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Buenos Aires-Briefing

Buenos Aires-Briefing

August 2020

Die Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. in Argentinien möchte allen Interessierten einen besseren Zugang zu den politischen Ereignissen des Landes ermöglichen. Dafür veröffentlichen wir monatlich ein kurzes Briefing mit den wichtigsten Nachrichten aus dem Land. Die folgende Ausgabe fasst die wichtigsten Ereignisse des Monats August zusammen.

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Präsident Fernández scheint sich immer mehr dem Willen des linkspopulistischen Flügels seiner Regierungsallianz zu beugen. Dies steht im Gegensatz zum angeblichen Leitmotiv seiner Regierung „Argentina Unida“ (geeintes Argentinien). Auch seine Angstkampagne zur Vorbeugung von Neuinfektionen spaltet die politischen Lager immer mehr. Die Tatsache, dass Argentinien gemeinsam mit Mexiko den sogenannten „Oxford-Impfstoff“ AZD1222 zur Bekämpfung des Coronavirus produzieren wird und die Regierung durch Verhandlungen mit den Gläubigern letztendlich eine Staatspleite abwenden konnte, trugen kaum zur Aufheiterung der Stimmung bei. Das präsidentielle Dekret vom 2. August zum Verbot sozialer Kontakte insbesondere mit Angehörigen der Kernfamilien, die nicht im gleichen Haushalt leben, schürte die Unzufriedenheit der Bevölkerung weiter.

Wirtschaftliche Maßnahmen und vorläufige Abwendung der Staatspleite

Um die wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns abzuschwächen und die Gemüter zu besänftigen, hatte Präsident Fernández seit Beginn der Pandemie mehrmals Bonuszahlungen an registrierte bedürftige Familien, Gesundheits- und Sicherheitskräfte sowie staatliche Hilfsleistungen für Haushaltshilfen, Unternehmen und für informell Beschäftigte angekündigt. Zudem bestehen die Nullzinskreditlinien für Unternehmer und Selbstständige weiter. Auch Wohnungsräumungen aufgrund des Zahlungsausfalls der Mieten, das Abstellen der öffentlichen Dienstleistungen (Wasser, Gas, Strom, Personennahverkehr und neuerdings auch Internet, Fernsehen und Telekommunikation), die Inflationsanpassungen der Hypotheken „UVA“ sowie Entlassungen sind weiterhin untersagt. Darüber hinaus dürfen keine Strafzinsen bei Zahlungsverzögerungen erhoben werden. Für Lebensmittel, Hygieneartikel und Reinigungsmittel gelten weiter die gesetzlich beschlossenen Maximalpreise.

Der öffentliche Personennahverkehr sowie der Fernverkehr ist weiterhin systemrelevanten Berufsgruppen vorbehalten. Inzwischen kündigten Air New Zealand, Qatar Airways und Emirates die endgültige Streichung ihrer direkten Flugverbindungen nach Argentinien an. Frühestens im Oktober oder November wird eine eingeschränkte Wiederaufnahme des kommerziellen Langstreckenbus- und Luftfahrtverkehrs erwartet. Auch die Bildungseinrichtungen bleiben in 21 der 23 argentinischen Provinzen sowie in der Hauptstadt Buenos Aires bis auf Weiteres geschlossen.

Erfolgreicher verlief die Umstrukturierung der fälligen Auslandsschulden Argentiniens. Am Nachmittag des 31. Augusts gab Wirtschaftsminister Martín Guzmán die Details des Abkommens mit den Gläubigern bekannt: 99 Prozent der Anleiheninhaber nahmen das von der argentinischen Regierung unterbreitete Angebot an. Dies bedeute einen Schuldenschnitt in Höhe von 37,7 Milliarden US-Dollar, eine Senkung der Zinsen von sieben auf 3,7 Prozent sowie einen Aufschub der Rückzahlungsfrist.

Auch wenn die Regierung das Abkommen mit den Gläubigern feiert, ist das Grundproblem der Schuldenkrise noch nicht gelöst. Es wurde lediglich auf die Amtszeit zukünftiger Regierungen vertagt. Dies bedeutet, dass trotz des Schuldenschnitts ein Großteil der Schulden aufrecht erhalten bleibt. Angesichts der schwindenden Reserven der argentinischen Zentralbank infolge der Finanzspekulation und Wechselkursregulierung, der hohen Notenausgabe, der abgewerteten Kreditwürdigkeit Argentiniens sowie der andauernden Exportbeschränkungen ist offen, inwiefern der argentinische Staat auch ohne unmittelbare Auszahlungen an die Gläubiger in der Lage sein wird, die Folgen der Pandemie zu bewältigen. Nicht zu vergessen ist außerdem die ausstehende Tilgung des Kredits vom Internationalen Währungsfonds (IWF), der keine Schuldenschnitte vornehmen kann. Um eine reale Entschuldung zu erreichen, müsste der argentinische Staatshaushalt saniert werden. Dies steht unter anderem im Konflikt mit den hohen Personal- und Sozialausgaben sowie den kürzlich angekündigten Großbauprojekten der öffentlichen Hand.

Soziale Auswirkungen der Pandemie

Die am 31. August zum elften Mal verlängerte verpflichtende soziale Isolierung bringt nicht nur wirtschaftliche, sondern vor allem auch psychologische Folgen mit sich. Dies ist unter anderem daran erkennbar, dass immer mehr Bürger gegen die Ausgangsbeschränkungen verstoßen, um Angehörige zu besuchen und soziale Kontakte persönlich zu pflegen. Dadurch lassen sich auch die Rekordwerte der Neuinfektionen erklären. In Hinblick auf die wirtschaftlichen Auswirkungen summierte die Inflation laut Angaben der staatlichen Statistikbehörde INDEC, die im gegenwärtigen Kontext nur bedingt Messungen durchführen kann, zwischen Januar und Juli dieses Jahres 15,8 Prozent. Schätzungen zufolge wird die kumulierte Teuerungsrate im Jahr 2020 die 40 Prozent-Marke erreichen. Da die Mehrheit der Gewerkschaften aufgrund der zahlreichen Unternehmens- und Geschäftsschließungen sowie der andauernden Aktivitätsbeschränkungen kaum Verhandlungsspielraum für einen Inflationsausgleich bei den Löhnen und Gehältern hat, bedeutet dies nicht nur einen Kaufkraftverlust, sondern auch einen Anstieg der Armutsrate. Ende 2019 betrug diese 35,5 Prozent und liegt inzwischen bei rund 45 Prozent. Besonders betroffen sind Kinder und Jugendliche sowie ältere Menschen. Angesichts der steigenden Arbeitslosenrate (+10,4 Prozentpunkte zwischen dem ersten und dritten Trimester 2020) sowie dem hohen Grad an informeller Beschäftigung (etwa 40 Prozent der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung), verschärft sich die soziale Krise zunehmend.

Die Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Situation wird auch durch die vermehrten Proteste eines Großteils der Bevölkerung deutlich. Am 17. August versammelten sich landesweit tausende Bürger auf den zentralen Plätzen der Städte, um ihre Empörung über die eingeleitete Justizreform und verschärften Bewegungskontrollen auszudrücken. Sofern sich die Lage nicht bessert und die Regierung keine Pläne für einen Ausweg aus der Krise vorlegt, sind weitere Proteste zu erwarten.

Umstrittene Justizreform

Der Senat, in dem die Regierungsallianz Frente de Todos die Mehrheit innehat, verabschiedete den Gesetzesentwurf über die umstrittene Justizreform in der ersten Augustwoche. Für Unmut sorgte dabei die Schaffung 600 weiterer Stellen im Landesinneren unmittelbar vor der Abstimmung sowie eine Klausel, die die Richter dazu verpflichtete, jegliche Art von „ausgeübten Druck“, auch seitens der Medien, zu melden. Kritiker werteten diese Klausel als Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit. Infolge der empörten Reaktionen innerhalb der breiten Öffentlichkeit und Medien wurde diese Klausel gestrichen. Des Weiteren stellten sich führende Oppositionsvertreter und Journalisten die Frage, ob die erforderliche Justizreform unbedingt inmitten einer sich vertiefenden Wirtschaftsrezession und eines Gesundheitsnotstands durchgeführt werden müsse, oder ob man die erforderlichen Mittel (umgerechnet etwa 70 Millionen Euro pro Jahr) nicht besser in die medizinische Versorgung bzw. in die Reaktivierung der Wirtschaft investieren könne. Angesichts der tiefgreifenden Veränderungen, die die Reform mit sich bringen würde, weigert sich außerdem die Opposition virtuell im Abgeordnetenhaus über den vom Senat verabschiedeten Gesetzesentwurf zu debattieren.

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Kontakt

Olaf Jacob

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Leiter des Auslandsbüros Chile

olaf.jacob@kas.de

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Über diese Reihe

Die Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. in Argentinien möchte allen Interessierten einen besseren Zugang zu den politischen Ereignissen des Landes ermöglichen. Dafür veröffentlichen wir monatlich ein kurzes Briefing mit den wichtigsten Nachrichten aus dem Land.

Susanne Käss

Susanne Käss bild

Leiterin des Auslandsbüros Argentinien / Leiterin des Auslandsbüros Brasilien (kommissarisch)

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