In seiner Begrüßung blickte Karl-Heinz B. van Lier, Leiter des Bildungswerks Mainz und Landesbeauftragter für Rheinland-Pfalz der Konrad-Adenauer-Stiftung, auf das Agenda-Setting des Bildungswerks zurück, welches er als nicht deckungsgleich mit dem der politischen Christdemokratie beschrieb. Zwar bedauerte er den Hang zur Gleichgültigkeit, zum politischen Desinteresse hielt gleichzeitig aber fest, dass die Teilnehmer der Bildungsveranstaltungen der Konrad-Adenauer-Stiftung in Rheinland-Pfalz nicht weniger würden. „Wir wollen zeigen, dass Politik nie alternativlos sein kann“, umriss van Lier das Selbstverständnis der Arbeit des Bildungswerks. Diese Arbeit, so hieß es weiter, sei dankbar, weil kreativ.
Die Beschleunigung, das Thema des Politischen Salons, bestimme nachhaltig den digitalen Alltag aller. Der von Nadolny als „Sofortness“ bezeichnete Zustand solle der näheren Betrachtung ausgesetzt werden.
Julia Klöckner, Fraktionsvorsitzende der CDU im rheinland-pfälzischen Landtag, dankte und lobte die Arbeit van Liers und Marita Ellenbürgers. Partei und Stiftung seien sich - wie schon erwähnt – zwar nah, aber nicht identisch. Insofern sei die Arbeit der Grundsatzdenker in der Konrad-Adenauer-Stiftung unentbehrlich, da sie „die Politiker auf die Metaebene zurückholt“. Und auch für die kritische Auseinandersetzung der letzten Jahre dankte die Landtagsabgeordnete dem Bildungswerk.
Der Parteienforscher und Professor für Politikwissenschaft an der Universität Mainz, Prof. Jürgen Falter, nahm in seinem Statement Stellung zu der Frage, was man unter Beschleunigung in der Politik überhaupt verstehen könne. „Zunächst einmal ist eine größere Zeitnot ist der Politik festzustellen“, so Falter. Eigentlich aber, sei hier ein Prozess gemeint. Das Lebenstempo sei, vor allem in digitaler Hinsicht, einer extremen Beschleunigung unterworfen. Und weiter: „Der technische Fortschritt hätte den Menschen mehr freie Zeit, mehr Freizeit, bescheren müssen. Stattdessen ist das Gegenteil der Fall“.
Im streng wissenschaftlichen Sinne sei eine Beschleunigung der Politik allerdings nicht nachzuweisen, obwohl die Entscheidungen vor allem in der Finanzkrise zeigten, wie „atemlos“ Politik geworden sei und wie wenig diese final durchdacht worden seien. Die digitale Revolution, die permanente, sekundenschnelle Verfügbarkeit von Nachrichtenmedien, habe nach Auffassung Falters dazu geführt, dass es an der Qualität mancher Entscheidungen. Die Demokratie leide darunter, da die Parlamente nur noch im Nachhinein die getroffenen Entscheidungen abnicke und die Verfassung, so der Politikwissenschaftler weiter, werde dadurch ausgehöhlt. Das Problem müsse bewusst gemacht und sensibel bedacht werden.
Josef Kraus, langjähriger Vorsitzender des Deutschen Lehrerverbands, sprach im Anchlussüber die Beschleunigung in der Bildung. Diese habe, so Kraus, einen vierfachen Auftrag: die Vermittlung von Nützlichem und Verwendbarem, die Unterstützung der Heranreifung einer persönlichen Identität, die Vermittlung eines Wertekosmos und die Vermittlung der Chancen von Muse und Muße. Diese Zielsetzungen sollten sich im Idealfall die Waage halten, täten dies aber schon lange nicht mehr. Stattdessen gehe es nur noch darum Bildung frühestmöglich und in kürzester Zeit zu vermitteln.
Das Verhältnis von Bildung und Zeit unterliege ebenfalls, trotz dem Gewinn an Zeit, der allgemeinen Verknappung von Zeit: „Wir haben uns einem rasenden Stillstand ausgeliefert und damit den Zustand einer Stagnation durch tatsächliche oder vermeintliche Innovation erreicht“. Die von Kraus hochgeschätzte „hohe Langweile“, sieht er als kreative Kraft: „Solche Muße ist schöpferische Gestaltung freier Zeit“. Deshalb lautet sein Appell „Finger weg von der Faulheit!“. Aber, so der Pädagoge, „dieses Recht auf Faulheit ist ein Privileg der Fleißigen!“.
Über die Beschleunigung in der Bankenwelt, referierte Wolfgang Hempler, Managing Director bei der Deutschen Bank. Der Hochfrequenzhandel von Aktien und Anleihen in den Banken finde ausschließlich computergestützt statt. In den USA mache dies bereits bis zu 85 Prozent des Gesamthandels aus. Ist dies aber nützlich? Der Markt, so Hempler, werde dadurch durchaus effizienter und kostengünstiger. Aber, und dies sei der negative Aspekt dieser Art von Handel, diese Vorgehensweise sei manipulationsanfällig.
Dies zu regulieren ist schwierig. Der deutsche Gesetzgeber hat diesen Markt, der sich im Nanosekundenbereich abspiele, lediglich dahingehend reguliert, dass Handlungsaktivitäten unter 0,5 Sekunden kontrolliert werden. Die italienische Lösung sehe beispielsweise vor, diesen schnellen Handel zu besteuern. Abschließend verdeutlichte Hempler das Prinzip „Time is money“ und erinnerte daran, dass man den Wert von Zeit wieder mehr schätzen sollte.
Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Prof. Dr. Hans-Joachim Jentsch äußerte seine Ansichten zum Thema Beschleunigung in der Legislative. „Eine Tempobeschleunigung“, so Jentsch einleitend, „ist immer ein Risiko“. Als Beispiele für eine aktuell diskutierte völlige Fehleinschätzung des Tempos der Legislativen nannte er die Diskussion um den Ehebegriff und die neueren Bestimmungen im Personenstandsrecht, die ein drittes unbestimmtes Geschlecht zulassen. Die Folgen dieser Entscheidungen seien nicht durchdekliniert worden, meint Jentsch.
Weit verbreitet sei zudem ein „demokratisches Schamanentum“, also die Versammlung einer demokratisch verfassten Bevölkerung um eine symbolische Gesetzgebung, die der Beruhigung diene. Die Gründe für diese Schnelligkeit in der Legislative sieht der Verfassungsrichter in der immer stärker ausgeprägten Komplexität der Lebensumstände und in der Globalisierung, die immer neue Probleme und bislang unbekannte Fragestellungen mit sich bringe. Dies werde flankiert von Abstimmungsschwierigkeiten auf EU-Ebene, die den Gesetzgebungsprozess ebenfalls komplexer mache. Eine Entschleunigung der Gesetzgebung ist Prof. Jentsch zufolge dringend geboten: „Schnelligkeit und Beschleunigung dürfen kein Maßstab für die Legislative sein!“.
In der anschließenden von Stefan Schröder moderierten Diskussionsrunde wurde, wurden einige Aspekte im Gespräch vertieft. In einem Punkt waren sich alle Debattanten einig: Die Beschleunigung sei gleichzeitig mit der Entschleunigung bestimmter Abläufe verbunden. Dies lasse sich, so Falter, im Besonderen dadurch erklären, dass durch die gesteigerten, zeitlichen Anforderungen manche Entscheidungen nicht mehr ausreichend durchdacht werden könnten. Unter dieser Tatsache leide daher auch die Qualität von politischen Entscheidungen allgemein. Die digitalisierte Kommunikationswelt wolle von ihren Teilnehmern „zu schnell, zu viel“ auch darüber war sich die Runde einig. Jentsch beklagte eine vollständige Konzeptlosigkeit der Politik. Dies sei in der Kommunalpolitik in erhöhtem, erschreckenden Maße zu beobachten und zeige sich in einer Unwilligkeit Projekte einmal wirklich anzupacken.
Ein vergleichbares Problem wurde von Kraus aufgeworfen: die fehlenden Konzepte und die Intransparenz politischer Prozess seien nicht geeignet junge Menschen zu einem Engagement in der Politik zu motivieren. Die Schule könne dem selbst mit dem besten Politikunterricht nicht entgegensteuern. Das Fehlen von Konzepten sei auch ein Folge der Verabschiedung vom humboldschen’ Bildungsideal.
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