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Wie gefährlich sind die Foreign Fighters?
Die Gefahr durch Islamisten, die in Syrien und im Irak für den sogenannten Islamischen Staat (IS) oder andere islamistische Gruppierungen gekämpft haben und über illegale Wege nach Europa reisen, ist umstritten. Einerseits ist die Beteiligung von diesen Foreign Fighters, also hauptsächlich Männern, die im Ausland Kampferfahrung sammeln, bei Anschlägen in Europa bisher relativ gering. Viel häufiger ist der Fall, dass Anschläge von sogenannten „Einsamen Wölfen“ verübt werden: Das sind Attentäter oder Gruppen von europäischen Dschihad-Sympathisanten, die zwar Kontakt zu IS-Kämpfern haben, aber nicht selbst in diesen Kriegsgebieten kämpften. Andererseits besteht jedoch die akute Gefahr, dass ehemalige IS-Kämpfer über Marokko nach Spanien gelangen können, wo schon etablierte radikale Netzwerke bestehen, wie der letzte Anschlag in Barcelona zeigte.
Aus diesem Grund verstärkt die Europäische Union den Schutz der EU-Außengrenzen: hauptsächlich um illegale Migration zu verhindern, aber eben auch unter dem Gesichtspunkt der Terrorbekämpfung. Denn noch immer kämpfen Menschen aus Europa und dem Westbalkan in Syrien und im Irak. Mehr als 5.800 sollen insgesamt ausgereist sein, vermutet Europol in einem Bericht von Juni 2017.
Rückkehrer teilweise erst drei bis fünf Jahre nach der Einreise aktiv
Zusätzlich muss man in Betracht ziehen, dass die Gefahr, die von Foreign Fighters ausgeht, von langfristiger Natur sein könnte. Das zeigen Erfahrungen aus Australien. Dorthin kehrten nach dem Afghanistankrieg 30 Personen vom Hindukusch zurück und 20 davon begingen sicherheitsrelevante Straftaten. Dies geschah allerdings teilweise erst drei bis fünf Jahre nach ihrer Einreise. Die australische Bundespolizei warnt daher vor den Kämpfern, die sich jetzt noch im Nahen Osten aufhalten und empfiehlt eine verstärkte Zusammenarbeit: durch Informationsaustausch mit Partnerländern vor Ort wie der Türkei, aber auch zwischen Geheimdiensten und Polizei.
Mehr Kooperation ist auch unbedingt ein Ziel in Brüssel. In seiner Rede zur Lage der Union am 13. September machte Juncker deutlich: „Gemeinsame Grenzen und gemeinsamer Grenzschutz gehören zusammen.“ Und so werden die etwa 100.000 Grenzschützer der Mitgliedstaaten jetzt durch 1.700 EU-Beamte unterstützt. Auch das Schengen-Informationssystem nutzten die nationalen Grenzbehörden 2016 doppelt so häufig wie noch 2014, nämlich knapp vier Milliarden Mal. Und das EU-weite „Radicalisation Awareness Network“(RAN) bringt Praktiker aus allen Mitgliedstaaten zusammen, um sich über neueste Erkenntnisse und Erfahrungen im Kampf gegen gewalttätigen Extremismus austauschen zu können. Denn „ein effektiver Informationsaustausch ist das Schlüssel-Element im Kampf gegen den Terrorismus“, findet die EU-Kommission.
Und doch gibt es auf internationaler Ebene Verbesserungsbedarf, gerade um die unerkannte Reise von Kämpfern nach Europa festzustellen und zu unterbinden: So wünschen sich EU-Terrorabwehr-Spezialisten beispielsweise Daten von militärischen Einsätzen, um – in einem Ideal-Szenario – Fingerabdrücke von Waffen, die in Syrien oder Irak nach Kampfeinsätzen konfisziert wurden, mit den Fingerabdrücken von Einreisenden an den EU-Außengrenzen zu vergleichen.
Radikalisierung in Europa
Doch selbst die striktesten Grenzsicherungsmaßnahmen werden den Terror nicht stoppen können. Denn ein Großteil radikalisiert sich nicht im Ausland, sondern in Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien oder Spanien, wie zuletzt die Attentäter von Barcelona zeigen: EU-Behörden, die sich mit der Terrorismusabwehr beschäftigen, sind sich einig, dass die Gefahr in großem Maße in Europa selbst liegt, was durch eine stets höher werdende Anzahl von radikalisierten Frauen und Konvertiten, und steigenden Verbindungen zwischen radikalen Islamisten und Kriminalität, deutlich wird.
Gerade deswegen bereitet auch die Situation in den Gefängnissen den Sicherheitsdiensten Sorgen. Erst vor kurzem gab das Bundeskriminalamt ein Merkblatt für JVA-Beamte heraus, wie man Dschihadisten erkennen kann. Doch Islamisten sind heute gar nicht mehr so leicht zu identifizieren: Die Radikalsten tragen mitunter keinen Bart, beten nicht, trinken Alkohol und kleiden sich nicht typisch – und doch rekrutieren sie Nachwuchs.
Online-Propaganda, Rekrutierung und Hate Speech
Radikalisierung durch persönliche Kontakte und Netzwerke ist das eine, weit verbreitet ist genauso Online-Propaganda und -Rekrutierung. Für beides ist das Internet jedoch immer noch das „Tool Nummer Eins“ in Europa. Deswegen ist auch dieses im Brüsseler Fokus: „Wir bekämpfen verstärkt terroristische Propaganda und Radikalisierung im Internet“, sagte Juncker in seiner Rede am 13. September. Das erledigt die „ EU Internet Referral Unit“ von Europol. Diese Einheit meldet beispielsweise Google oder Facebook terroristische Inhalte auf deren Plattformen, und zu 80 bis 90 Prozent löschen die Unternehmen diese dann, meistens innerhalb von 48 Stunden.
Online-Kommunikation ist auch sehr wichtig für die Strafverfolgungsbehörden in Australien. Dort arbeiten die verschiedenen Polizeibehörden auf Bundes- und auf Staatenebene eng mit den Nachrichtendiensten zusammen. Das Problem dort ist nur, dass die Geheimdienste ihre Erkenntnisse nicht immer vor Gericht verwenden dürfen oder können. Schließlich müssen sie auch ihre Informationsquellen schützen.
Australien hat in den letzten Jahren einen Lernprozess bei der Terrorismus-Abwehr durchmachen müssen: Erfolgreiche Arbeit ist nur möglich bei entsprechender Kooperation auf allen Ebenen. Und eine solche fruchtbare Zusammenarbeit findet auch bereits zwischen der EU und Australien statt. Im August diesen Jahres wurde das sogenannte „EU–Australia Framework Agreement“ unterzeichnet, das die enge Zusammenarbeit durch formale Dialoge, unter anderem im Bereich der Terrorismusabwehr bekräftigt. Denn islamistischer Terrorismus ist ein globales Phänomen.
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