Als Experte war der Politikwissenschaftler Prof. Dr. L.P. Rensmann eingeladen, der Director des Research Centre for the Study of Democratic Cultures and Politics und Professor an der European Politics and Society Rijksuniversiteit Gronigen ist.
Rensmann begann den Vortrag mit dem politischen System der Niederlande. Im Rahmen dessen stellte er heraus, dass die Niederlande gleichzeitig eine liberale Demokratie und eine konstitutionelle Monarchie ist, wobei der Monarch nicht mehr der tatsächlich Regierende ist. Wichtig für die Charakterisierung des politischen Systems sei auch der Begriff des Dualismus, der sich im heutigen Sinne auf die Trennung von Regierung und Parlament beziehe.
Als nächstes ging Rensmann auf das Wahlsystem ein, das sich in mehreren Punkten von dem Wahlsystem in Deutschland unterscheidet. Ein wichtiges Merkmal sei das strikte Verhältniswahlrecht nach dem Modell totaler Repräsentation, denn es gibt keine prozentuale Eintrittshürde in dem Wahlsystem der Niederlande. Rensmann stellte zudem dar, dass es zwar Kandidatenlisten gibt, in den Niederlanden jedoch keine Listenwahl stattfindet. Aufgrund dessen seien Parteien als schwach zu charakterisieren. Sie seien ein Mittel des politischen Wettstreits, aber nicht in der Verfassung verankert.
Darüber hinaus machte Rensmann den Wandel des Parteiensystems deutlich, den er als europäisches und nicht als rein niederländisches Phänomen bezeichnete. Dabei ging Rensmann darauf ein, in welchem Rahmen sich das Parteienspektrum bewege. Die Aufspaltung zwischen autoritär und libertär sei geblieben, doch es gebe eine neue Achse. So sei nicht mehr die Aufspaltung in Bezug auf das Thema Ökonomie ausschlaggebend, sondern die Einordnung zwischen Populismus und Pluralismus. Zudem finde eine immer stärkere Fragmentierung des Parteienspektrums statt.
Im zweiten Teil des Vortrags ging es um die Ergebnisse der Parlamentswahl in den Niederlanden. Rensmann erklärte, dass 17 Parteien Sitze in der Zweiten Kammer des Parlaments erhalten haben und es insgesamt keine drastischen Veränderungen zur Wahl von 2017 gab. Man könne jedoch trotzdem Gewinner und Verlierer ausmachen. So hätten traditionelle Linksparteien, wie z.B. die grüne Partei GL, die stärksten Verluste gemacht und auch die Christdemokraten seien als Verlierer der Wahl zu bezeichnen. Auf der anderen Seite hätten die rechtspopulistische Partei FvD, die einen single issue Wahlkampf gegen die „Corona-Diktatur“ geführt hat, und die linksliberale Partei D66 einen deutlichen Zugewinn an Sitzen verzeichnen können. Dabei stehe die D66 für eine pro-europäische, kosmopolitische, aber wirtschaftsliberale Politik. Die Regierungspartei VVD, die oft nach dem Regierungschef Mark Rutte als Rutte-Partij bezeichnet wird, ist trotz mehrerer Skandale stabil geblieben.
Zum Abschluss behandelte Rensmann die Koalitionsbildung und die Schlussfolgerungen aus der Wahl. Eine sehr wahrscheinliche Prognose für die Koalitionsbildung sei es, dass die Koalition aus VVD; CDA; CU und D66 trotz der Veränderungen durch die Wahl weiterhin bestehen bleibe.
Im Rahmen der Zusammenfassung der Wahl, die mit einer hohen Wahlbeteiligung stattgefunden hat, hob Rensmann die neuen Polarisierungen im fragmentierten Parteiensystem hervor, wobei gleichzeitig das Bedürfnis nach einer mittigen Konsens-Regierung vorliegen würde. Für so eine Art von Regierung würde Rutte stehen. Auf den Regierungschef ging Rensmann zum Schluss noch einmal genauer ein. Für seinen Erfolg seien Pragmatismus, softer Euroskeptizismus und ideologische Flexibilität verantwortlich. Damit würde er viele verschiedene politische Richtungen bedienen. Ein Phänomen sei es, dass Rutte trotz Skandale und Fehler wie in der Corona-Krise, bei der toeslagen-Affäre, der neoliberalen Austeritätspolitik und der Wohnungskrise viele Stimmen bekomme. Aufgrund dessen bezeichnete ihn Rensmann als Mr. Teflon.
Als letztes machte Rensmann deutlich, dass es auffällig ist, dass eine Radikalisierung der Ränder auftritt, was vor allem in der Gewaltbereitschaft bei den Corona-Protesten deutlich wurde.
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