Veranstaltungsberichte
Das KAS Regionalprogramm Politischer Dialog Südliches Mittelmeer lud Vertreter von Wirtschaftsorganisationen, Handelskammern und Hochschulen, und Unternehmer und Wissenschaftler aus Algerien, Marokko und Tunesien am 27. September 2016 zu einer Konferenz nach Casablanca ein um die bestehenden Herausforderungen für Wirtschaftswachstum und regionale Integration in Nordafrika zu diskutieren. Das Ziel der Konferenz war es, mögliche neue Ansätze finden, um in Zusammenarbeit mit der EU diese Herausforderungen zu überwinden.
Die Beziehungen zwischen den Ländern Nordafrikas und der Europäischen Union sind vielschichtig. So sind die südlichen Nachbarn gleichzeitig auch einer der wichtigsten Partner der EU, und umgekehrt, und bilden die wichtigste Verbindungsstelle zwischen Europa und Subsahara-Afrika. Diese Konstellation eröffnet für die Länder Nordafrikas eine wichtige Chance am Wirtschaftswachstum des afrikanischen Kontinents teilzuhaben und gleichzeitig Zugang zum europäischen Markt, europäischen Produkten, Wissen und Investment zu genießen. Um die Partnerschaft jedoch für beide Seiten wirklich gewinnbringend zu gestalten, müssen EU Investitionen in Nordafrika merklich erhöht werden, durch Entwicklungsbanken als auch private Unternehmen, und der Zugang zu europäischen Märkten für Produkte und Services aus Nordafrika weiter geöffnet werden. Das größte – bislang ungenutzte – Potential für Wirtschaftswachstum liegt jedoch in der regionalen Integration zwischen den nordafrikanischen Staaten untereinander.
Zu Beginn der Konferenz lenkten Dr. Canan Atilgan, Direktorin des KAS Regionalprogramms Politischer Dialog Südliches Mittelmeer, und Slim Kchouk, Präsident der Deutschen Außenhandelskammer (AHK) in Marokko das Augenmerk auf die Herausforderungen für Wirtschaftswachstum und Reform in Nordafrika. Gleichzeitig betonten sie jedoch auch die Potenziale, die eine vertiefte regionale Integration und eine bessere Partnerschaft mit der EU bieten. Dr. Canan Atilgan brachte ihren Wunsch zum Ausdruck, dass im Rahmen der Konferenz konkrete Vorschläge für eine bessere Kooperation zwischen der EU und den Staaten Nordafrikas gefunden werden können.
In insgesamt fünf Panels diskutierten die Teilnehmer den aktuellen Entwicklungsstand der nordafrikanischen Wirtschaften, Potenziale und Hindernisse in Bezug auf regionale Integration, die notwendigen Rahmenbedingungen für steigende Investitionen in der Region und die Rolle des öffentlichen und privaten Sektors in diesem Bereich, als auch Prioritäten für den andauernden Reformprozess – sowohl im wirtschaftlichen als auch politischen Bereich – und die Chancen die sich durch eine verbesserte Partnerschaft mit der EU bieten.
Als eines der großen Hindernisse auf dem Weg zu inklusivem und anhaltendem Wirtschaftswachstum wurden die schlechte Qualität der Bildungseinrichtungen und die Diskrepanz zwischen Qualifikationsangebot und Qualifikationsnachfrage des Arbeitsmarktes betont. Die Teilnehmer waren sich einig, dass eine Reform des Bildungssystems unter Einbezug des Privatsektors einen unerlässlichen Schritt für die bessere Qualifikation der Humanressourcen ihrer Länder und damit für Wirtschaftswachstum darstellt. Da jedoch auch der Privatsektor nicht alle Arbeitssuchenden absorbieren kann ist darüber hinaus die Förderung des Unternehmergeists und Unterstützung für junge Unternehmensgründer unerlässlich für die Schaffung ausreichender Arbeitsplätze. Ein gestärktes Unternehmertum wird überdies als positiver Beitrag für Innovation und die Entwicklung zu einer wissensbasierten Wirtschaft gesehen.
Ein weiterer Schwerpunkt der Diskussion war die Frage nach den Ursachen der anhaltend schwachen wirtschaftlichen Integration zwischen nordafrikanischen Staaten, sowohl hinsichtlich Handel als auch Investitionen. Als Gründe wurden vor allem fehlende infrastrukturelle Anbindung, die allgemein unvorteilhaften Geschäfts- und Investitionsbedingungen und Misstrauen zwischen den Staaten identifiziert.
Darüber hinaus betonten einige Sprecher die Notwendigkeit einer „Re-Industrialisierung“ ihrer Länder um die Herstellung wertschöpfungsintensiver Produkte für die heimischen Märkte und den Export zu fördern. Insbesondere „neue“ Industriezweige wie die Automobilindustrie und die Luft- und Raumfahrtindustrie können hierbei als treibende Kraft für Wirtschaftswachstum agieren. Die Förderung neuer Industriezweige ist auch im Kontext der angestrebten Diversifikation der Wirtschaft zu sehen, um langfristiges Wirtschaftswachstum zu ermöglichen das nicht von einigen wenigen Sektoren abhängig ist.
Bezüglich der Beziehung Nordafrikas mit der EU wurde angemerkt, dass die Beziehung durch die beschränkte Öffnung europäischer Märkte für nordafrikanische Produkte asymmetrisch bleibt und somit eine stärkere Partnerschaft behindert. In diesem Kontext diskutierten die Teilnehmer auch kritisch die EU Assoziierungsabkommen ihrer Länder. Des Weiteren merkte ein Sprecher an, dass die niedrige Investitionsrate europäischer Unternehmen in Nordafrika ein Zeichen der andauernden Wahrnehmung Nordafrikas als Markt, jedoch nicht als Investitionsstandort, sei.
In den abschließenden Bemerkungen richteten Raouf ben Debba, Präsident der Deutsch-Tunesischen Außenhandelskammer, und Helmut Reifeld, Leiter des KAS Auslandsbüros in Marokko, das Augenmerk auf die Zukunft der Beziehungen zwischen EU und Nordafrika und betonten die Notwendigkeit neuer Ansätze für eine vertiefte Partnerschaft.
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