Veranstaltungsberichte
Zu Beginn rief der Poetry-Slamer, Julian Heun, in seinem Text dazu auf, bei politischen Fragestellungen nicht zu pauschalisieren. „Lasst es uns kompliziert machen!“, war das Fazit seines Beitrags. Anschließend unterhielten sich Frauke Gottwald, Referentin für Strategieentwicklung und Planung in der Konrad-Adenauer-Stiftung, der Koautor der Shell-Jugendstudie, Ingo Leven, von TNS Infratest, Professor Dr. Paul Nolte von der Freien Universität Berlin und Nathan Pohl, ein Schüler des Canisius-Kollegs mit Moderatorin, Shelly Kupferberg.
Mit den unterschiedlichen Altersklassen, die das Podium abbildete, unterschieden sich auch die Ereignisse, die zur Politisierung der Diskutanten geführt haben. So war für Frauke Gottwald der Mauerfall ein einschneidendes Erlebnis. Ingo Leven war durch seine Kindheit und Jugend im geteilten Berlin und der Präsenz der Mauer vom Ost-West-Konflikt betroffen. „Für mich war somit schon früh klar, dass Freiheit nicht selbstverständlich ist“, erzählt er. Paul Nolte erinnert sich dagegen vor allem an die Protestzeit der 68er-Bewegung und die grundlegende Unangepasstheit seiner Generation in der Jugend. Nathan Pohl, der jüngste Teilnehmer der Runde, benennt den Arabischen Frühling als Schlüsselereignis für sein Demokratieverständnis. „Meine ganze Familie hat beim Tod von Muammar al-Gaddafi zusammen auf dem Fernseher die Nachrichten verfolgt“, berichtet er.
Trotz der internationalen Spannungen sei die Demokratie in Deutschland sehr stabil, stellt der Historiker, Paul Nolte, fest. „Wir haben nicht nur eine besondere wirtschaftliche Stabilität, sondern auch ein relativ stabiles Parteiensystem.“, berichtet er. Außerdem sei die Zustimmung der Bevölkerung für wichtige demokratische Institutionen wie dem Bundesverfassungsgericht oder dem Bundespräsidenten sehr hoch. Nicht zuletzt werde die Demokratie auch durch das ehrenamtliche Engagement über alle Generationen hinweg gestärkt. Die antidemokratischen Tendenzen in Deutschland beunruhigen ihn zum jetzigen Zeitpunkt nicht: „Dabei handelt es sich momentan um eine kleine Nische“, meint er.
Nathan Pohl sieht in der weitgehend stabilen Lage im Land einen Grund für die abnehmende politische Beteiligung seiner Generation. „Viele sind mit ihrer Situation zufrieden und sehen daher auch keinen Grund, etwas zu ändern“, berichtet er. Dieser Beobachtung kann Ingo Leven nur zustimmen. „Zusätzlich haben sich allerdings auch die politischen Ausdrucksformen verändert“, erklärt er. Während parteipolitisches Engagement nicht mehr so verbreitet sei, beteiligten sich viele zum Beispiel an Online-Petitionen. „Allgemein ist bei jungen Menschen vor allem das projektbezogene Engagement attraktiv“, sagt Leven. „Bei direktem Engagement in Projekten, zum Beispiel während der Flüchtlingskrise oder bei einer Flutkatastrophe sieht man im Gegensatz zur Parteiarbeit mit vielen Gremien oft sehr schnell ein direktes Ergebnis.“
Dennoch sieht Prof. Dr. Nolte auch Vorteile im klar organisierten Engagement und rät jedem, nicht zu zögern, wenn es darum geht, in eine Partei einzutreten. Nathan Pohl ist dagegen kritisch und fühlt sich mit seinen Interessen nicht immer von der Politik wahrgenommen. „Themen, die einmal für die junge Generation wichtig sein werden, werden im Wahlkampf zu wenig besprochen“, findet er. Um die Distanz zwischen Politikern und den jungen Wählern zu verringern, gibt Frauke Gottwald den jungen Zuhörern den Hinweis, das Gespräch mit Politikern einzufordern und ihr Interesse klar zu adressieren. „Jeder kann sich mit seinen Anliegen zum Beispiel an seinen Direktkandidaten im Wahlkreis wenden“, sagt sie.
In einem sind sich auf dem Podium alle einig: Durch die demographische Entwicklung in Deutschland ist die jüngere Generation weniger wichtig, wenn es darum geht Wahlen zu gewinnen. Ein mögliches Instrument, dem entgegenzuwirken, ist die Senkung des Wahlalters. Die Meinungen der Schüler dazu sind allerdings gespalten. Einerseits wünschen sich manche, schon früher aktiv am politischen Leben teilnehmen zu können, andererseits fürchten andere eine Überforderung bei der Wahlentscheidung, da die politische Bildung in den unteren Klassen vonseiten der Schule noch nicht stark genug verfolgt werde. Frauke Gottwald sieht in diesem Ansatz jedoch auch eine Motivation, sich früher mit dem politischen Geschehen auseinanderzusetzen.
Das Familienwahlrecht, also eine Regelung, bei der die Eltern von der Geburt an bis zum Erreichen des Wahlalters die Stimme für ihr Kind abgeben können, wäre eine weitere Möglichkeit den jüngeren mehr Gewicht zu verschaffen. Dieser Idee steht Paul Nolte allerdings kritisch gegenüber. „Ich sehe darin eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes.“, sagt er. Beim Thema Rechtspopulismus fordern einige Schüler, die Sorgen der AfD-Wähler ernst zu nehmen. „In einer Demokratie herrscht das Volk und zum Volk gehören auch AfD-Wähler. Deshalb sollten die Parteien der Mitte alles versuchen, um diese Wähler von ihren Inhalten zu überzeugen und sie zurückzugewinnen.“, erklärt eine Oberstufenschülerin.
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