Einzeltitel
CHINA SETZT ZUNEHMEND AUF DEN PRIVATSEKTOR
Als größter Energiekonsument und Verursacher von Treibhausgasen gab China bereits am Abend vor der UN-Klimakonferenz 2015 bekannt, dass es 3,1 Milliarden US-Dollar für Finanzhilfen zur Verfügung stellen würde, und begann, in dieser Hinsicht globale Führungsqualitäten zu beweisen. Mit wachsendem Interesse schaut der Rest der Welt nun auf das Reich der Mitte und darauf, wie diese beiden Trends – die Süd-Süd-Klimafinanzierung und die Beteiligung des Privatsektors – dort umgesetzt werden. Die chinesische Führung nutzte bereits die G20-Präsidentschaft im Jahr 2016, um während des Gipfels in Hangzhou die Bedeutung des Themas „Green Finance” zu unterstreichen und seine Bereitschaft zu signalisieren, künftig für umweltfreundliche Veränderungen einzutreten. Nichtsdestotrotz können globale Klimaschutzziele nur dann erreicht werden, wenn auch auf nationaler Ebene Gesetze verabschiedet werden, die Investitionen aus dem privaten Sektor anregen.
UMWELTPROBLEME STEHEN IM VORDERGRUND
Als eines der Länder, das am stärksten vom Klimawandel bedroht ist, spielt China eine zentrale Rolle bei der Verbesserung des Umweltschutzes. Besonders die Luftverschmutzung wird regelmäßig thematisiert, nicht zuletzt deswegen, weil im Nordosten Chinas immer wieder ganze Städte im gesundheitsschädlichen Smog verschwinden. Eine Umfrage von Bewohnern aus zehn chinesischen Städten durch den chinesischen Verband für erneuerbare Energien (CREIA) ergab, dass über 90 Prozent der städtischen Verbraucher bereit wären, mehr für „grünen Strom” aus erneuerbaren Energien zu bezahlen, um die Luftverschmutzung zu verringern. Dieses Ergebnis zeigt eine deutliche Verbesserung des Umweltbewusstseins der chinesischen Bevölkerung und unterstreicht gleichzeitig die Notwendigkeit eines Wechsels hin zu umweltfreundlichen Energiequellen.
Laut einer Statistik des Zentrums für Entwicklungsforschung des Staatsrats bräuchte China über den Zeitraum des 13. Fünfjahresplans (2016 bis 2020) jedes Jahr grüne Investitionen in Höhe von mindestens zwei Billionen Renminbi (315 Millionen US-Dollar), um seine Umweltprobleme effektiv zu bekämpfen. In den letzten zwei Jahren konnten die Zentral- und Provinzregierungen jedoch nur 200 Milliarden Renminbi für Investitionen in den Umweltschutz, Energieeinsparungen, die Erschließung erneuerbarer Energieprojekte und andere grüne Wirtschaftszweige zur Verfügung stellen. Aufgrund der finanziellen Einschränkungen der öffentlichen Hand ist zu erwarten, dass 85 bis 90 Prozent aller grünen Investitionen vom privaten Sektor finanziert werden müssen. Um eine stabile, nachhaltige Klimawende zu gewährleisten und Ressourcen aus dem privaten Sektor zu mobilisieren, ist es deshalb von größter Bedeutung, ein effektives grünes Finanzsystem zu entwickeln.
KONKRETE ZIELSETZUNGEN FÜR DIE AKTIVIERUNG VON PRIVATKAPITAL
Nur durch positive Signale auf nationaler Ebene kann eine Beteiligung des Privatsektors an der Klimafinanzierung garantiert und stimuliert werden. Bisher versuchte China sein Möglichstes, um die Ziele des Übereinkommens von Paris zu erreichen. Es verpflichtete sich, den Höhepunkt seiner Kohlenstoffemissionen vor dem Jahr 2030 zu erreichen und seine Emissionen gemessen an der Wirtschaftsleistung zu diesem Zeitpunkt auf 60 bis 65 Prozent des Niveaus von 2005 zu senken. Außerdem sollen nichtfossile Brennstoffe 20 Prozent des Primärenergieverbrauchs abdecken. In dem 2016 in Kraft getretenen 13. Fünfjahresplan legte die chinesische Regierung zudem „ökologische rote Linien” fest, die es nicht zu überschreiten gilt und die in zukünftigen Gesetzen eingehalten werden müssen. Bezüglich des Umweltschutzes gab es im 13. Fünfjahresplan mehrere Eckpunkte, die hervorzuheben sind: Zum einen legte die Regierung eine Obergrenze für den Energieverbrauch im Allgemeinen und den Kohleverbrauch im Besonderen fest; zum anderen forderte Premier Li Keqiang, dass schärfer gegen Luft- und Wasserverschmutzung vorgegangen werden müsse. Darüber hinaus wurde erstmals in Chinas Geschichte ein konkretes Ziel für den PM2,5-Messwert (Schadstoffpartikel mit einer Größe von 2,5 Mikrometern) der Luftqualität gesetzt.
Die People’s Bank of China – die Zentralbank des Landes – veröffentlichte im August 2016 gemeinsam mit sechs Ministerien Richtlinien für die Gestaltung eines grünen Finanzsystems. Diese Richtlinien sollen als Leitfaden für die Entwicklung grüner Finanzmechanismen zur Ermöglichung einer Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft dienen. Die Veröffentlichung solcher Richtlinien deutet an, dass die Zentralregierung eine klare Strategie für unterstützende Gesetzesvorschläge verfolgt, um ausreichend Sozialkapital zu erhalten und den grünen Wandel der Wirtschaft zu beschleunigen. Um Zweifel privater Investoren zu beseitigen, sendete die Zentralregierung in dieser Form positive Signale an die Finanzindustrie und grüne Unternehmen. In diesem Zusammenhang ist auch die nationale Belt and Road Initiative von Interesse. Nachdem das Programm zur Erschließung neuer Handelswege geplant wurde, nutzten Regierungen, Firmen und soziale Organisationen diese Investitionschance, um öffentlich-private Partnerschaften zu fördern und einen nachhaltigen, ökologischen Weg einzuschlagen.
MAßNAHMEN ZUR MOBILISIERUNG DES PRIVATSEKTORS
Ohne eine Kombination aus Staatsfinanzierungen und unterstützenden Gesetzen wird privates Kapital nicht automatisch in den grünen Sektor fließen. Besonders in Entwicklungsländern, die noch keinen reifen Finanzmarkt vorzuweisen haben, sind Investitionen in den grünen Sektor oftmals ein Problem, weil Regierungen den Großteil des Kapitaleinsatzes durch staatliche Finanzinstitutionen, Entwicklungsbanken und gesetzlich geförderte Kreditvergaben bestimmen. Chinas Zentralregierung führte zuletzt eine Reihe unterschiedlicher Maßnahmen ein, die grüne Investitionen mobilisieren sollen, u. a. einen eigenen Kohlenstoffmarkt, grüne Zertifikate, grüne Anleihen oder Bonitätsbewertungen, die Umweltschutzfaktoren mit einbeziehen.
Bereits 2005 verabschiedete die chinesische Regierung ein Gesetz für erneuerbare Energien, welches Energiekonzernen Einspeisevergütungen garantiert, um sicherzustellen, dass sich ein lukrativer Markt für erneuerbare Energien entwickeln kann. Seit 2009 zählt China zu einem der führenden Länder für erneuerbare Energien, obgleich ein großer Teil der produzierten Solar- und Windenergie nicht effektiv genutzt werden kann, da es regelmäßig zu Problemen mit Netzanschlüssen kommt. Die Abschaltungsrate von Wind- und Solarparks erreichte 2016 15 bis 19,6 Prozent, was auf lange Sicht dazu beitragen kann, dass weniger Geld in erneuerbare Energien investiert wird. Die chinesische Regierung versucht allerdings auch, Verbesserungen in diesem Bereich vorzunehmen. Die „Staatliche Kommission für Entwicklung und Reform” (NDRC) veröffentlichte 2017 ein Dokument, dessen Ziel es war, nachhaltigen Konsum, stärkere Koordination des Netzbetriebs und Subventionsmechanismen für ein Handelssystem mit grünen Zertifikaten zu fördern.
In den letzten Jahren entwickelte China sich zu einem der weltweit führenden Länder für grüne Anleihen. Im April 2015 veröffentlichten die People’s Bank of China und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) eine Reihe von Gesetzesvorschlägen und offiziellen Richtlinien für die Einführung eines Markts für grüne Anleihen und schon im Oktober 2015 kamen die ersten grünen Anleihen eines chinesischen Anbieters auf den Markt. Allein 2016 verkauften die Shanghai Pudong Development Bank, die Industrial Bank Co. und die Qingdao Bank grüne Anleihen im Wert von 7,5 Milliarden US-Dollar, was China zum größten Ausgabeland für Anleihen dieser Art machte.
Seit 2011 entwickelten sich mehrere Pilotregionen für den Emissionshandel in China. Sie erstrecken sich von den wohlhabenden Küstenregionen im Osten des Landes bis in die ärmeren Inlandsregionen. Über die letzten sechs Jahre sammelte China dadurch praktische Erfahrungen mit dem Emissionshandel und plant für 2017 die Eröffnung eines nationalen Kohlenstoffmarkts von noch nie dagewesener Größe. Der anfängliche Plan der chinesischen Regierung ist es, jährlich Emissionszertifikate für drei bis fünf Milliarden Tonnen Kohlenstoff auszustellen. Laut der NDRC identifizierte die Kommission bereits über 7.000 Unternehmen, die für etwa die Hälfte aller chinesischen Emissionen verantwortlich sind und Teil des Markts werden sollen. Aktuelle Tests zeigten allerdings deutliche Leistungsunterschiede beim Kohlenstoffhandel zwischen den unterschiedlichen Regionen Chinas. Kohlenstoffpreise sind mit 50 Renminbi pro Tonne nur in Peking stabil, während die Preise in Guangzhou und Wuhan bspw. bei gerade einmal zehn bis 20 Renminbi pro Tonne liegen. Auch gibt es große Unterschiede in Bezug auf die Beteiligung von Firmen am Kohlenstoffmarkt. Diese beiden Faktoren tragen dazu bei, dass sich die regionalen Kohlenstoffmärkte sehr unterschiedlich entwickeln.
CHINA STREBT NACH INTERNATIONALER FÜHRUNG
Da die wichtigsten Industrie- und Schwellenländer sowie die stärksten Erzeuger von Treibhausgasen Teil der G20 sind, hätte diese das Format und die nötigen Kapazitäten, um die Klimafinanzierung mit in ihr Arbeitsprogramm aufzunehmen. Der politische Anstoß für Bemühungen zur geringeren Nutzung von Kohlenstoff und Investitionen in umweltfreundliche Entwicklungen wäre damit gegeben. Bereits 2014 schlug China eine G20-Arbeitsgruppe für Klimafinanzierung vor. Die Zentralbanken Chinas und Großbritanniens sollten diese Gruppe leiten und am Ende einen zusammenfassenden Bericht über die Möglichkeiten für grüne Finanzierungen vorlegen. China nutzte außerdem seine G20-Präsidentschaft, um dafür zu werben, die Klimafinanzierung offiziell in die Tagesordnung künftiger Gipfel aufzunehmen und damit die hohe Bedeutung der Klimafinanzierung zu verdeutlichen.
Über die G20 hinaus kann China seine Führungsrolle innerhalb neuer Finanzinstitutionen wie der NDB oder der AIIB nutzen, um die kohlenstoffarme Förderung zu einem fundamentalen Teil dieser Institutionen zu machen. Die 2014 gegründete NDB stellte ihre ersten Kredite für vier Projekte in Brasilien, China, Indien und Südafrika bereit, die Kapazitäten für die Gewinnung erneuerbarer Energien verbessern sollen. Obgleich die Kredite als „grün” angesehen werden, kritisierten Vertreter zivilgesellschaftlicher Organisationen, dass die NDB bisher nicht näher erläutert habe, wie es die Öffentlichkeit mit einbeziehen und Rückmeldungen zu den Projekten entgegennehmen will. Derweil plant die AIIB, in die Infrastrukturprojekte im Rahmen der Belt and Road Initiative zu investieren. Zunächst beträgt das genehmigte Kapital der Bank 100 Milliarden US-Dollar, während das gezeichnete Kapital 50 Milliarden US-Dollar umfasst. Anders als bei der NDB wurden 2016 bei der Kreditvergabe der AIIB Richtlinien festgelegt, die dafür sorgen sollen, dass ein öffentliches Konsultationsverfahren stattfindet. Da es der Auftrag der AIIB ist, umfangreiche Infrastrukturprojekte in Entwicklungsländern zu finanzieren, wird für diese langfristig viel davon abhängen, ob die geplanten Projekte umweltfreundlich sind oder nicht. Bisher formulierte die AIIB allerdings noch keine Energiestrategie, die einen Wechsel von umweltbelastenden und unsicheren Energiequellen wie Kohle und Kernkraft zu umweltfreundlichen Energiequellen unterstützen würde. Zudem besteht weiter Nachholbedarf in Fragen der Transparenz sowie der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft. Sollte die AIIB es schaffen, in diesen Bereichen nachzubessern, könnte sie langfristig vielleicht sogar ihrem selbstauferlegten Image einer grünen und sauberen Entwicklungsbank gerecht werden.
ÜBER DIE AUTORIN
Dr. Xinlei Li ist außerordentliche Professorin für Politikwissenschaft und Öffentliche Verwaltung an der Shandong-Universität in Jinan, China.