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Die EU und ihre Mitgliedstaaten als Gestaltungsmacht in den Vereinten Nationen

von Sebastian Borchmeyer, Wasim Mir
In einer Situation, in der einzelne Großmächte die regelbasierte internationale Ordnung unterminieren, eine globale Pandemie unsere Staatengemeinschaft unter Bewährung stellt und Brexit zur Realität geworden ist, steht die EU vor neuen Herausforderungen in den Vereinten Nationen. Gleichzeitig bietet diese sich verändernde Dynamik eine einmalige Gelegenheit, die Arbeit der EU in den VN zu bewerten und zu verbessern. In einer neuen Studie der KAS New York wird untersucht, wie die EU und ihre Mitgliedstaaten auf diesem historischen Moment aufbauen können, um ihre Wirkung in den Vereinten Nationen zu vergrößern.

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Die globale COVID-19 Pandemie wie auch die aktuellen geopolitischen Veränderungen stellen die Vereinten Nationen vor beispiellosen Herausforderungen, die auch die Zukunftsfähigkeit der 75-jährigen Organisationen betreffen. Die Europäische Union (EU) und ihre Mitgliedstaaten haben seit der Gründung der VN eine entscheidende Rolle in ihrer Stärkung gespielt. Eine regelbasierte internationale Ordnung mit den VN als Zentrum ist von zentraler Bedeutung für die Erreichung der außenpolitischen Ziele der EU. Eine effektive EU-Präsenz in den VN trägt auch dazu bei, eine stärkere VN zu gewährleisten. Eine engere Koordinierung unter der Leitung der EU-Delegation hat Präsenz und Einfluß der EU in den VN in New York in den letzten acht Jahren vergrößert, aber weitere Schritte sind notwendig. Die EU ist zwar zu einer starken Stimme und einem Machtfaktor im gesamten VN-System geworden. Da die Vereinten Nationen jedoch nach wie vor in erster Linie eine Organisation sind, in der Nationalstaaten die entscheidenden Akteure sind, findet das Engagement und der Wirkungskreis der EU in den VN auch seine Grenzen. Dieser Umstand kann auch nicht durch einseitiges Handeln des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) oder der EU-Mitgliedstaaten geändert werden.

In einer Situation, in der einzelne Großmächte die regelbasierte internationale Ordnung unterminieren und das Vereinigte Königreich aus der EU ausgetreten ist, steht die EU vor neuen Herausforderungen in den VN. Gleichzeitig bietet diese sich verändernde Dynamik eine einmalige Gelegenheit, die Arbeit der EU in den VN zu bewerten und zu verbessern. In der vorliegenden Studie wird untersucht, wie die EU und ihre Mitgliedstaaten auf diesem historischen Moment aufbauen können, um ihre Wirkung in den Vereinten Nationen zu vergrößern. Die Studie analysiert insbesondere, wie die EU und ihre Mitgliedstaaten in der Generalversammlung der VN, im Sicherheitsrat, im Wirtschafts- und Sozialrat agieren und wie sie mit dem VN-Sekretariat und den in New York ansässigen VN Fonds und Programmes interagieren. Die Autoren geben praktische Empfehlungen zur Verbesserung des Wirkens der EU in den einzelnen Gremien ab, um eine weiterführende Diskussion innerhalb der EU und ihrer Mitgliedstaaten zu erreichen. Im Sinne der Autoren, liegt es nun bei den Leitern der Ständigen Vertretungen der EU-Mitgliedstaaten bei den VN in New York (Heads of Missions, HoMs), diese Empfehlungen gemeinsam zu prüfen und zu sondieren, welche sofort umgesetzt werden könnten und welche weiteren Überlegungen bedürften.
 

In Folge eine Auswahl der wichtigsten Empfehlungen für die Interaktion der EU mit UN-Institutionen:

  • Wir empfehlen den EU-HoMs zu erörtern, inwieweit die EU wirksamer auftreten kann, indem ihren Verhandlungsführern mehr Handlungsspielraum eingeräumt wird. Im Rahmen einer vorab vereinbarten allgemeinen politischen Linie besäßen EU-Delegation bzw. die Verhandlungsführer im Anschluß mehr Flexibilität bei der detaillierten Ausformulierung der Position.
  • Wir empfehlen EU-HoMs zu prüfen, wie die Autorität der 28 (27 plus EU) Ständigen Vertreter in New York besser als Kollektiv eingesetzt werden kann. Eine Arbeitsteilung beim Aufbau von engen Beziehungen zu anderen Botschaftern sollte einher gehen mit einer frühzeitigen Kontaktaufnahme vor dem eigentlichen Start von zwischenstaatlichen Verhandlungen.
Ursula von der Leyen bei einer Rede in der Generalversammlung der Vereinten Nationen UN Photo/Eskinder Debebe
Ursula von der Leyen bei einer Rede in der Generalversammlung der Vereinten Nationen
  • Wir empfehlen den EU-HoMs, alle drei Monate eine Prognose durchzuführen, um Herausforderungen bei künftigen Verhandlungen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen frühzeitig zu identifizieren. Dies könnte auch dem EAD dabei helfen bei prioritären Themen und Resolutionsformulierungen eine proaktivere Rolle einzunehmen.
  • Wir empfehlen, die Praxis eines gemeinsamen Auftritts bei Pressekonferenzen zu Sitzungen des Sicherheitsrates fortzusetzen. In Fällen, in denen die EU einen gemeinsamen Standpunkt vertritt, könnte der Leiter der EU-Delegation vorab zur Teilnahme ermächtigt werden. 
  • Wir empfehlen der Europäischen Kommission und den Mitgliedstaaten, außerbudgetäre Beiträge der EU an das VN-Sekretariat für vorrangige Arbeitsbereiche in Erwägung zu ziehen. Dies würde dem Generalsekretär der VN eine flexible Finanzierung seiner Prioritäten ermöglichen, ohne daß die Generalversammlung einbezogen werden müßte.
  • Wir empfehlen, auf strategischer Ebene die Diskussion zwischen dem Generalsekretär der VN und den Präsidenten der Europäischen Kommission und des Europäischen Rates wiederzubeleben, indem man den Generalsekretär der VN zu relevanten Sitzungen des Europäischen Rates einlädt.
  • Wir empfehlen der EU, das Thema „nachhaltige Entwicklung“ auch auf der Ebene der Ständigen Vertreter zu diskutieren, um Prioritäten und Herausforderungen in den verschiedenen Foren, in denen diese Themen erörtert werden (Generalversammlung, Wirtschafts- und Sozialrat und Exekutivgremien der VN-Fonds und -Programme), zu ermitteln.
  • Wir empfehlen, daß die EU auf der Grundlage des Beispiels des WFP-Exekutivrats einen Fahrplan für den Erwerb zusätzlicher Partizipationsrechte in den Exekutivgremien von UNDP / UNFPA und UNICEF entwickelt, um ihrer Position als wichtigster Geber außerhalb der Mitgliedstaaten gerecht zu werden.    
  • Wir empfehlen, daß die EU-Mitgliedstaaten vor den Sitzungen der Exekutivgremien von UN-Institutionen vom reinen Informationsaustausch hin zur behutsamen Koordinierung ihrer Positionen in New York übergehen, um den 'Team Europe' Ansatz zu ergänzen, bei dem die EU27 und die Europäische Kommission vor Ort zu einer gemeinsamen Programmplanung übergegangen sind.

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