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Konrad Repgen verstorben

Ein Nachruf

Der emeritierte Bonner Ordinarius Konrad Repgen ist am 2. April 2017 verstorben. Der Doyen der deutschen Katholizismusforschung hat als akademischer Lehrer, Wissenschaftsorganisator und Ratgeber für die katholische Kirche sowie die Union maßgeblichen Einfluss auf die deutsche Wissenschaftslandschaft ausgeübt.

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Jugend und akademischer Werdegang

Am 5. Mai 1923 in Friedrich-Wilhelms-Hütte bei Troisdorf als Sohn eines Lehrers geboren, lernte Repgen früh den diktatorischen Charakter des NS-Regimes kennen, als sein Vater als engagierter Zentrumsmann 1933 aus dem Dienst entlassen wurde. Nach dem Besuch des Bonner Beethoven-Gymnasiums diente Repgen vier Jahre als Soldat an der Ostfront, bevor er nach der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft an der Universität Bonn das Studium der Geschichte, Germanistik und lateinischen Philologie aufnahm. Im Frühneuzeitler Max Braubach, hervorgetreten durch seine monumentale Prinz-Eugen-Biographie, fand sich ein Mentor, der Konrad Repgens akademische Laufbahn förderte. Wesentlichen Einfluss auf ihn hatte auch der Kirchenhistoriker Hubert Jedin, der Erforscher des Tridentinums. Nach der Promotion 1950 über „Märzbewegung und Maiwahlen des Revolutionsjahres 1848 im Rheinland“ folgte ein Aufenthalt am Deutschen Historischen Institut in Rom, traditionell eine Designatio für höhere Weihen. Die 1958 von der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn angenommene Habilitationsschrift über „Die römische Kurie und der Westfälische Frieden“ zeigte schon eines der Lebensthemen, die Beschäftigung mit der Geschichte des Dreißigjährigen Krieges. Schon 1962 folgte ein Ruf an die Universität des Saarlandes, um dann 1967 den Konkordatslehrstuhl seines akademischen Lehrers Max Braubach an der Universität Bonn zu übernehmen, den er bis zu seiner Emeritierung 1988 innehatte.

Der Wissenschaftsorganisator

Als Repgen Anfang der 1960er Jahre in eine Position kam, in der er wissenschaftspolitisch Einfluss nehmen konnte, zeichnete sich eine aufkommende Übermacht linken Zeitgeistes in der Bundesrepublik bereits ab. Ein Gutteil von Konrad Repgens akademischer Tätigkeit war darauf gerichtet, die Kontroversen zu versachlichen, aber auch unsinnige linke Einlassungen zu entkräften. Die Kritik an der Rolle von Papst Pius XII., artikuliert in Hochhuths „Stellvertreter“, war wesentlich für den Aufbau der „Kommission für Zeitgeschichte“, die die Erforschung des deutschen Katholizismus der letzten beiden Jahrhunderte seitdem koordiniert. Konrad Repgen trieb – immer in kollegialer Zusammenarbeit mit dem Speyrer Historiker Rudolf Morsey – den Ausbau der Kommission und ihrer Editionsreihe voran. Unter seinem Vorsitz – von 1962 mit einer kurzen Unterbrechung bis 1993 – entwickelte sich die „Kommission“ zu einer Schaltstelle für eine qualitativ hervorragende Geschichtswissenschaft, deren Editionsreihe Maßstäbe bei der Kommentierung zeitgeschichtlicher Quellen gesetzt hat, und die trotzdem das „sentire cum ecclesia“ nicht verleugnet.

Auch in seinem zweiten Fachgebiet, der Frühen Neuzeit, war Konrad Repgen wissenschaftsorganisatorisch prägend. Maßgeblich auf ihn geht der Ausbau einer Arbeitsstelle zur Veröffentlichung der diplomatischen Akten im Umfeld des Westfälischen Friedens zurück, der „Vereinigung zur Erforschung der neueren Geschichte“ (VENG), die die „Acta Pacis Westfalicae“ herausgibt. Beide Institutionen sind in Bonn angesiedelt.

Die wissenschaftlichen Kontroversen

Konrad Repgen ist einer der letzten Historiker, der der Atomisierung seiner wissenschaftlichen Disziplin im Zuge immer weitergehender Spezialisierung getrotzt hat und der dennoch epochenübergreifend immer an vorderster Front des wissenschaftlichen Fortschritts stand. Gerade dieser breite Horizont hat aber auch zu einer gesunden Skepsis gegenüber allen Moden der historischen Disziplin geführt, insbesondere dann, wenn er den Eindruck hatte, dass ernsthafte Quellenarbeit durch publiziertes Sekundärwissen ersetzt werden sollte. Den von Historikern der „Bielefelder Schule“ reklamierten „Paradigmenwechsel“ hin zu einer historischen Sozialwissenschaft hat Repgen dezidiert (und, so möchte man aus der Rückschau sagen: erfolgreich) abgelehnt. An der Bonner Universität ließ sich Konrad Repgen auch in den stürmischen Zeiten nach 1968 nicht von krawallbereiten Studenten irritieren; legendär ist eine Sitzung der Philosophischen Fakultät, bei der sich der Germanist Benno von Wiese von seinen Assistenten aus dem Fenster hieven ließ, während Repgen und sein ähnlich rückgratbehafteter Kollege Karl Dietrich Bracher erhobenen Hauptes die Stellung hielten. Diese und ähnliche Erfahrungen führten dazu, dass Repgen sich stark im „Bund Freiheit der Wissenschaft“ engagierte. Anfeindungen wegen seiner katholisch-konservativen Grundhaltung wehrte er souverän und tolerant ab; im Historischen Seminar gab es beispielsweise eine Ausgabe der Sammlung seiner Aufsätze „Von der Reformation zur Gegenwart“, in die ein wenig differenziert denkender Kommilitone die Warnung: „Vorsicht! Klero-Faschist!“ geschmiert hatte. Abgeschreckt hat dies unter den Bonner Studenten, die die immer hervorragend vorbereiteten Seminare bei Repgen schätzten, kaum jemanden. Die in seiner Zeit fast immer sozialdemokratisch geführte Düsseldorfer Landesregierung hegte hingegen deutlich weniger Wohlwollen für ihn, da sich der im besten Sinne des Wortes „Konservative“ Konrad Repgen häufig publizistisch gut vernehmbar gegen die Aufweichung von Bildungsstandards wandte.

Epochemachend für die kirchliche Zeitgeschichte war die sogenannte Repgen-Scholder-Kontroverse, bei der Repgen die These des evangelischen Kirchenhistorikers Klaus Scholder in Frage stellte, der ein Junktim zwischen dem Abschluss des Reichskonkordats 1933 und der Selbstauflösung der Zentrumspartei postuliert hatte. Diese Auseinandersetzung bewegte sich auf hohem wissenschaftlichem Niveau und trug wesentlich zur Klärung der diplomatischen Abläufe in der ersten Jahreshälfte 1933 bei. Der achtungsvolle persönliche Umgang beider Kontrahenten miteinander, die sich fachlich nichts schenkten, war eine Sternstunde bundesdeutschen Wissenschaftsdiskurses.

Die umfangreiche organisatorische Arbeit und Repgens Engagement in den wissenschaftspolitischen Kontroversen kosteten freilich viel Zeit. Fast zweihundert Einzelpublikationen hat er veröffentlicht, aber leider hat der vielleicht beste Kenner des Dreißigjährigen Krieges in Deutschland keine Monographie zu seinem wissenschaftlichen Lebensthema publiziert. Wer seinen prägnanten Artikel zu diesem Stichwort in der „Theologischen Realenzyklopädie“ gelesen hat, mag erahnen, welchen Verlust dies darstellt. Die wissenschaftliche Bedeutung seiner Arbeiten steht jedoch außer Frage, und neben den üblichen Ehrungen für einen Gelehrten seines Ranges, vom Bundesverdienstkreuz über alle nennenswerten päpstlichen Auszeichnungen bis hin zu Mitgliedschaften u.a. in der British Academy, ist wohl vor allem der Historikerpreis der Stadt Münster zu nennen, den sie Konrad Repgen zum 350-jährigen Jubiläum des Westfälischen Friedens 1998 verliehen hat.

Der akademische Lehrer

Der Einfluss eines Ordinarius zeigt sich immer auch darin, inwieweit er im Personengefüge der deutschen Universitäten über seine Schüler weiterwirken kann; mit an die fünfzig Promotionen und sieben Habilitationen ist ihr Kreis groß. Konrad Repgen ist dieses Weiterwirken mit dem Sozialhistoriker Hans Günter Hockerts in München, den Frühneuzeitlern Franz Bosbach in Duisburg-Essen und Christoph Kampmann in Marburg sowie dem Neuzeitler Ulrich von Hehl in Leipzig, um nur einige seiner arrivierten Schüler zu nennen, in ungewöhnlichem Maße vergönnt gewesen. Diese Gruppe von Historikern wurde einflussreich in der bundesdeutschen Geschichtswissenschaft. Sie sind, sei es als Mitglieder des E.V. oder Herausgeber der „Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte“, als Beiratsmitglieder der „Historisch-Politischen Mitteilungen“ oder als wissenschaftliche Betreuer ungezählter KAS-Stipendiaten, der Konrad-Adenauer-Stiftung immer verbunden geblieben. Auch in der KAS selbst hat Repgen seine Spuren hinterlassen: Klaus Gotto, der kürzlich verstorbene Gründer und erste Leiter des ACDP, hat bei ihm promoviert und kam über die „Kommission für Zeitgeschichte“ in die Stiftung; und auch sein Nachfolger Günter Buchstab war zuerst bei Repgen Geschäftsführer der VENG, bevor er in die Stiftung wechselte.

In der Zusammenschau sind neben den allseits anerkannten Meriten auf dem Gebiet der frühneuzeitlichen Geschichte wohl vor allem Konrad Repgens wissenschaftsorganisatorische Leistungen wesentlich, auch wenn sie in der deutschen Öffentlichkeit viel weniger wahrgenommen wurden. Repgen hat eben nicht nur als akademischer Lehrer gewirkt, sondern auch und vielleicht auch vor allem als der spiritus rector der organisatorischen Neuaufstellung der konservativ ausgerichteten Geschichtswissenschaft in der Bundesrepublik.

Wolfgang Tischner

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