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Länderberichte

Die Wagnergruppe in Belarus

von Dr. Roza Turarbekava, Pavel Tsereschkowitsch, Jakob Wöllenstein

Mögliche Szenarien auf Grundlage ihrer bisherigen Tätigkeit weltweit

Die alarmierenden Berichte über die Verlagerung des Privaten Militärunternehmens (PMU) Wagner nach Belarus nach dem abgebrochenen „Marsch auf Moskau“ werfen eine Reihe von Fragen mit Blick auf die nationale und regionale Sicherheit auf: Wird die Wagner-Gruppe in Belarus als politischer Akteur auftreten? Welche „Instrumente“ aus bisherigen Einsätzen in anderen Erdteilen könnte sie zur Anwendung bringen? Und welche Gefahr droht für die Ukraine und NATO-Länder, wenn Lukaschenka offen über „Ausflüge“ seiner neuen Gäste nach Polen fantasiert?

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Einleitung

Die Wagnergruppe wurde 2014 von Personen gegründet, die über Kampferfahrungen aus Afghanistan in den 1980er Jahren und Jugoslawien in den 1990er Jahren verfügen. Speziell waren dies: Gruppenkommandeur Dmitry Utkin (Oberstleutnant der GRU im Ruhestand), der stellvertretende Kommandant Andrei Troshev (Oberst des Innenministeriums im Ruhestand), Andrei Bogatov (Oberst der Luftlandetruppen im Ruhestand), Alexander Kuznetsov (Major der Spezialeinheiten im Ruhestand). Neben Prigozhin gehört nach Recherchen der Novaya Gazeta auch Generaloberst Alexei Dyumin, heute Gouverneur der Region Tula, zu den Gründern des PMU Wagner.

Die Gründung erfolgte damals auf ausdrücklichen politischen Wunsch des Kreml, um eine Reihe spezieller Militäroperationen in der Ukraine durchzuführen. Obwohl es sich bei der Wagner-Gruppe formal um ein Privatunternehmen handelt, wurde diese paramilitärische Formation seit Beginn vom russischen Staat finanziert, wie Putin jüngst offen zugab. Mit ihrem weitreichenden „Portfolio“ an Militäroperationen in Dutzenden von Ländern auf der ganzen Welt, vor allem in Afrika, ist „Wagner“ eines der 10 größten privaten Militärunternehmen der Welt.

Trotz mancher Gemeinsamkeiten mit anderen PMU weist die Wagner-Gruppe eine Reihe von Besonderheiten auf.

Erstens unterhält sie äußerst enge Beziehungen zu den russischen Sicherheitsdiensten sowie dem Verteidigungs- und Außenministerium. Es ist kein Zufall, dass sie oft als "Putins Privatarmee" bezeichnet wird.

Zweitens macht sie das relativ niedrige Niveau der „Gebühren“ für ihre „Dienstleistungen“ zu dem billigsten Militärunternehmen der Welt macht.

Drittens ist die ideologische Motivation der Mitarbeiter des Unternehmens relativ hoch. Es ist bekannt, dass eine Reihe ihrer Gründer und Kommandeure der rechtsextremen „Russischen Imperialen Bewegung“ angehören, die für die Wiederherstellung der Monarchie eintritt, verbunden mit Ideen von weißer Vorherrschaft, Antisemitismus und Ukrainophobie. Innerhalb der Gruppe gibt es eine eigene Angriffseinheit "Rusitsch", die die Ideologie des Neuheidentums (Rodnoverija) vertritt, das in seiner Ausrichtung und Symbolik dem Nationalsozialismus nahesteht. Es gibt eine Reihe von Beispielen für die Verwendung von Nazi-Symbolen durch die "Wagner"-Gruppe, darunter Embleme der SS.

Viertens zeichnet sich die Wagner-Gruppe dadurch aus, dass sie in einer Reihe von Fällen die Aufgabe erfüllt, die politische Kontrolle über die herrschende Elite und/oder Staats- und Regierungschefs eines Landes sicherzustellen, in dem sie tätig ist. Zu diesem Zweck werden neben der eigentlichen militärischen Gewalt auch „politische Beratung“, Arbeit mit Medien, Sozialen Netzwerken, Filmmaterialien und sogar Kunstobjekte eingesetzt. Damit stellt sich die Gruppe Wagner deutlich breiter auf, als viele andere paramilitärische Formationen.

 

Erfahrungen aus Afrika: Formen der Tätigkeit

Da Afrika bislang ein zentrales Betätigungsfeld der Wagner-Gruppe war – es liegen Informationen über die Präsenz der Gruppe in knapp der Hälfte aller (!) afrikanischer Staaten[1] vor – lohnt sich ein genauerer Blick auf ihre dortigen Tätigkeiten, um mögliche Prognosen für Belarus ziehen zu können.

 

Ausbildung von Militärpersonal durch Ausbilder

Dies ist eine der häufigsten Dienstleistungen, die sowohl von PMUs als auch von regulären Streitkräften im Rahmen internationaler Missionen erbracht werden. Für die Gruppe Wagner ist die Personalausbildung oft eine Form der anfänglichen Infiltration, eine Tarnung für andere Operationen. In jedem Fall bedeutet Personalausbildung den Aufbau persönlicher Beziehungen sowohl zu den Auszubildenden als auch zu ihren Befehlshabern, die dann genutzt werden können, um den Einfluss zu vergrößern oder die politische Kontrolle über ein Land zu erlangen. Berichten zufolge gehört zum Ausbildungsprogramm der Wagner-Gruppe nicht nur die Schulung in Waffen und Kampftaktik, sondern auch in Spionage, Verhör- und Foltertechniken.

 

Bewachung wertvoller Bodenschätze

Dies ist ebenfalls eine typische Dienstleistung Privater Militärunternehmen, die häufig für die Infiltration ins Land genutzt wird. In der Regel werden solche Bodenschätze ausgewählt, deren Abbau und Transport keine großen Kosten verursachen. Die bekanntesten Beispiele sind der „Schutz“ von Gold-, Uran- und Diamantenvorkommen im Sudan, Gold und Diamanten in der Zentralafrikanischen Republik, Gold in Mali usw. In diesem Fall werden als Bezahlung für den Schutz und andere Dienstleistungen Anteile an den Einnahmen oder Lizenzen für den Abbau eines Teils der Mineralien eingefordert.

 

Schutz hochrangiger Beamter und politischer Persönlichkeiten

In diesem Fall nutzt die Wagner-Gruppe die Widersprüche innerhalb einer herrschenden Elite und das Misstrauen des Staatsoberhauptes gegenüber seinen eigenen Sicherheitsstrukturen und Streitkräften. Dies ist eines der offensichtlichsten Instrumente, um politische Kontrolle auf Kosten der persönlichen Abhängigkeit, etwa eines Staatschefs, von der Wagner-Gruppe zu erlangen. Es ist bekannt, dass neben den eigenen Kräften von Wagner auch andere russische Unternehmen wie „Patriot“, die auf den Schutz von VIPs spezialisiert ist, eingesetzt werden.

 

Kampfeinsätzen gegen „Rebellen“

Die typischsten Beispiele solcher Einsätze gegen Gruppen, die sich gegen die Zentralregierung stellen, sind die Aktionen der Wagner-Gruppe in der Zentralafrikanischen Republik, Mali und Mosambik. Es gibt Berichte, wonach Wagner zur Steigerung der „Nachfrage“ auf eigene Provokationen zurückgreift, um die interne Situation im Land zu verschärfen (z. B. Elfenbeinküste).

 

Einmischung in politische Prozesse

Es gibt eine Reihe von Beispielen, bei denen die Wagner-Gruppe ihre Dienste bei der Durchführung von Wahlkampagnen angeboten oder versucht hat, deren Verlauf zu beeinflussen, u.a. in Kamerun, Madagaskar, Simbabwe, Sambia und Simbabwe. Die Gruppe bietet etwa Beratung durch ihre politischen Experten oder Unterstützung bei der Durchführung soziologischer Untersuchungen an. Dies ist eine der am wenigsten erfolgreichen Aktivitäten Wagners in Afrika. Bei den Präsidentschaftswahlen in Madagaskar 2018 unterstützten ihre politischen Berater mehrere Kandidaten gleichzeitig, doch keiner von ihnen konnte gewinnen.

 

Medienarbeit

Die Experten der Gruppe versuchen, die öffentliche Meinung in den Ländern, in denen sie tätig sind, aktiv zu beeinflussen. Zu diesem Zweck nutzen sie soziale Netzwerke, wie etwa zahlreiche Konten bei Instagram, Facebook usw. Im Jahr 2018-2019 hatten sie alle gemeinsam mehr als 1,7 Millionen Abonnenten. Die Wagner-Gruppe positioniert sich als Garant von Stabilität und Sicherheit. In der Zentralafrikanischen Republik und in Mosambik wurden Propagandafilme über die Kampfeinsätze der Söldner gedreht und in der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik, Bangui sogar ein Denkmal für die „Wagnerianer“ errichtet.

In Afrika hat sich die Wagner-Gruppe entsprechend darauf spezialisiert, staatliche Eliten sowie Entscheidungsträger in Politik und Sicherheitsstrukturen durch Infiltration und Schaffung unmittelbarer Abhängigkeitsverhältnisse unter ihre Kontrolle zu bringen. Dafür lässt sie sich gut bezahlen, etwa durch Zugriff auf Bodenschätze. Ihre „Experten“ wirken aktiv an der Manipulation der öffentlichen Meinung mit und greifen in politische Prozesse ein. Es liegt nahe, dass sie mit diesen Erfahrungen und dem Arsenal an Instrumenten versuchen könnte, auch in Belarus Einfluss – wenn nicht gar Kontrolle – über politische Prozesse zu gewinnen.

 

Erfahrungen aus der Ukraine: von hybriden Aktionen zu großen Militäroperationen

In der Ukraine war das PMU Wagner bereits seit den Tagen der Krimannexion aktiv. Wie auch die damalige russische Informations- und Militäroperation begann sie zunächst mit „hybriden“ Aktivitäten. Dazu zählen Sabotageaktionen, Blockaden, die Einnahme von Verwaltungsgebäuden und militärischen Einheiten oder die Entwaffnung ukrainischer Soldaten auf der Krim. Viele der berüchtigten „grünen Männchen“ waren Wagnersöldner in Uniform ohne Hoheitsabzeichen.

In den ostukrainischen Gebieten Luhansk und Donezk hingegen trat Wagner bereits in den Jahren 2014-2015 offener auf. Die Söldner besetzten Berichten zufolge Siedlungen, Waffen- und Munitionsdepots und waren direkt an den Kämpfen um den Flughafen von Luhansk im Sommer 2014 und an der Schlacht um Debalzewe Anfang 2015 beteiligt.

Sieben Jahre später nahm Wagner dann auch am offenen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine teil. Im Februar/März 2022 waren sie an der Vorbereitung von Attentaten auf den ukrainischen Präsidenten Zelenskij beteiligt. Die Kämpfe mit Wagner-Beteiligung im Gebiet von Bakhmut und Soledar bis zum Sommer 2023 zeichneten sich sodann durch ihr brutales Vorgehen und insbesondere den Einsatz Zehntausender Krimineller aus, die die Gruppe Wagner als „Verbrauchsmaterial“ zur Erstürmung ukrainischer Stellungen direkt aus Gefängnissen rekrutiert hatte. Derartige „Organisationsformen“ sind von keinem anderen PMU der Welt bekannt. Auch in die Massaker an Zivilisten in Butscha sollen die Söldner verwickelt gewesen sein. Dabei trat Wagner-Chef Prigoschin insbesondere ab Frühjahr 2023 immer stärker auch als öffentlicher Kritiker der russischen Armeeführung in Erscheinung, was letztlich in der offenen Konfrontation, auch mit Putin direkt, gipfelte.

 

Kontext Belarus: Der „Umzug“ von Wagner und mögliche Szenarien

Nach dem abgebrochenem „Marsch der Gerechtigkeit“ auf Moskau am 23. und 24. Juni 2023 lobte Lukaschenkos Pressedienst dessen erfolgreiche Gespräche, die Russland vor einem Blutbad bewahrt haben sollen. Während der anschließende Verhandlungsprozess und die Entwaffnung der Wagner-Kämpfer drei bis vier Wochen andauerten kam es schließlich zur erwarteten Verlegung von Teilen der Wagner-Gruppe nach Belarus. Prigoschin registrierte seine Firma Concord Management and Consulting LLC offiziell im belarusischen Dorf Tsel bei Osipowitschi, wo auch die Wagnertruppen untergebracht werden sollen. Der Beobachtungskanal Belaruski Hajun registrierte am 20. Juli die Verlegung von neun Kolonnen an Söldnern, was etwa 5.000 Mann entspricht.

Trotz der außergewöhnlichen Situation haben die belarusischen Behörden noch keine Antworten auf zentrale Fragen wie Anzahl und Bedingungen des Aufenthalts von „Wagner“ gegeben. Lukaschenko nannte in dem Zusammenhang bislang nur, dass Wagnerleute an der Ausbildung belarusischer Kräfte und zum Erfahrungstransfer eingesetzt würde. Erste gemeinsame Trainings mit belarusischen Spezialkräften in der Region Brest wurden bereits dokumentiert. Doch auch eine „Beteiligung in allen Bereichen“ der Landesverteidigung schloss er nicht aus. Das belarussische Verteidigungsministerium erklärte zudem, dass ein „Fahrplan“ für die Zusammenarbeit mit der Gruppe entwickelt wurde, der den Transfer von Kampferfahrung vorsieht. Was kann das bedeuten? 

Einige Beobachter vermuten, dass die Wagnergruppe Belarus als Ausgangsbasis für exterritoriale Einsätze nutzen könnte, etwa in Afrika und dem Nahen Osten. Für Belarus und die Region hingegen kommen ausgehend von oben skizzierten Formen der Aktivitäten der Wagner-Gruppe folgende Szenarien in Frage – abhängig davon, wie viele Söldner letztlich nach Belarus verlegt werden:

 

Bei weniger als 8.000 Truppen:

1. Infiltration durch Ausbildung, Aufbau von persönlichen Beziehungen zu Kommandanten und einfachen Soldaten. Dies kann die Rekrutierung in die eigenen Strukturen beinhalten, etwa von Offizieren, die in den Ruhestand gehen, oder von Reserveoffizieren. Ausbau der Beziehungen im Hinblick auf eine mögliche weitere Koordinierung im Falle künftiger gemeinsamer Operationen. Es ist von entscheidender Bedeutung zu verstehen, wie sich die Beziehungen zwischen Wagnerianern und belarusischen Offizieren der unteren und mittleren Ebene entwickeln werden.

2. Medienunterstützung und politische Beratung. Förderung der Eigeninteressen der Gruppe, Schaffung eines positiven Images durch soziale Netzwerke, Durchführung von Umfragen in der Bevölkerung. Arbeit von Soziologen und Politikexperten, die mit der Gruppe verbunden sind, um die politische Agenda bei Wahlen zu beeinflussen (wie in Afrika geschehen).

3. Angebot von „Sicherheitsdienstleistungen“, etwa für Regierungsbeamte und das Staatsoberhaupt. Schüren von Misstrauen gegenüber den nationalen Nachrichtendiensten und der politischen Elite als Mittel zur Herstellung politischer Kontrolle (wie in Afrika geschehen).

Prigozhin und seine Befehlshaber können diese Aktivitäten nutzen, um ihre Position in Belarus zu stärken und zu einem politischen Akteur in den Beziehungen zwischen Lukaschenka und Putin zu werden. Vielleicht mit dem Ziel, ihren politischen Einfluss im Land zu etablieren bis hin zu einer faktischen Kontrollübernahme (siehe Zentralafrikanische Republik, Mali, in geringerem Maße auch Libyen).

 

Bei 8.000 – 10.000 Truppen:

1. Gemeinsame hybride Operationen mit den belarusischen Streitkräften im Grenzgebiet in Richtung Ukraine. Blockade und Beschlagnahmung von Verwaltungsgebäuden, Militäreinheiten und deren Entwaffnung (Erfahrungen der Krim und des Donbas 2014).

2. Subversive Operationen in der Ukraine, etwa die Besetzung einzelner Siedlungen oder von Lagerhäusern mit Waffen und Munition (Erfahrungen aus dem Donbas und der Invasion 2022-2023).

 

Bei mehr als 10.000 Truppen:

In diesem Fall wäre es möglich, größere militärische Aktionen gegen das Territorium der Ukraine zu starten und die belarusische Armee darin zu verwickeln. Auch Sabotageoperationen auf dem Territorium von NATO-Staaten wie Litauen, Lettland wären nicht auszuschließen. Lukaschenka selbst äußerte offen, dass die Wagnersöldner darauf drängen, einen „Ausflug“ nach Warschau oder Rzeszów zu unternehmen. Letztere ist die polnische Stadt im Südosten des Landes, die als zentraler logistischer Knotenpunkt für die militärische Versorgung der Ukraine aus dem Westen dient.

Beides würde eine Ausweitung des bewaffneten Konflikts bedeuten, der im Interesse des Kremls, aber nicht in seinem Namen initiiert werden könnte. Nachdem Putin offen zugegeben hatte, dass die Wagnergruppe direkt durch den russischen Staat finanziert wird, wäre es zwar noch schwieriger als vorher, dessen Verwicklung abzustreiten. Jedoch könnte es das Kalkül des Kremls sein, bei einer Provokation gegen NATO-Gebiet durch Söldner über das Territorium eines Drittstaats die Verantwortung zu „teilen“. In jedem Fall würde so auch Belarus zur möglichen Zielscheibe für Vergeltungsschläge. Die Minsker Staatspropaganda scheint sich bereits darauf einzustellen, indem sie von „polnischen Angriffsplänen gegen den Unionsstaat“ spricht.

Im Moment dürfte die vorherrschende Stimmung gegen ein aktives Eintreten in den Krieg seitens der belarusischen Bevölkerung, die auch in die Armee hineinreicht, derartige Aktivitäten seitens Wagner einhegen. Genauso überwacht der belarusische Geheimdienst KGB die Gruppe genau. Lukaschenka weiß, dass ihm die Wagnertruppe, wenn sie zu stark wird und erneut politische Ambitionen entwickelt, ihm auch ganz persönlich gefährlich werden kann. Der Westen hingegen sollte weiter den Druck erhöhen. Ein Mittel dazu ist die Anerkennung der Wagnergruppe als terroristische Organisation.

 

Bedeutung der Anerkennung von Wagner als Terrororganisation

Nach russischem wie belarusischem Recht ist die Formierung einer bewaffneten Organisation wie der Wagnergruppe illegal.

Die Grundlagen für die Anerkennung von Wagner als Terrororganisation ergeben sich aber vor allem aus der Beteiligung an Kriegsverbrechen. Schon vor Butscha geriet Wagner in Ländern wie Mali und der Zentralafrikanischen Republik im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung ins Blickfeld internationaler Menschenrechtsorganisationen oder des UN-Menschenrechtsrats. Die EU und die USA haben seit 2020 Sanktionen gegen Prigozhin verhängt, weil die Wagner-Gruppe an den Kämpfen auf der Seite von General Haftar in Libyen beteiligt war. Seit Russlands offenem Angriffskrieg und der Ausweitung der kriminellen Aktivitäten der Gruppe wird sie zunehmend als bedeutende transnationale kriminelle Organisation eingestuft. So verabschiedeten die USA am 26. Januar 2023 ein Paket von Sanktionen gegen sie und ihre Partner, das auf ihren neuen „Status“ als internationale kriminelle Organisation hinweist.

Seit Herbst 2022 gibt es eine wachsende Bewegung zur Anerkennung der Wagner-Gruppe als terroristische Organisation. Vor allem Parlamentarier der EU, der USA, des Vereinigten Königreichs und Frankreichs machten entsprechende Vorschläge. Litauen hat Wagner bereits als terroristische Organisation anerkannt. Auch die Parlamentarische Versammlung der OSZE hat eine Resolution verabschiedet, in der die Wagner-Gruppe als terroristische Organisation eingestuft wird.

Wenn eine solche Anerkennung in der EU und den USA ohne größeren zeitlichen Verzug erfolgen sollte, also bereits in den nächsten anderthalb Jahren, könnte dies und die damit verbundenen Folgen womöglich auch eine abschreckende Wirkung auf Lukaschenka entfalten.

 

[1] Zu den 23 bekannten Ländern gehören die Zentralafrikanische Republik, Libyen, Sudan, Südsudan, Somalia, Mosambik, Madagaskar, Simbabwe, Uganda, Tansania, Simbabwe, Eswatini, Mali, die Demokratische Republik Kongo, Kongo Brazzaville, die Komoren, Kamerun, Tschad, Burundi, Botswana, Lesotho, Äquatorialguinea, Sambia und Südafrika.

 

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Jakob Wöllenstein

Jakob Wöllenstein

Leiter des Auslandsbüros Belarus

jakob.woellenstein@kas.de +370 5 212 22 94 +370 5 2122294

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