Einzeltitel
„Billionaire-Blue-Collar-Guy“
Als Trump seinen Hut in den Ring warf, ist er von allen unterschätzt worden. Einige meinten, er würde es nicht ernst meinen. Andere waren davon überzeugt, dass er aufgrund fehlender Erfahrung, seines Images sowie seines Hintergrunds keine Chance haben und sich selbst zerlegen würde. Das Gegenteil war der Fall: Trump verkörperte authentisch den „Billionaire-Blue-Collar-Guy“, wie es Ted Cruz‘ Kampagnenmanager Jeff Roe nannte.
Trumps Botschaft, seine Provokationen und Angriffe, waren in absolutem Einklang mit seiner Marke: stark, erfolgreich und politisch inkorrekt. Gerade letzteres war gepaart mit seiner glaubhaften Wut der Kitt zwischen dem Mann der Top-1-Prozent und der breiten Wählerschichten in den republikanischen Vorwahlen, die genauso fühlten.
Klar, Trump polarisierte von Anfang an. Kein Kandidat ging mit höheren Unbeliebtheitswerten in einen Vorwahlkampf. Allerdings hatte er im Gegensatz zu seinen Konkurrenten eine extrem hohe Bekanntheit und angesprochenes Image. Wirklich ungewöhnlich war, dass sich vom ersten Tag an fast 30 Prozent der republikanischen Vorwähler vorstellen konnten, Trump zu wählen. Das war in etwa der Wert seiner Beliebtheit.
Trump happens!?
Selbstverständlich hat man in den letzten Wochen viel Energie für die Beantwortung einer Frage verwendet: Wie konnte Trump passieren? Auch hier gilt aus Sicht der Kampagnen, dass man im Nachhinein immer schlauer ist.
Im Kern haben die Kampagnen die Mechanismen des Trump-Phänomens falsch eingeschätzt – was nicht verwundert, weil 2015/16 viele Kampagnen-Weisheiten über Bord geworfen werden mussten. Gerade die oben beschriebene Passgenauigkeit von Image, Botschaft und Zielgruppe gepaart mit der Sensationslust der Medien waren so nicht erwartet worden. Entsprechend hat man Trump zunächst ignoriert und daraufgesetzt, dass er sich selbst ins Aus schießen würde. Niemand war gerade in der frühen Phase der Kampagnen bereit Trump direkt anzugreifen.
Das „Ignorieren“ von Trump wurde dadurch verstärkt, dass Cruz, Bush, Rubio und Co. daraufsetzen, am Ende der Kandidat gegen Trump zu sein, und sich gegenseitig ausschalten wollten. So war das vergleichsweise große Kandidatenfeld der GOP häufig miteinander im Clinch während sich Trump einen nach dem anderen rauspicken konnte. Es gab keinen Zeitpunkt, zu dem sich alle anderen Kandidaten auf Trump gemeinsam einschossen. Im Gegenteil hoffte man, potentielle Konkurrenten hinter sich zu lassen. Beispielsweise sind der Verbleib im Rennen von Ben Carson nach Iowa und John Kasich nach ist rational nicht zu erklären.
Zusätzlich muss man feststellen, dass die Angriffe auf Trump sein Image und damit seine Position eher gestärkt haben, weil sie eher oberflächlich, im Trump-Stil vorgetragen worden sind. Jede Attacke auf Trumps Aussagen, seinen Charakter usw. gaben ihm somit nur erneut die Chance, politisch inkorrekt Stärke zu zeigen. Und was fast noch wichtiger ist: Jedes Gefecht lieferte zusätzliche Berichterstattung für Trump.
“Bad for the country, but good for the ratings“
Es gilt als gesicherte Annahme: Kein Kandidat vor Trump bekam jemals so viel mediale Beachtung. Und man sollte nicht vergessen, dass vor allem Fernsehen nach wie vor einer der wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche Kampagne ist. Bereits im März 2016 hat Trump Fernsehzeit bekommen, die ihn fast zwei Milliarden Dollar gekostet hätten, wäre es Werbung gewesen. Er war ein Vielfaches mehr zu sehen, als seine Konkurrenten. Warum? Trump machte Quote! Eine Harvard-Studie stellte zudem fest, dass bereits im Vorfeld der Vorwahlen der überwiegende Teil der Nachrichten positiv bzw. neutral waren. Ein Drittel hatte seine Wahlkampfauftritte und Aussagen im Fokus; 18 Prozent seine Themen und politische Einstellung.
Früh Positionieren und den Gegner definieren
Teil des Erfolgs von Trump war, dass er den Kampf zum Gegner brachte. Er lebte förmlich vom Konflikt. Dabei hat er immer wieder großes Geschickt bewiesen, seine Konkurrenten gezielt negativen „Deutungsrahmen“ zu geben. Ob in Reden, auf Twitter oder in Interviews – Trump definierte seine Gegner gezielt und v.a. unnachgiebig. Gleichzeitig hat er nicht nur häufig die Agenda gesetzt, sondern auch aktiv „Agenda-cutting“ betrieben. So diskreditierte er bspw. Mitt Romney (über Twitter und dann medial) schon bevor sich dieser angekündigt in einer Rede gegen Trump wendete. Auch rief er selbst in Talkshows an, die sich kritisch mit ihm auseinandersetzen.
Luftkrieg statt Bodentruppen
Trump hat auch ohne viel eigener Werbung den „Air War“ gewonnen. Daran besteht kein Zweifel. Das hat gereicht, um Spitzenkandidat der GOP zu werden. Aber nicht nur Militärs verweisen darauf, dass man ohne „Ground War“ nicht gewinnen kann. Trump aber hat keine Bodentruppen, also keine Organisation vor Ort, die ihm bei der Mobilisierung helfen könnte. Das ist ihm gleich anfangs in Iowa auf die Füße gefallen, als er für ihn unerwartet gegen Ted Cruz den Kürzeren zog. (Warum Ted Cruz aus Kampagnensicht einen erstklassigen Wahlkampf geführt hat, wird man sich auch noch mal anschauen müssen).
Experten gehen davon aus, dass die richtige Mobilisierung ein Plus von 3-5 Prozentpunkte beim Ergebnis ausmachen können. Bisher hat Trump jedoch davon nichts wissen wollen. Man könnte wegen der Gründe dafür spekulieren: Möglicherweise liegt es daran, dass sich Trump sehr stark aufs Branding konzentriert, aber vom Marketing – zumindest peer-to-peer – nicht viel versteht. Er weiß sich also als Person zu inszenieren, hat sich aber nie wirklich darum gekümmert, wie bspw. die Produkte mit seinem Namen verkauft worden.
Die Vorrunde ist vorbei, ein neues Spiel beginnt
Bereits Anfang September 2015 wussten bspw. die Kampagnenmanager von Ted Cruz, Jeff Roe und Jeb Bush, Danny Diaz, dass Trump ein riesiges Problem bedeuten würde. Jetzt ein Jahr später dreht sich alles darum, ob Trump nun auch Hillary Clinton schlagen kann. Grundsätzlich muss man in diesem Jahr festhalten: Alles ist möglich! Aber es gibt eine Reihe von Hinweisen, die darauf deuten, dass es Trump ab jetzt einiges schwerer haben wird. Seine sinkenden Umfragewerte könnten dafür auch jetzt schon ein Hinweis sein:
- Die Berichterstattung wird fundierter und kritischer an Punkten, die Trump wehtun: Es sagt zwar viel über die Medien aus, aber in dem Moment, in dem Trump der erwartete Spitzenkandidat der Republikaner geworden ist, begann man grundsätzlicher und hartnäckiger Fragen zu stellen. Als Beispiel sei hier die von Trump versprochenen, aber nicht geflossenen Spenden für Veteranen genannt; oder seine rassistischen Angriffe auf einen Richter, der einem Prozess gegen Trump vorsteht.
- Trump müsste anfangen, eine breite Wählerschicht anzusprechen. Die Koalition, die ihn zum Spitzenkandidat gemacht hat, wird nicht für einen Sieg am 8. November reichen. Ob er dafür die Lust und die Botschaft hat, scheint bisher jedenfalls zweifelhaft. Aktuell schafft es Trump nicht einmal, die Parteiführung hinter sich zu bringen. Im Gegenteil: Seine Aussagen führen immer wieder dazu, dass sie sich von ihm distanzieren müssen.
- Der Hauptwahlkampf ist ein noch mal anderes Spiel. Nicht nur Fundraising, sondern auch Daten und eine schlagkräftige Freiwilligenorganisation werden wichtiger. Alle drei Dinge hat Trump nicht.