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Zprávy z jednotlivých zemí

Der Klimawandel in Europa: Zur Jahrhundertflut in Spanien

od Dr. Ludger Gruber, Martin Friedek, Sara Brokelmann Álvarez

Politische und soziale Konsequenzen der Naturkatastrophe

Am 29. Oktober 2024 wurde die spanische Region Valencia von einer schweren Sturzflut getroffen. Das meteorologische Phänomen „Kalter Tropfen“ kostete bislang 217 Menschen das Leben, 16 werden noch vermisst. Die Schäden belaufen sich schon jetzt auf einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag. Nun setzt eine vielschichtige politische Aufarbeitung ein, die von (unterlassenen) Präventionsmaßnahmen über das akute Krisenmanagement bis hin zur parteipolitischen Instrumentalisierung mehrere Ebenen umfasst.

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Sdílet

Was ist genau passiert? Und warum?

Seit jeher gibt es sogenannte DANAS im spanischen Mittelmeerraum.[1] Die DANA vom 29. Oktober war jedoch die stärkste und in ihren Folgen verheerendste. Ursächlich war eine Kombination aus der statischen Lage der DANA, dem Levante-Wind und das in diesem Jahr auf Rekordwerte angestiegene warme Wasser des Mittelmeers. Die aufsteigende Feuchtigkeit hat Regenmengen produziert, wie sie nach wissenschaftlichen Berechnungen alle 500 Jahre vorkommen. In Verbindung mit den orographischen Voraussetzungen des betroffenen Geländes und einer Bebauung, die anstatt einer Versickerung des Wassers zu einer Kanalisation und einem Anstieg zu reißenden Strömen führte, ergab sich die große Zerstörungskraft.  

Auf der Datenbasis des europäischen Katastrophenschutzsystems Copernicus betreffen bis dato die Schäden mindestens 74.000 Menschen unmittelbar. Es sind über 4.000 Gebäude, ca. 905 Kilometer Straßen, 20 km Eisenbahnlinien, mehrere Brücken und 52.000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche beschädigt oder vollends zerstört. Hinzu kommen erhebliche wirtschaftliche Verluste in den 68 am stärksten betroffenen Gemeinden, wo fast 50.000 Unternehmen mit ca. 200.000 Arbeitsplätzen nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt arbeiten können. Die direkten Schäden werden auf ca. 30 Milliarden Euro geschätzt.

Zu den indirekten Schäden können noch keine belastbaren Angaben gemacht werden. Sinkende Wirtschaftsleistung und dadurch entgehende Steuereinnahmen gehören zu den Langzeitfolgen, die nicht nur die am stärksten betroffene Autonomen Region Valencia, sondern auch die Anrainer-Regionen, ja ganz Spanien in Mitleidenschaft ziehen.

 

Politisch relevante Kerndaten zum Hergang

14 Tage nach der Katastrophe befindet sich das Land inmitten interessegeleiteter politischer Schuldzuweisungen. Eine sachlich-neutrale Aufarbeitung wird noch Zeit brauchen.

Im Fokus steht die von der Partido Popular (PP) und seinem Regionalpräsidenten Carlos Mazón geführte Regierung der Autonomen Gemeinschaft Valencia. Jene Region von fünf involvierten, die am stärksten getroffen wurde.  

Wer hat was getan oder unterlassen? In der betroffenen Bevölkerung und in sämtlichen Medien unabhängig ihrer politischen Couleur besteht weitgehend Einigkeit in der ersten und vorläufigen Bewertung des Krisenmanagements der Regionalregierung:  die Lage unterschätzt, zu spät gewarnt, unprofessionell koordiniert, unpassend kommuniziert. Präsident Mazón habe ausgiebig mit einer Journalistin zu Mittag gegessen, während erste Dörfer von Überschwemmungen heimgesucht wurden. Die zuständige Ministerin Salomé Pradas habe sich völlig überfordert gezeigt.

In einer zweistündigen Regierungserklärung versuchte Präsident Mazón im Parlament Valencias am Freitag, 15.11., also zwei Wochen nach dem Unglück, detailliert die Ereignisse zu rekonstruieren. Sicherlich in der Intention, gegenüber der eigenen Partei (PP), dem politischen Gegner und vor allem der Öffentlichkeit wieder Handlungsspielraum zu erhalten. Denn der innere und äußere Druck auf ihn, auch personelle Konsequenzen zu ziehen, ist enorm.

Erst nach und nach werden die entscheidenden Fakten bekannt. Demzufolge hatte die staatliche Meteorologiebehörde (AEMET) bereits zwei Tage zuvor für Teile der Provinz Valencia ernste Unwetterwarnungen herausgegeben, verbunden mit Empfehlungen, sich nicht mit Autos zu bewegen oder von jeglichem Gewässer, Bächen, Flüssen etc. fernzuhalten.

Am Morgen des 29. Oktober hatte AEMET die Warnung auf „Rot“ hochgestuft. Laut Mazón führte dies routine- und vorschriftsmäßig zur Verstärkung des Krisenpersonals in den Melde- und Notfallstellen um 80% des Normalumfanges. Bis 18.00 Uhr desselben Tages sei der Hinweis aufrechterhalten worden, dass mit 180 l Niederschlag pro qm zu rechnen sei. Es wurden abends über 700 l gemessen.

Gegen 15:00 Uhr erhöhte die Regionalregierung die Alarmstufe von Niveau eins auf zwei.  

Um 17.00 Uhr begann die Sitzung der regionalen Zivilschutzzentrale (CECOPI), an der auch Stellen der nationalen Regierung teilnehmen (Umweltministerium, CHJ, AEMET). Erst um 19:00 Uhr stieß Mazón dazu, als er erfuhr, dass der Staudamm Forata zu bersten drohte, was glücklicherweise nicht geschah.

Zwei Fehleinschätzungen erwiesen sich im Nachhinein als fatal: Zum einen die Vermutung, dass das Unwetter Richtung Norden wegzöge, was nicht erfolgte. Zum anderen die Tatsache, dass der „Barranco del Poyo“, üblicherweise ein Rinnsal, zunächst auf 128 m/s anstieg, dann wieder auf 58 m/s absank, um dann abends mit voller Wucht und kürzester Zeit auf 2280 m/s anzuschwellen. Das kostete allein im Ort Paiporta 61 Menschenleben.

Regionalpräsident Mazón warf der Behörde „Confederación hidrográfica de Júcar(CHJ) vor, zwischen 16.15 h und 18.43 darüber nicht informiert zu haben. Dieser Vorwurf wird zum Politikum, weil diese Wasserbehörde der Aufsicht des „Ministeriums für Ökologische Transformation“ untersteht. Die zuständige Ministerin ist Teresa Ribera, auch Vizepräsidentin der sozialistischen Regierung von Pedro Sánchez und Kandidatin für den Posten der Wettbewerbskommissarin in der nächsten EU-Kommission.

 

Und der Zentralstaat?

Um 14.00 Uhr hatte die Innenministerin der valenzianischen Regionalregierung, Salomé Pradas, aufgrund einer Anfrage des Bürgermeisters von Utiel die Notfalleinheit des Militärs (UME) für diesen Ort angefordert. Der war zu diesem Zeitpunkt aber schon überschwemmt. Zuvor hatte es erste Kontakte zwischen der PSOE-geführten Nationalregierung und der Regionalregierung gegeben, deren Gesprächsinhalte bis heute umstritten sind. Im Ergebnis wurde aber offenbar das Ausmaß der tatsächlichen und bevorstehenden Krisensituation von beiden nicht adäquat erfasst.

Hierin liegt ein gravierendes Problem. Offenbar waren die Kompetenzen und Alarmwege auf der Basis bekannter Naturphänomene konzipiert. In Anbetracht der Jahrhundertflut versagte jedoch das System.

Umweltministerin Ribera behauptet, Mazón mehrmals angerufen, aber nicht erreicht zu haben. Dieser erwidert, er besitze eine SMS, die beweise, dass Ribera ihn erst um 20:20 Uhr kontaktiert habe.

Die Bevölkerung erhielt erst um 20.12 Uhr einen Warnhinweis auf ihre Mobiltelefone. Das war für viele Dörfer viel zu spät. Als besonders tückisch erwies sich, dass es in den am schlimmsten heimgesuchten Dörfern noch nicht einmal geregnet hatte. Und viele Opfer hatten sich instinktiv nicht richtig, sondern falsch verhalten: sich begaben sich in ihre Autos oder Garagen. Just im Auto oder in den (Tief-) Garagen starben die meisten Menschen.

Um 21:45 und 22:50 Uhr telefonierte Mazón mit der Stv. Ministerpräsidentin María Jesús Montero, die sich im Krisenkomitee des Nationalen Sicherheitszentrums befand und bat sie um die Entsendung der Bürgergarde (Guardia Civil) und des Militärs. Sie war zuständig, da Ministerpräsident Sánchez (PSOE) sich an dem Tag auf Staatsbesuch in Indien befand. Um 23:00 Uhr gab der Regierungssitz La Moncloa offiziell bekannt, ein Krisenkomitee eingerichtet zu haben, um die Hilfsmaßnahmen zu koordinieren. Von dieser Koordinierungsaufgabe zog sich die Regierung dann jedoch wieder zurück.

 

Die ersten Tage danach

Die Medien spielten in den Folgetagen immer wieder Videoaufnahmen der Katastrophe ab, die durch Betroffene selbst aufgezeichnet wurden. Durch diese, weniger durch die fehlende reale Medienpräsenz vor Ort wurde das ganze Ausmaß der Not deutlich: denn nach zwei vergangenen Tagen war in viele notleidende Gebiete noch kaum Hilfe gelangt: die Strom- und Wasserversorgung blieb großflächig zusammengebrochen; Hilfsgüter, Frischwasser und einfachste Hygienemittel fehlten; vielerorts trafen weder Hilfs- noch Ordnungskräfte ein, was im Laufe der Folgetage zu hunderten von Plünderungen von Geschäften und (teils bewohnten) Privatwohnungen führte. Fassungslos registrierte Spanien die schlechte Versorgungslage und Koordinierungsleistung zwischen der nationalen und der regionalen Regierung.

Am Mittwoch, den 30. Oktober, entsandte Verteidigungsministerin Robles lediglich 1.034 Soldaten der militärischen Notfalleinheit UME in ein Gebiet von 530 km², in dem 190.000 Menschen in über 75 betroffenen Gemeinden leben. Am 31. Oktober entsandte sie weitere 500.

Spätestens am Freitag, den 1. November, begann die Auseinandersetzung zwischen der nationalen und der regionalen Regierung über die Deutungshoheit der Vorfälle. Verteidigungsministerin Robles bedauerte, dass die Regionalregierung nicht mehr Soldaten angefordert habe. Angeblich stünden auf Anfrage „alle einsatzbereiten 120.000 Soldaten zur Verfügung“. Zugleich entsendet sie nun aufgrund der Zunahme des öffentlichen Drucks am Folgetag 5.000 weitere Soldaten, um bei den Aufräum- und Bergungsarbeiten zu helfen.

Besondere Polemik entfaltete eine Stellungnahme des Ministerpräsidenten Sánchez am 2. November, in der er deutlich machte, dass er die Aufarbeitung dieser historischen Katastrophe, die insgesamt fünf Autonome Gemeinschaften betraf, für eine Aufgabe der Regionalregierung(en) hält, bei der die Zentralregierung nur unterstützend tätig werde, jedoch nicht die Koordinierung übernehme. Demnach „sei die Zentralregierung bereit, zu helfen“. Wenn Mazón jedoch mehr Mittel brauche, „müsse er darum bitten“.

 

Ohnmacht und Frustration

In diesen ersten Tagen wuchs die Wut der Menschen auf die Behörden, die Regierungen und die Politik allgemein, was zu dem gefährlichen Spruch führte: „Sólo el pueblo salva al pueblo“ („Nur das Volk rettet das Volk“), was eine tiefe Entfremdung zu den staatlichen und politischen Institutionen ausdrückt.

Es gilt als schwerer politischer Fehler, dass die Regionalregierung unter Carlos Mazón von der liberal-konservativen Partido Popular (PP) die Nationalregierung unter dem sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez nicht um ein aktives Eingreifen bat. Offenbar aus einem falschen politischen Kalkül heraus, damit eine Art Unvermögen eingestehen zu müssen. Umgekehrt hat Sánchez die bundesstaatliche Hilfe nur passiv angeboten. Ihm wird vorgeworfen, nicht den Nationalen Notstand ausgerufen zu haben. Offenbar schwang das Kalkül mit, eine PP-Regierung als vermeintlich oder tatsächlich unfähig vorzuführen.

Als fünf Tage nach dem Unglück das Königspaar, Pedro Sánchez und Carlos Mazón in den am stärksten betroffenen Ort Paiporta fuhren, um Solidarität zu zeigen, richtete sich eine große Wut gegen die beiden letzteren als operativ politisch Handelnde auf nationaler und regionaler Ebene. Medial transportiert wurde jedoch vorrangig das Königspaar, das sich - von beworfenem Schlamm gezeichnet - eine Stunde lang in der aufgebrachten Menge aufhielt. Pedro Sanchez hingegen entfernte sich nach Attacken auf ihn und sein Fahrzeug schnell wieder. Aus Sicherheitsgründen, aber auch, um Negativ-Bilder mit und von ihm zu vermeiden. Sein Umfeld verbreitete unmittelbar danach, dass nicht aufgebrachte Bürger, sondern Gruppen der extremen Rechten die Attacke geplant durchgeführt hätten. Eine zwischenzeitlich erfolgte Untersuchung der Guardia Civil belegte die Haltlosigkeit dieser Behauptung

 

Die politische Aufarbeitung des Geschehenen

Hinsichtlich der Aufarbeitung sind drei Ebenen zu unterscheiden: Prävention, Krisenmanagement und (partei-) politische Folgen.

Nun treten immer mehr Fakten zutage, dass wichtige, sogar geplante Präventionsmaßnahmen nicht umgesetzt wurden. Mit ihnen hätten Opfer und Schäden vermieden werden können. In den Fokus rücken immer mehr die Regierung von Pedro Sánchez und ihre Umweltministerin Teresa Ribera, da Prävention wesentlich in die Zuständigkeit der Nationalregierung fällt. Dazu gehören im Detail Vorhersagen und Warnsysteme, städtebauliche Vorkehrungen, Ressourcen für die Rettungseinsätze (Umfang, Schnelligkeit) und nun Entscheidungen zum schnellen Wiederaufbau.

Bezüglich des Krisenmanagements dreht sich die Auseinandersetzung um die Frage, ob die Zentralregierung und/ oder die Regionalregierung schneller und/ oder umfassender hätten handeln und welche der beiden Ebenen dabei hätte federführend sein müssen. Die Zentralregierung sieht Mazón in der Verantwortung, die Regionalregierung hingegen Sánchez.

Entsprechende Abstimmungsmechanismen zur interinstitutionellen Kooperation existieren in Spanien zwar formell, wie so oft unterliegen diese jedoch der jeweiligen politischen Interpretation durch die beteiligten Akteure.

Bereits 1990 hatte das spanische Verfassungsgericht klargestellt, dass die Kompetenz des Zentralstaats für die öffentliche Sicherheit (Art. 149.1.29 der Verfassung) auch den Zivilschutz beinhaltet (STC133/1990). Diese Kompetenz sei konkurrierender Art, weshalb die Autonomen Gemeinschaften ebenfalls Mechanismen zum Zivilschutz etablieren könnten (wie im Falle Valencias mit der regionalen Zivilschutzbehörde Cecopi).

Das Ausmaß der Schäden in Valencia legt jedoch das Vorhandensein eines Katastrophenfalls nationalen Ausmaßes und in der Folge die Berechtigung des Zentralstaates nahe, zu intervenieren. Zwar richtete die stv. Ministerpräsidentin Montero am 29. Oktober einen Krisenstab im Nationalen Sicherheitszentrum ein, doch lehnte Ministerpräsident Sánchez aus politischen Gründen die rechtlich dafür vorgesehenen Instrumente ab, die dem Zentralstaat zur Verfügung standen, um die Koordinierung an sich zu ziehen und die umfassenden Ressourcen des Staates (Militär, Bergungsmaterial, Hilfsgüter, usw.) in Valencia einzubringen.[2]  

Communis opinio hätte die nationale Regierung den einen oder den anderen Weg vorgezeichneten Weg wählen müssen, unabhängig davon, ob die Regionalregierung die nationale Regierung explizit um Hilfe bittet oder nicht.

Politisch ist Regionalpräsident Mazón mit seiner umfänglichen Regierungserklärung kein Befreiungsschlag gelungen. Bislang ist weder er zurückgetreten noch hat er eine (n) Verantwortliche (n) entlassen.

Innerhalb der PP schwankt man zwischen Entlastungsangriffen auf die Regierung Sánchez und der Unzufriedenheit mit einem Ministerpräsidenten aus den eigenen Reihen, der mit seinem Verhalten ein wichtiges Selbstverständnis der PP in Frage stellt: besser als die regierende sozialistische Partei PSOE regieren zu können. Der PP-Parteivorsitzende Alberto Nunez Feijóo versuchte zunächst umgekehrt die Regierung Sánchez für ihre Passivität zu kritisieren, schwenkte dann nach zwei Tagen zu einer eher staatstragenden, konstruktiven Rolle um und fährt seither einen Mittel-Kurs, der beiden Ebenen eine zwar unterschiedliche, letztlich aber geteilte Verantwortung für das Desaster zuweist.  

Mazóns Krisenkommunikation wurde wahlweise als intransparent, chaotisch oder wenig empathisch bezeichnet. Beispielsweise wurde recht schroff den Familienangehörigen, die Tote zu beklagen hatten, verboten, sich zu den Leichenhäusern zu begeben. Auch der Umgang mit den Tausenden Freiwilligen galt als wenig sensibel.

Mazón hat die Einrichtung einer Untersuchungskommission des valenzianischen Parlaments angekündigt und fordert Gleiches in den Cortes Generales in Madrid. Für den Wiederaufbau ist die Einrichtung einer gesonderten Vizepräsidentschaft sowie ein neues Ministerium mit einer neuen „Notfallkompetenz“.

 

Wie geht es weiter? Wiederaufbau und Finanzierung

Die spanische Regierung hat bisher zwei Hilfspakete in Höhe von insgesamt 14,373 Milliarden Euro im Rahmen eines sogenannten Plans für Soforthilfe, Wiederaufbau und Wiederbelebung der Autonomen Gemeinschaft Valencia auf den Weg gebracht. Diese umfassen neben direkten Hilfszahlungen auch Steuererleichterungen und Kredite. Zudem gibt es insgesamt 838 Millionen Euro Direkthilfen für Unternehmen und Selbständige. Dabei hat die Regierung einen Vorschuss von 50% aller Hilfsgelder genehmigt, die sofort an die Antragssteller ausgezahlt werden sollen. Auch sind Unternehmen, die ihre Arbeitnehmer in Kurzarbeit (ERTE) geschickt haben, bis Februar 2025 von den Sozialversicherungsbeiträgen befreit.

Die Regionalregierung reduziert ebenfalls finanzielle Lasten über temporäre Steuersenkungen oder -streichungen für die Betroffenen, organisiert Wohnraum, bietet psychologische Hilfe an oder will den Zugang zum Öffentlichen Nahverkehr kostenfrei stellen, damit eine Mindest-Mobilität erhalten bleibt.

Viele der übrigen Autonomen Regionen schickten in einem Akt der Solidarität schweres Gerät, Material, Firmen, Arbeitskräfte oder Busse mit Bußfahrern nach Valencia. Am wenigsten leisten Katalonien und das Baskenland, nach Madrid weitere wohlhabende Regionen.

Als problematischster Engpass wird nicht das Geld, sondern die fehlenden Arbeitskräfte angesehen. Aktuell werden dringend mindestens 30.000 Arbeitskräfte gesucht.

Zusätzlich zu diesen Notfallmaßnahmen sind laut der Regierung auch langfristige Maßnahmen geplant, die den Wiederaufbau und die Wiederherstellung wichtigster Infrastrukturen sowie eine Umgestaltung zur Anpassung an den Klimawandel vorsehen.

 

Die Folgen für die „große“ Politik

Mittlerweile ist bekannt, dass die Regierung Sánchez im Jahre 2021 die überschaubare Summe von 7 Mio. Euro für Maßnahmen ablehnte, die den nun am stärksten betroffenen Ort mit allein 61 Toten vor dem Schlimmsten bewahrt hätten. Zudem ist die Liste der geplanten, aber nicht umgesetzten Maßnahmen vom Staudammbau bis hin zu Renaturierungsmaßnahmen ziemlich lang, die allesamt in der Verantwortung der Nationalregierung lagen.

In besonderer Weise ist seine Ministerin für die ökologische Transformation und den demographischen Wandel, Teresa Ribera, involviert. Der Personalie Ribera kommt eine europäische Dimension zu, da sie als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft mit der wichtigen Kompetenz für Wettbewerb im Rennen ist. Die PP hat im Europäischen Parlament massiv gegen Teresa Ribera mobilisiert. Als Begründung wird auf ihre weitgehende Passivität in den entscheidenden Tagen sowie auf erhebliche Versäumnisse der Ministerin hingewiesen.

Am ersten Wochenende nach dem Katastrophentag hatten ca. 130.000 Menschen demonstriert. Differenziert wurde in der Hauptsache die Regionalregierung von Carlos Mazón, aber auch die Zentralregierung von Pedro Sánchez kritisiert. Eine Politisierung des Leids nehmen vorrangig die linksextremen und linkspopulistischen Partner in der Regierung Sánchez, Sumar und Podemos, vor. Deren Vertreter haben nur Stunden nach Bekanntwerden der großen Zahl der Todesopfer getweetet und geäußert, dass „dies ihr Moment sei“. Sie sahen nun die große Chance, die PP, die in Umfragen weit führte, zu schwächen.

Die PP befindet sich in einer Zwickmühle. Erst vor wenigen Monaten ist die rechtspopulistische Partei Vox aus der gemeinsamen Regierung mit der PP in Valencia ausgestiegen. Die PP verfügt über keine eigene Mehrheit, mit der sie Mazón durch einen unbelasteten Nachfolger oder Nachfolgerin ersetzen könnte. Immer wieder wird die Bürgermeisterin von Valencia, María José Catalá, genannt. Doch für einen Wechsel an der Spitze müsste sich die PP entweder in eine neue Abhängigkeit von Vox begeben, was sich diese teuer politisch honorieren lassen würde. Alternativ müsste die PP Neuwahlen ausrufen, was in der jetzigen Lage sozial, administrativ und politisch undenkbar erscheint.

Auch die PSOE vollzieht Volten in ihrer politischen Reaktion. Es fiel auf, dass sich Präsident Sánchez zunächst mit Rücktrittsforderungen in Richtung Mazón zurückhielt. Sein Verbleiben im Amt erschien Sánchez insofern hilfreich, da die Dauerdebatte um Verantwortlichkeiten und Versagen die PP insgesamt schwächen würde. Mazón erschien darüber hinaus als eine Art Schutzschild für zu kritisches Nachfragen hinsichtlich seiner Verantwortung.

Die massiven Verhinderungsanstrengungen der PP in Brüssel in Richtung Teresa Ribera haben Sánchez zu einer 180-Wende bewogen. Nun lässt er massiv Rücktrittsforderungen formulieren und vorschlagen, ein Übergangskabinett aus unpolitischen Fachleuten zu bilden und im Laufe des Jahres 2025 neu wählen zu lassen.

Interessant ist die Reaktion der Medien. Selbst konservative Zeitungen schildern das Versagen der PP-Regierung und fordern persönliche Konsequenzen sowohl seitens der PP-Verantwortlichen als auch seitens der Zentralregierung. Die regierungstreue Zeitung El País beschränkt sich darauf, die PP-Regionalregierung zu attackieren und ansonsten die Regierung Sánchez gegenüber Kritik an deren (Nicht-) Handeln zu verteidigen.

 

Zukünftiger Krisenmechanismus

Das Erdbeben von Lorca und die Covid-19-Krise hatten das Land in dem sicheren Glauben gelassen, gute Notfallpläne entwickelt zu haben. Die jüngste DANA zeigte jedoch, dass es sehr viel zu verbessern gilt. Aufgezählt werden adäquate Einweisungen der Bürger hinsichtlich ihres Verhaltens in Notfällen, ein verständliches, abgestuftes, automatisiert ablaufendes Warn-und Kommunikationssystem bis hin zu einem entschlosseneren Handeln der Verwaltungen.

Ein zentraler Punkt der notwendigen Neuregelungen wird die Kompetenzaufteilung zwischen der lokalen, regionalen und nationalen Ebene sein. Das ist staatsrechtlich nicht trivial. Zudem gilt es eine Balance zu finden: eine koordinierte, kraftvolle, im Zweifel zentral vorgegebene Vorgehensweise auf der einen Seite mit einem dezentral unterschiedlichen Vorgehen auf der Basis der unverzichtbaren Ortskenntnis auf der anderen Seite.  

Seitens der Wissenschaft wird darauf hingewiesen, dass diese Art von Naturkatastrophen im Prinzip vorhersehbar waren. Doch hätten sich weder Politik, Wirtschaft noch die Gesellschaft mental und tatsächlich darauf eingestellt. So sind notwendige Klimaanpassungsmaßnahmen im baulichen Bereich unterblieben, Grundstücke an Gefährdungspunkten ausgewiesen, verkauft und bebaut worden. Aber auch die industrielle und landwirtschaftliche Bodennutzung tragen im komplexen Kreislaufsystem des Wassers zu den Risiken bei. Aus diesem Grunde wird man nicht überall einfach 1:1 neu aufbauen können.

Schließlich wird Spanien auch hinsichtlich ihrer präventiven Zukunftsplanungen die lokale, regionale und nationale Ebene systematischer miteinander vernetzen müssen – unter Hintanstellung politischer Befindlichkeiten.


[1] Die DANA (Akronym für Depresión Aislada en Niveles Altos), auch als Kaltlufttropfen bezeichnet, bezeichnet das meteorologische Phänomen einer Luftmasse, die sich von einer kalten Strömung ablöst und über eine andere warme Luftmasse absinkt. Dadurch entstehen atmosphärische Störungen mit sehr starken Niederschlägen.

[2] In Form eines einfachen Königlichen Dekrets hätte Sánchez einen Alarmzustand ausrufen und die Kompetenz an sich ziehen können, während der ersten zwei Wochen ohne parlamentarische Mitwirkung eine schnelle und umfassende Koordinierungsfunktion zwischen den politischen Ebenen  wahrzunehmen und alle notwendigen nationalen Ressourcen zu mobilisieren. Der Alarmzustand (Ley orgánica 4/1981) wurde explizit für Naturkatastrophen großen Ausmaßes geschaffen - Flutkatastrophen werden explizit im Gesetz genannt (Art. 4 Absatz a).

Alternativ eröffnet das Zivilschutzgesetz (Ley 17/2015) dem Innenminister die Möglichkeit, auf eigene Initiative, auf Initiative der Regierungsdelegation in der entsprechenden Autonomen Gemeinschaft oder auf Bitten der betroffenen Regionalregierung einen nationalen Notstand auszurufen. In diesem Falle ist jedoch keine Aufgabenteilung mehr möglich. Der Innenminister handelt alleinverantwortlich, bis die akute Rettungsphase abgeschlossen ist.

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Dr. Ludger Gruber

Dr

Leiter des Auslandsbüros Spanien und Portugal

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