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Länderberichte

Kommunalwahlen in Albanien

von Dr. Willibold Frehner

Internationale Gemeinschaft fordert politische Reformen

Die in Albanien durchgeführten Kommunalwahlen vom 08. Mai 2011, waren ein Test für den Stand der demokratischen Entwicklung und von großer Bedeutung für die Weiterentwicklung der Demokratie in Albanien.

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Alle Wahlbeobachter waren sich einig: Es gab einen ausgeprägten Wettbewerb um die Stimmen, in einem Klima großer politischer Polarisierung und tief verankertem Misstrauen zwischen den Regierungsparteien (Demokratische Partei - DP, Sozialistische Bewegung für Integration - LSI, Republikanische Partei - PR) und den Oppositionsparteien (angeführt von der Sozialistischen Partei - SP). Noch im Januar und Februar 2011 war das Land geprägt von Auseinandersetzungen auf den Strassen Tiranas und von Aktivitäten, um die Regierung zu stürzen.

Die Kommunalwahlen fanden in einem extrem polarisierten Land statt. Politische Spannungen gehören in Albanien seit Jahren zur Tagesordnung. Zwischen den beiden politischen Hauptrivalen in Albanien (Demokratische Partei und Sozialisten), gibt es seit 20 Jahren nicht nur Meinungsverschiedenheiten, sondern tiefgründige Abneigung und ritualisierten Streit. Die parlamentarische Auseinandersetzung ist seit Jahren geprägt von permanentem Gezänk zwischen DP und SP über politische Themen, um die Rechtmäßigkeit der Wahlen zum Parlament im Jahr 2009 und um die Besetzung von Richterposten. Das Parlament funktioniert nur sehr eingeschränkt, ein konstruktiver, politischer Dialog ist nicht gegeben. Die Politik boykottiert sich selbst und ist in permanente Kämpfe zur Beschädigung oder Beseitigung des politischen Gegners verstrickt. Das sind alles Hinweise und Belege dafür, dass die Demokratie in Albanien noch mit erheblichen Geburtswehen zu kämpfen hat und dass das junge Pflänzchen Demokratie auch von ausländischen Organisationen weiter gehegt und unterstützt werden muss.

Die Wahlen vom 08. Mai 2011 waren die ersten Kommunalwahlen (Bürgermeisterwahlen und Wahlen zu den Gemeinderäten) nach der Änderung der Verfassung und dem Inkrafttreten des neuen Wahlgesetzes (Electoral Code) im Jahr 2008. Leider konnten sich die politischen Dauerkontrahenten, Premierminister Berisha und Oppositionsführer Rama, vor den Kommunalwahlen im Jahr 2011, wegen der politischen Unruhen, nicht mehr auf weitere Wahlrechtsreformen einigen.

Die nicht durchgeführten Reformen waren dann auch eine erhebliche Beeinträchtigung. Wurden die Wahlen noch einigermaßen transparent vorbereitet, gab es am Wahltag große Probleme bei der Stimmabgabe der Bürger und einen nicht enden wollenden Streit, um die Auszählung der Stimmen. Das Prozedere der Auszählung zog sich in einigen Gemeinden (wie z.B. bei dem knappen Ergebnis der Bürgermeisterwahlen in Tirana) wochenlang hin, mit Streit, Einsprüchen, Widersprüchen und Neuauszählungen der Stimmen. Demokratische Wahlen in entwickelten demokratischen Ländern werden anders durchgeführt. Demokratische Wahlen benötigen widerspruchsfreie und sinnvolle gesetzliche Grundlagen. Demokratische Wahlen benötigen demokratisch gesinnte und geschulte Akteure.

Ergebnisse der Kommunalwahlen aus der Sicht der DP

Die „Allianz für die Bürger“ angeführt von der DP gewann die landesweiten Bürgermeisterwahlen mit rund 733.000 Stimmen gegenüber der „Allianz für die Zukunft“ angeführt von der SP (662.000 Stimmen). Die DP (als Partei) alleine hat allerdings weit weniger Stimmen als die SP (als Partei) landesweit erreicht.

Das Ergebnis für die DP (zusammen mit der von ihnen angeführten „Allianz für die Bürger“) war landesweit mit einer Mehrheit von 70.000 Stimmen zwar beachtlich, aber ebenfalls nicht überragend. Insbesondere der Stimmenanteil der DP ist in Tirana und anderen größeren Städten alles andere als exzellent zu bezeichnen.

Die Wahl des Bürgermeisters Basha in Tirana durch Wähler für die „Allianz für Bürger“, die Zuwächse an Stimmen für den Kandidaten der DP in Tirana, der Gewinn in den großen Umlandgemeinden von Tirana, Kamza und Farke sowie in der traditionellen Hochburg Shkodra zeigen aber, dass die Partei auch im städtischen Bereich Wähler mobilisieren kann, wenn gute Kandidaten antreten und überzeugende, inhaltliche Programme zur Entwicklung der Kommunen vorgelegt werden, die von den Wählern akzeptiert werden.

Die Gewinne der SP in vielen mittleren Städten weisen darauf hin, dass bis zu den nächsten Wahlen zum nationalen Parlament im Jahr 2013 noch erheblich am Erscheinungsbild der Regierung und der DP, sowie an der Umsetzung einer vernünftigen Politik für die Bürger gearbeitet werden muss – ansonsten können die Parlamentswahlen 2013 seitens der DP nicht erfolgreich bestritten werden.

Positiv zu werten aus Sicht der DP, ist der Gewinn der Bürgermeister-Wahlen in Tirana, Kamza und Farke. Diese drei Kommunen machen einen Großteil der zentralen Wachstumsregion in Albanien aus. Damit ist die Basis gelegt, für eine gemeinsame und vernünftige Entwicklungs- und Verkehrsplanung für den Großraum Tirana, der in absehbarer Zeit die Hälfte der Bevölkerung von Albanien beheimaten wird und bereits heute mit Abstand die wichtigste Wirtschaftsregion Albaniens ist.

Erfüllten die Wahlen in Albanien EU-Standards?

Von Seiten der EU wurde immer wieder betont, dass die korrekte Durchführung der Wahlen ein wichtiger Test für Albanien sei, für die Erreichung der Zielsetzung einer EU-Mitgliedschaft. Auch die Fortschrittsberichte der EU weisen immer wieder daraufhin, dass gravierende demokratische Reformen durchgeführt werden müssen. Die Wahlen waren zwar die besten Kommunalwahlen in der Geschichte Albaniens, aber die Standards für die EU konnten bei den Kommunalwahlen nur sehr bedingt erreicht werden.

Die Vorbereitung der Wahlen war voller zeitlicher oder inhaltlicher Kompromisse, angefangen bei der Nichteinhaltung der Termine für die Zulassung von Parteien. Der Wahltag konnte ebenfalls nur mit Kompromissen und Zugeständnissen über die Bühne gebracht werden: Der Andrang der Menschen in Tirana, konnte aus organisatorischen Gründen, kaum bewältigt werden. Ältere Wähler gingen unverrichteter Dinge wieder nach Hause, weil sie wegen ihrer Gebrechen nicht in der Lage waren, lange zu warten. In einigen Wahllokalen wurde die Stimmangabe am Wahltag bis 22.00 Uhr erlaubt (regulärer Schluss der Wahl war 19.00 Uhr), weil sonst der Andrang nicht zu bewältigen gewesen wäre.

Die Auszählungen zogen sich in einigen Gemeinden über Wochen hin. Bei insgesamt nur 1,5 Millionen Bürgern, die zur Wahl gingen, ist das ein sehr großer Schwachpunkt. Viele Beobachter meinen, dass der Standard bei der Stimmenabgabe und der Auszählung der Stimmen selbst im Kosovo höher sei.

Demokratische Reformen und Wahlrechtsreformen müssen daher dringend durchgeführt werden, um die Kriterien der EU zu erfüllen und um ein demokratisches System in Albanien zu festigen und dieses weiterzuentwickeln. Deshalb ist es wichtig, dass vor den Parlamentswahlen 2013, grundlegende Wahlrechtsreformen durchgeführt werden, dass in den größeren Städten eventuell die elektronische Stimmabgabe ermöglicht wird und dass vor allem die aufgetretenen Pannen bei der Stimmabgabe und bei der Stimmenauszählung von 2011 abgestellt werden. Zu solchen Reformen sind die vier großen Parteien im Parlament Albaniens DP, SP, LSI und RP jetzt unmittelbar aufgerufen.

Kommentare und Empfehlungen der OSCE

Am 15. August 2011 gab das Büro für Demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSCE eine über 30 Seiten umfassende Stellungnahme zu den Kommunalwahlen vom 08. Mai 2011 heraus.

Die OSCE half von Beginn an mit, die Wahlen vorzubereiten und durchzuführen und beobachtete die Rechtmäßigkeit bei der Durchführung der Wahlen. Ein Team mit 40 permanenten Mitarbeitern stellte die OSCE ab dem 28. März 2011 für die Vorbereitung, Durchführung und der Auszählung der Kommunalwahlen in Albanien zur Verfügung.

Die Empfehlungen der OSCE haben mit Sicherheit große Auswirkungen auf die politische Diskussion in Albanien und die künftigen Reformen im politischen Bereich. Der EU-Botschafter hat bereits angekündigt, dass die Empfehlungen der OSCE auch ihren Niederschlag in dem für den 12. Oktober 2011 angekündigten Fortschrittsbericht der EU haben werden.

Zusammengefasst beinhalten die Empfehlungen der OSCE folgende zentrale Punkte:

  • Die politischen Parteien müssen den politischen Willen zur Durchführung von demokratischen Wahlen deutlicher unter Beweis stellen. Das gilt für alle Parteimitglieder in Wahlkommissionen, aber auch für Beamte, die mit Funktionen bei Wahlen betraut sind. Parteipolitische Interessen sind hinten anzustellen;
  • Eine Wahlrechtsreform muss sofort in Angriff genommen werden, um die nächsten Parlamentswahlen im Jahr 2013 gut und sinnvoll vorzubereiten;
  • Eine Wahlrechtsreform muss eine neue und parteineutrale Formel für die Zusammensetzung und die Arbeit der Zentralen Wahlkommission (Central Election Commission) finden;
  • Die Fristen für die Einschreibung der Parteien, der Kandidaten, den Druck der Stimmzettel etc. müssen eingehalten werden;
  • Das Wahlgesetz muss auch dahingehend geändert werden, um die Gültigkeit oder Ungültigkeit von Stimmzetteln eindeutig zu regeln;
  • Staatliche Medien dürfen nicht mehr Sprachrohr der Regierungsstellen oder von bestimmten Parteien sein;
  • Familienoberhäupter sollen nicht mehr für ihre Familienmitglieder abstimmen dürfen;
  • Wahlverstöße sollen mit höheren Strafen geahndet werden.
Neben diesen prioritären Empfehlungen wurden von der OSCE 18 weitere Punkte als Empfehlungen angeführt, die spezielle Bereiche bei der Durchführung von künftigen Wahlen regeln sollen.

Politische Reformen sind dringend notwendig

Die Vorbereitung und die Durchführung der Kommunalwahlen in Albanien zeigten viele Schwächen im Wahlgesetz und im politischen System Albaniens auf. Die Empfehlungen der OSCE zur Reform des politischen Systems und insbesondere zur Durchführung von künftigen Wahlen geben den Parteien und der Regierung wichtige Hinweise, um das politische System weiter zu reformieren, zu demokratisieren und zu modernisieren. Die demokratischen Parteien und die Regierung des Landes sind aufgefordert, die permanenten Streitereien aufzugeben und das gegenseitige Boykottieren zu beenden. Nur wenn gemeinsam Reformen beschlossen werden und gemeinsam im Parlament neue und sinnvolle Gesetze verabschiedet werden, wird es möglich sein, auf dem Weg zu einer Demokratie in Albanien entscheidende Schritte voran zu kommen.

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Kontakt

Walter Glos

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7. Juni 2011
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