Was ist Heimat?
Was macht Heimat und Identität für jeden einzelnen aus? Für die Gäste der Diskussionsrunde sieht die Antwort auf diese Frage ganz unterschiedlich aus. Mal ist Heimat der Ort, an dem die Familie lebt, mal sind es Menschen, die einen so akzeptieren wie man ist. Für Dr. Michael Blume ist Heimat der christliche Glaube, für Birgül Akpinar sind es die Lichter und Gerüche des Weihnachtsmarktes und für Thomas Kielinger, der in Danzig geboren wurde und heute in Großbritannien lebt, ist es die deutsche Sprache. Die beiden Poetry Slammer Bas Böttcher und Dalibor Markovic verbinden mit Heimat Werte wie Gemeinschaft, Zusammenhalt und Hilfsbereitschaft. „Wo ich wohne, ist Heimat“, fassen sie das Motto des Adenauer Lab in Reim und Vers zusammen. Wie können wir jedoch die Werte, die uns in Deutschland besonders wichtig sind und die unsere Identität ausmachen, schützen und anderen Menschen näher bringen? Für Birgül Akpinar kann ein gesundes nationales Wir-Gefühl nur dann entstehen, wenn wir unsere eigene Kultur und Grundwerte wie Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Sozialstaat selber besser verstehen und verinnerlichen. „Wir halten unsere Werte nicht hoch genug“, sagt die CDU-Politikerin aus Baden-Württemberg. Man könne andere Menschen jedoch nicht per Gesetz dazu bringen, bestimmte Werte zu achten. Auch für Prof. Barbara John, die mehr als 20 Jahre als Ausländerbeauftragte des Berliner Senats tätig war und heute als Vorstandsvorsitzende den Paritätischen Wohlfahrtsverband leitet, steht fest, dass eine Wertevermittlung nicht durch die Verteilung von Merkblättern oder Leitfäden gelingen kann. Um Menschen aus anderen Kulturen bestimmte Werte zu vermitteln und sie in unsere Gesellschaft zu integrieren, müsse man viel mehr tun. „Wir haben heute zwar bessere Maßnahmen und mehr Deutschkurse, eine bessere Integration haben wir jedoch nicht“, merkt John kritisch an.
Wie kann Integration gelingen?
Moderatorin Maria Grunwald verdeutlicht gleich zu Beginn der Diskussionsrunde, dass die Themen Heimat und Identität angesichts der derzeitigen Flüchtlingskrise eine ganz neue Dimension hinzugewonnen haben. Einig sind sich die Teilnehmer des Adenauer-Lab, dass eine erfolgreiche Integration nur gelingen kann, wenn die Flüchtlinge möglichst schnell die Chance auf einen Arbeitsplatz erhalten. „Wir dürfen die Flüchtlinge nicht mit Werten bombardieren, sondern müssen Ihnen Arbeitsmöglichkeiten bieten“, sagt auch der ehemalige WELT-Korrespondent Thomas Kielinger. Kritisch sieht der in Großbritannien lebende Journalist, dass selbst Menschen wie der in Berlin geborene Fußballer Jérôme Boateng nicht von allen ganz selbstverständlich als Deutsche angesehen werden. „Deutschland muss toleranter werden“, fordert Kielinger. Birgül Akpinar betont, dass es für eine erfolgreiche Integration unerlässlich ist, sich der neuen Kultur zu öffnen und die Bereitschaft zu zeigen, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. „Integration ist eine innere Einstellung“, so Akpinar. Dr. Michael Blume, Referatsleiter Kirche und Religion, Integration und Werte im Staatsministerium Baden-Württemberg, erinnert schließlich daran, dass Integration nicht von heute auf morgen erfolgen kann, sondern Zeit braucht. „Integration, Demokratie und Europa sind allesamt Prozesse“, sagt der Religionswissenschaftler, der mit einer Türkin verheiratet ist.
Die Flüchtlingskrise als Zerreißprobe für Europa?
„Europa als Wertegemeinschaft ist gefordert“, stellt Andreas Kleine-Kraneburg, Leiter der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung, angesichts der vielfältigen Herausforderungen in Europa – sei es Flüchtlingskrise, Schuldenkrise, oder drohender Brexit - in seiner Begrüßungsrede fest. Doch besteht überhaupt noch Einigkeit darüber, wofür Europa heute steht? „Wir haben eher zu wenig Europa“, sagt der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, der dem Adenauer-Lab direkt aus Straßburg zugeschaltet ist. „Deutschland kann es nicht gut gehen, wenn es Europa schlecht geht“, so Wieland weiter. In der Flüchtlingskrise hätten die europäischen Länder bereits vor einigen Jahren eine gemeinsame Strategie erarbeiten müssen. Stattdessen wäre viel Zeit verschenkt worden. Gergely Pröhle, ehemaliger Botschafter Ungarns in Deutschland und heute stellvertretender Staatssekretär für Internationale und EU-Angelegenheiten im Ministerium für Gesellschaftliche Ressourcen Ungarns, steht der Forderung nach „mehr Europa“ skeptisch gegenüber. Er stört sich daran, dass die EU Ländern per Quote vorschreiben will, wie viele Flüchtlinge aufgenommen werden müssen. „Dieses Quotensystem hat nichts mit Solidarität zu tun“, so Pröhle. Die EU-Staaten sollten vielmehr gemeinsam Lösungen in den Nachbarstaaten der Krisenländer finden und finanzielle Unterstützung leisten. „Das Flüchtlingsthema ist kein europäisches, sondern ein weltweites Thema“, merkt Professor Barbara John an. Europa allein könne die Herausforderungen nicht bewältigen. Was wir brauchen, sei ein vollkommen neues Schutz- und Hilfesystem. Einzelne Länder Europas für ihre Haltung in der Flüchtlingskrise an den Pranger zu stellen, davon hält Barbara John jedoch nichts. „Mit dem Finger auf den Partner zeigen, kann keine Ehe aushalten, auch keine europäische“, so John.
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