), Gold (7,3 Prozent) und Textilien (6,6 Prozent) fast 90 Prozent der gesamten Exporte. Darüber hinaus besteht eine große wirtschaftliche Abhängigkeit von China, das ca. 90 Prozent der mongolischen Exporte abnimmt.
Die Mongolei versucht daher insbesondere mit Deutschland den Tourismus weiter auszubauen. Beleg dafür ist, dass die Mongolei bei der diesjährigen internationalen Tourismusbörse in Berlin (ITB) Gastland war. Bei der Eröffnungszeremonie waren sogar Präsident Elbegdorj und Parlamentspräsident Enkhbold anwesend. Allerdings setzt die Förderung des Tourismus die entsprechende Infrastruktur wie etwa Flughäfen und Straßen voraus. Hier gibt es noch erhebliche Entwicklungspotenziale für die Mongolei.
Ein volles Programm in der mongolischen Steppe
Den Erwartungen entsprechend war das Programm für die zwei Tage in der Mongolei dicht und vielfältig. Donnerstagmorgens wurde der Bundespräsident auf dem Dschingis-Khan-Platz vor dem mongolischen Parlamentsgebäude mit vollen militärischen Ehren empfangen. Im Anschluss folgten Gespräche mit seinem Amtskollegen Elbegdorj in der mongolischen Staatsjurte. Beide Seiten betonten die Symbolhaftigkeit des Besuchs 25 Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands und nach der friedlichen Revolution in der Mongolei. Der mongolische Präsident bedankte sich für die deutsche Unterstützung beim Aufbau der mongolischen Demokratie. Betont wurde von beiden Seiten der Wunsch einer stärkeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit durch Energie- und Bergbaukooperationen. Daraufhin wurde eine Absichtserklärung über die Bereitstellung von Kupferkonzentrat für die deutsche Privatwirtschaft und den Aufbau von Schmiermittelfabriken in der Mongolei unterzeichnet.
Im Anschluss folgte ein Gespräch mit Premierminister Saikhanbileg. Dieser sah den Besuch Gaucks, als eine neue Stufe der deutsch-mongolischen Beziehungen. Es wurde jedoch betont, dass dies vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht gelten müsse.
Bei seiner nächsten Station traf Bundespräsident Gauck die mongolischen Soldaten der Resolute Support Mission, die in Afghanistan die ISAF Mission ablöst. Zur Vorbereitung des Einsatzes wurden die mongolischen Soldaten von deutschen Offizieren ausgebildet. Dabei würdigte Gauck, dass Mongolen und Deutsche sich gemeinsam bei internationalen Peacekeeping-Operationen Schulter an Schulter für den Frieden in der Welt einsetzen.
Nach einem kurzen Besuch im Gandan-Kloster und Gesprächen mit den buddhistischen Mönchen stand ein Besuch bei der ersten Studierendengeneration der Deutsch-Mongolischen Hochschule für Rohstoffe und Technologie an. Diese langfristig orientierte Wissenschaftskooperation kann die Mongolei mit Knowhow in entwicklungsrelevanten Fachgebieten bereichern. Das Projekt wird von Deutschland finanziert und ist Teil des gemeinsamen Rohstoffabkommens. Im Rahmen des Besuchs unterzeichneten der Präsident der mongolischen Wissenschaftsakademie und der Präsident des Leibniz Institutes eine Kooperationsvereinbarung in den Bereichen Zoologie, Biologie, Geologie, sowie Wassermanagement. Die Mongolei erlebt eine starke Erosion der Böden und schwindende Grundwasserspiegel. Dazu hatten deutsch-mongolische Forscherteams bereits Ursachen identifiziert, wie eine Übernutzung der Böden durch Viehzucht, unkontrollierten Zuzug der Landbevölkerung in die Städte, die Entwicklung der Industrie oder den Bergbau.
Am zweiten Tag seines Aufenthalts sollte es für Bundespräsident Gauck eigentlich aufs Land gehen. Geplant war ein Besuch der Weltkulturerbestätte Karakorum, der historischen Hauptstadt des großmongolischen Reiches. Hier hatte Bundespräsident Roman Herzog für ein Ausgrabungsprojekt des Deutsch-Archäologischen Institutes die Schirmherrschaft übernommen, das nun abgeschlossen wurde. Der Besuch musste aber ausfallen, da heftige Winde einen Flug nach Karakorum verhinderten. Gauck traf sich unterdessen spontan erneut mit Präsident Elbegdorj. Außerdem fand ein planmäßiges Treffen mit der mongolischen Zivilgesellschaft statt, bei dem sich der Bundespräsident ein besseres Bild von der Mongolei machen konnte.
Was bleibt?
Für beide Länder war es wichtig den beiderseitigen Austausch auf höchster politischer Ebene fortzuführen. Dies gilt besonders im Jahr 2015 zur Feier des 25-jährigen Jubiläums der Demokratie in der Mongolei. Gauck setzte ein Zeichen der Anerkennung und des Respekts für die erfolgreiche Transformation: „Inzwischen ist Ihr Land auch imstande, in der Nachbarschaft ein gutes Beispiel zu geben für faire und freie Wahlen“, sagte Gauck zu seinem Amtskollegen Elbegdorj. Deutschland habe beeindruckt, dass in dem Land die Prinzipien der Demokratie beachtet wurden, auch wenn es innenpolitisch nicht immer ganz einfach sei. Die Mongolei habe sich anders als ihre großen Nachbarn China und Russland für Demokratie und Marktwirtschaft entschieden, fügte Gauck hinzu. Auf diesem Weg wolle die Bundesrepublik das Land unterstützen, auch wenn das Umfeld schwierig sei.
Die Präsidenten beider Länder tauschten auch ihre Erfahrungen während des Kalten Krieges aus. Der stetige Dialog schaffe Raum für eine Vertiefung gesellschaftlicher Zusammenarbeit und des Völkerverständnisses. Der Besuch stärkt das Vertrauen in die Partnerschaft. Dies kann ein wichtiger Baustein für die zukünftige Entwicklung der Handelsbeziehungen sein. Fällt der Mongolei die Unterstützung enger Partner wie Deutschland weg, so könnte aus Alternativlosigkeit die wirtschaftlich starke Bindung an China auch zu einer politischen werden.
Trotz Gaucks lobender Worte sprach er auch kritische Themen wie Korruption und das Verhältnis des Landes zu Russland und China an. Wünschenswert wäre Kritik in einem weiteren Punkt gewesen: Die Mongolei hat zwar in ihrer demokratischen Entwicklung einiges erreicht, aber es ist auch noch ein langer Weg hin zu einer Demokratie nach westlichem Standard. Einer der Kritikpunkte an der demokratischen Entwicklung des Landes ist die fehlende Aufarbeitung der sozialistischen Vergangenheit. Durch seine Biografie als Menschenrechtler und Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde hätte Gauck eine besondere Symbolkraft für einen kritischen Umgang mit der sozialistischen Vergangenheit entfalten können. Denn die deutsche Erfahrung zeigt: Eine Aufarbeitung der Vergangenheit und eine kritische Reflexion ist einer der wichtigste Schritte hin zu einer stabilen Demokratie. Unter guten Freunden, und das sind die Mongolei und Deutschland, muss auch solche Kritik erlaubt sein.
Wie geht es weiter?
Der Besuch des deutschen Staatsoberhauptes zeigt, dass die beiden Länder eng miteinander verbunden sind. Um in der Logik der Drittnachbarpolitik zu bleiben, sind sie Wertenachbarn. Jedoch stellt sich die Frage, wie es weitergeht mit der mongolisch-deutschen Partnerschaft. Um die politischen Beziehungen muss einem nicht bange sein. Mit der Einladung von Bundespräsident Gauck an Präsident Elbegdorj ist bereits der nächste große Staatsbesuch in der Planung. Verbesserungswürdig bleiben aber die Handelsbeziehungen. Beide Seiten haben ihr Interesse an der Verbesserung des wirtschaftlichen Austausches geäußert. Der mongolische Präsident versicherte ein besseres Investitionsklima. Für Deutschland kann die Mongolei im Kampf um die Rohstoffressourcen der Zukunft ein wichtiger Partner werden. Das Potenzial muss nun von beiden genutzt werden.
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