Smart-City-Konzepte haben sich als Instrumente für eine zukunftsfähige Stadtentwicklung etabliert. In der Breite werden ihre Mehrwerte noch zu wenig sichtbar und ihre Potentiale nicht hinreichend systematisch genutzt. Um vorhandene Datenbestände der Städte besser für die Auswertung und Simulation von spezifischen städtischen Abläufen zu nutzen, datenbasierte Anwendungsszenarien besser darauf aufzusetzen und Insellösungen zu vermeiden, sollte Smart City als Plattform verstanden und organisiert werden. Als konzeptionelles Zielbild für dieses Verständnis bietet sich die Adaption von sogenannten Digitalen Zwillingen aus der Industrie für Städte und Kommunen an.
Ein Urbaner Digitaler Zwilling (UDZ) bildet die digitalen Ressourcen einer Kommune ab, wobei technische, organisatorische und rechtliche Aspekte eine Rolle spielen. Sie sind ein Konzept zur Organisation und Nutzbarmachung aller Daten, die innerhalb eines definierten Bereiches der Stadt anfallen. Daraus ergibt sich ein realitätsnahes digitales Abbild eines „Stadtausschnittes“, das zur Auswertung und Simulation von spezifischen städtischen Situationen oder Abläufen verwendet werden kann.
Bisher gab es jedoch keine einheitliche Sicht bzw. einen Standard für Urbane Digitale Zwillinge. Ein Konsortium aus Kommunen, Wissenschaft und Praxis hat nunmehr im Rahmen eines DIN SPEC-Verfahrens einen (nationalen) Standard „zur Übertragung des Konzepts Digitaler Zwilling auf den urbanen Raum, u. a. durch die Darstellung und Beschreibung von Anwendungsszenarien, Datenzugriffs- und Visualisierungsmethoden, sowie die Nutzung von verfügbaren Standards" erarbeitet und als DIN SPEC 91607 veröffentlicht.
Bei der Präsentation des neuen Standards im Rahmen eines Fachgesprächs der Konrad-Adenauer-Stiftung am 17. Oktober 2024 erläuterte Stefan Kelnberger vom DIN Deutsches Institut für Normung e.V. die Rahmenbedingungen eines DIN SPEC Prozesses für das gemeinschaftliche Erarbeiten von Standards in einem Konsortium. Er betonte die Schnelligkeit, Flexibilität, Reputation und Einfachheit des Prozesses durch die Unterstützung des DIN e.V. Dazu gehören auch der Abgleich mit bestehenden nationalen wie auch internationalen Normen oder Standards sowie der fachliche Austausch, der auch über das Smart City Standards Forum des DIN e.V. organisiert wird.
Joachim Schonowski, Konsortionalführer des 32 Mitglieder umfassenden Konsortiums, beschrieb die zentralen Elemente des neuen Standards: die Definition, das Konzept und die Fähigkeiten Urbaner Digitaler Zwillinge (UDZ), die als Basis für einen modularen Aufbau und einem Reifegradmodell dienen. Er erläuterte die verschiedenen Stufen der integrierten kommunalen Dateninfrastruktur und die notwendigen Schritte von den Rohdaten bis hin zur Handlungsebene mit Hilfe einer Erkenntnispyramide. Er erklärte den technischen Aufbau, der durch Analyse- und Darstellungsmethoden, eine übergreifende UDZ-spezifische Referenzarchitektur, sowie Capabilities abgebildet wird. Außerdem wurden mögliche Nutzungsszenarien übergreifenden, praxisbezogenen Anwendungsfällen zugeordnet, die mit Hilfe einer strukturierten Vorlage dokumentiert werden und damit für die Nutzung zugänglich sind.
Stellvertretend für das bundesgeförderte „Connected Urban Twin“-Projekt (CUT), das die Erstellung des Standards mitinitiierte und maßgeblich finanziell unterstützte, beleuchtete Dr. Nicole Schubbe drei ausgewählte Anwendungsfälle aus der Praxis der am Projekt beteiligten Städte Hamburg, Leipzig und München. Sowohl bei der Kitanetzplanung in Leipzig, der integrierten Quartiersauswahl im Kontext der Schaffung klimaneutraler und klimaresilienter Quartiere in München und der frühen Begleitung von Planungsverfahren in Hamburg zeigte sich, dass der Geobasiszwilling die Basis für Urbane Digitale Zwillinge ist, eine aktuelle und realitätsgetreue Datenbasis die wichtigste Grundlage darstellt und Interoperabilität, durch offene herstellerunabhängige Schnittstellen und Standards zwischen allen Komponenten gegeben sein muss.
In der Diskussion zu den Impulsen des neuen Standards für die Praxis betonte Joachim Schonowski, dass der neue Standard auch als deutscher Beitrag für die internationale Standardisierung wahrgenommen werden soll und dafür eine englische Übersetzung des DIN SPEC Dokuments folgen wird. Mandana Moshrefzadeh, Teamleiterin beim GeodatenService der Stadt München und ebenfalls am CUT-Projekt beteiligt, berichtete von den positiven Effekten, die eine ressortübergreifende Kooperation bei der Umsetzung von UDZ-Projekten in der Verwaltung erzeugt. Dazu gehört die Motivation, die eigenen Silos zu verlassen aber beispielsweise auch die notwendige Lernkurve beim Verständnis von Open Data in diesem Kontext. Mathias Boedecker, Projektleiter Geodatenmanagement aus Leipzig, verwies auf die Möglichkeit, durch Kooperationen mit zivilgesellschaftlichen Akteuren ("civic science") die Datenbasis zu erweitern. Dabei sei es jedoch notwendig, die Vorgaben zur Datenqualität von Anfang an klar zu definieren. Mit Blick auf die geringeren Ressourcen von kleineren Kommunen für die Umsetzung solcher Projekte riet Katja Gehrmann, Mitarbeiterin im Smart-City-Team der Stadt Halle, zu mehr interkommunaler Zusammenarbeit.
Hinweis: Die entsprechenden Präsentationen finden Sie in der rechten Marginalspalte verlinkt.
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