Nach einer Begrüßung durch Caroline Kanter, Stellv. Leiterin der Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit, hielt Dr. Michael Meister MdB, Staatssekretär a.D. und Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für den Stabilitäts- und Wachstumspakt, einen Impulsvortrag über die Bedeutung von effektiven, einheitlichen Regeln für die fiskalische Stabilität der EU. In der darauffolgenden Podiumsdiskussion mit Sylvie Goulard, Vize-Präsidentin a.D. der Banque de France, Yannick Bury MdB, ebenfalls Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für den Stabilitäts- und Wachstumspakt, sowie Prof. Dr. Thiess Büttner, Inhaber des Lehrstuhls für Finanzwissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, und moderiert von Sarah Ciaglia von der Europäischen Zentralbank wurden deutsche und französische Perspektiven ausgetauscht und nach Kompromisslinien gesucht. Die Ergebnisse wurden in einem Schlusswort von Tim Peter, Referent Wettbewerbsfähigkeit Europas, zusammengefasst.
Realistische Abbaupfade
Dabei wurde deutlich, dass die EU-Schuldenregeln angesichts hoher Schuldenstände einiger Mitgliedstaaten wie aus einer anderen Zeit wirken: Insbesondere den Maastricht-Schuldenstand von maximal 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) haben einige Mitgliedstaaten deutlich übertroffen. So erreichte Griechenland nach Daten von Eurostat im Jahr 2022 einen Schuldenstand von ca. 171 Prozent des BIP, Italien von ca. 144 Prozent, Spanien von ca. 113 Prozent und Frankreich von ca. 112 Prozent – Schuldenstände, die nur schwer binnen 20 Jahren zurückgeführt werden können, wie es das Regelwerk vorschreibt.
Es bestand daher weitestgehend Konsens, dass die Schuldenabbaupfade auch für Mitgliedstaaten mit sehr hohen Schuldenständen realistisch gestaltet sein müssen. Damit müsste die sogenannte Zwanzigstel-Regel reformiert werden, die die Rückführung der Schuldenquote auf das Maastricht-Kriterium von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung in Zwanzigstel Schritten der Differenz zwischen dem Maastricht-Kriterium und der tatsächlichen Schuldenquote fordert. Ein Land müsste also binnen 20 Jahren die 60 Prozent-Marke erreichen. Die Anwendung dieses Kriteriums hätte für Länder wie Griechenland oder Italien sehr harte Sparmaßnahmen zufolge, die wahrscheinlich eine Rezession auslösen würden. Damit würden wichtige Investitionen, unter anderem in den Klimaschutz, ausbleiben.
Gleiche Regeln für alle
Auf der einen Seite wurde betont, dass die aktuellen Schuldenregeln bisher vor allem an ihrer Durchsetzung gescheitert sind. Eine individuelle, qualitative Bewertung der Fiskalpolitik der Mitgliedstaaten durch die Kommission nach der vorgeschlagenen Ausgestaltung ist daher ein Schritt in ebendiese Richtung: Wenn die Kommission bisher nur unzureichend die Durchsetzung der EU-Schuldenregeln sichergestellt hat, warum sollte es ihr nun mit noch mehr Interpretationsspielraum anstelle von einheitlichen Regeln gelingen? Vielmehr bräuchte es mehr Automatisierung in der Anwendung der EU-Schuldenregeln und eine unabhängige, nichtpolitische Überprüfungsinstanz. Eine Möglichkeit wäre eine Aufwertung des unabhängigen Europäischen Fiskalausschusses.
Individuelle Vereinbarungen
Auf der anderen Seite wurde die Notwendigkeit von öffentlichen Investitionen in gesamtgesellschaftliche Herausforderungen wie den Klimaschutz, die Stärkung der europäischen Resilienz angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und die Digitalisierung hervorgehoben. Diese dürften nicht durch starre Regeln ausgebremst werden. Dabei wurde auch auf die innenpolitische Lage in einigen höher verschuldeten Mitgliedstaaten der Europäischen Union verwiesen, die eine mittelfristige Haushaltskonsolidierung erschwert.
Mit Vorlage des Gesetzentwurfs der EU-Kommission zur Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts wird sich diese Debatte um individuelle, qualitative Schuldenabbaupfade auf der einen Seite und regelbasierte, quantitative Abbaupfade auf der anderen Seite fortsetzen. Dabei ist der Dialog, insbesondere zwischen Deutschland und Frankreich, essentiell.
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