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Buenos Aires-Briefing

Buenos Aires-Briefing Mai 2022

von Olaf Jacob, Inga von der Stein
Präsident Alberto Fernández trifft Bundeskanzler Olaf Scholz | Politisches Tauziehen im Vorfeld des Amerika-Gipfels | Opposition strebt Reform des Wahlsystems an

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Buenos Aires-Briefing Mai 2022

gesprochen von Inga von der Stein

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Argentinischer Präsident Alberto Fernández auf Staatsbesuch in Europa

Argentiniens Präsident Alberto Fernández unternahm vom 9. bis zum 13. Mai kurzfristig mehrere Staatsbesuche in Europa. Laut des argentinischen Außenministeriums war das Ziel der Reise die Positionierung Argentiniens als Nahrungsmittel- und Energielieferant. Im Februar hatte sich Alberto Fernández noch kurz vor Kriegsausbruch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau getroffen (wir berichteten). Nun strebt die argentinische Regierung an, sich vor dem Hintergrund steigender Lebensmittel- als auch Energiepreise als Konsequenz des russischen Angriffskrieges als Alternativanbieter zu positionieren.

Die erste Station der Staatsbesuche in Europa war Spanien, wo sich der argentinische Präsident mit dem spanischen Premierminister Pedro Sánchez austauschte. Anschließend ging es weiter nach Deutschland, in Berlin traf Alberto Fernández Bundeskanzler Olaf Scholz. Es war das erste offizielle Treffen des deutschen Kanzlers mit dem argentinischen Präsidenten. Zuvor waren sich diese informell beim G20-Gipfel 2021 in Rom begegnet. Als Letztes stand ein Austausch mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron auf der Agenda.

Die Themen waren bei allen Treffen der russische Angriffskrieg in der Ukraine sowie dessen Konsequenzen als auch das Abkommen zwischen Argentinien und dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Spanien, Deutschland als auch Frankreich sind Mitglieder des Pariser Clubs. Dies ist ein informelles Gremium, welcher zwischen staatlichen Gläubigern und Schuldnerländern vermittelt. In diesem Gremium finden derzeit Nachverhandlungen bezüglich der Fristen der Rückzahlungen der Schulden Argentiniens statt. Deutschland ist mit 37 Prozent als größter Gläubiger an den argentinischen Schulden beteiligt. Knapp zwei Wochen nach den Staatsbesuchen in Europa von Alberto Fernández wurde bekannt, dass Argentinien auf Einladung des deutschen Bundeskanzlers als einziges Land Lateinamerikas am G7-Gipfel Ende Juni in Deutschland als Gastland teilnehmen wird. Für Alberto Fernández bot die Reise nach Europa die Möglichkeit, Abstand von dem internen Machtkampf mit Vize-Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner zu nehmen als auch von niedrigen Zustimmungswerten und der steigenden Inflation (58 % im April 2022 im Vergleich zum Vorjahr).

Ob Argentinien tatsächlich vollends das Potenzial der beträchtlichen natürlichen Ressourcen ausschöpfen kann, ist allerdings fraglich. Die Weizenexporte Argentiniens waren im ersten Halbjahr 2022 mit 12,7 Mio. Tonnen zwar so hoch wie noch nie. Doch das Land mit einem der fruchtbarsten Böden der Welt bleibt unter seinen Möglichkeiten. Laut Schätzungen könnte Argentinien Nahrungsmittel für etwa 400 Millionen Menschen produzieren. Hohe Ausfuhrzölle, Exportquoten sowie die Angst vor weiteren staatlichen Eingriffen begrenzen jedoch das Produktions- und Exportpotenzial. Gleiches gilt für den Energiesektor: Wenngleich Argentinien mit der Vaca Muerta über eine der größten Ölschiefer-Lagerstätten im globalen Vergleich verfügt, wird die Erschließung durch Finanzierungs-, Infrastruktur- und Regulierungsprobleme gebremst. Trotz des Vorkommens sieht sich Argentinien im kommenden Südkegel-Winter mit einem wachsenden Gasdefizit konfrontiert und wird Flüssiggas und zusätzliche Mengen aus Bolivien importieren müssen. Daher ist fraglich, ob Argentinien den globalen Bedarf an Weizen und Energie vollends für sich nutzen kann. Das Land wird nicht kurzfristig, sondern erst mittel- bis langfristig eine Alternative darstellen können. Bedingung dafür ist eine exportfreundlichere Wirtschaftspolitik.

 

Politisches Tauziehen im Vorfeld des Amerika-Gipfels

Im Vorfeld des Amerika-Gipfels (mehr dazu im Länderbericht) vom 6. bis zum 10. Juni in Los Angeles verzögerte Alberto Fernández bis zuletzt eine verbindliche Zusage. Damit reihte er sich in die Gruppe von lateinamerikanischen Staaten ein, die gegen den Ausschluss der Staats- und Regierungschefs von Venezuela, Nicaragua und Kuba protestierten und somit versuchten Druck auf die USA auszuüben. Die drei Länder hat der Gastgeber USA aufgrund der Nichteinhaltung demokratischer Mindeststandards nicht eingeladen. Der Boykott wird angeführt von Mexikos linksgerichteten Präsidenten Andrés Manuel López Obrador (AMLO), mit welchem Argentiniens Präsident häufig das Stimmungsverhalten in internationalen Foren wie in der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) abstimmt. Nach einer persönlichen Einladung des US-Präsidenten Joe Biden zu einem bilateralen Treffen in Washington DC als auch einer Absprache mit AMLO, sagte Alberto Fernández schließlich zu. Die Teilnahme Argentiniens hat Symbolwirkung, da das südamerikanische Land 2022 den Vorsitz der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC) innehat, einem der inklusivsten Verbände der lateinamerikanischen Region. Alberto Fernández wolle seine Anwesenheit nutzen, um den Ausschluss Venezuelas, Nicaraguas und Kubas zu kritisieren. Es ist die erste Reise von Alberto Fernández als argentinischer Präsident in die USA. Die Amerika-Gipfel werden in unregelmäßigen Zeitabständen seit 1994 organisiert, mit dem Ziel, die gesamtamerikanische Integration voranzutreiben. Während die USA eine Integration auf Basis demokratischer Werte anstrebt, fordern vor allem linksgerichtete lateinamerikanische Staaten, dass bei der Integration gemeinsame Interessen im Vordergrund stehen.

 

Opposition strebt Reform des Wahlsystems an

Für Diskussion sorgt derzeit ein Gesetzentwurf für die Einführung der einheitlichen Stimmabgabe (boleta única) als neues Wahlverfahren für nationale Ämter in Argentinien. Die Oppositionsallianz “Juntos por el Cambio” brachte den Entwurf im August 2021 ins Abgeordnetenhaus ein, nun wird er diskutiert. Bei dem derzeitigen Wahlsystem (boleta partidaria) hat jede Partei einen eigenen Stimmzettel. Der Wähler kann entweder einen kompletten Stimmzettel nehmen oder einen Teil davon ausschneiden und beispielsweise den Präsidentschaftskandidaten einer Partei und die Liste der Kandidaten für das Amt des Abgeordneten und/oder Senators einer anderen Partei wählen. Das vorgeschlagene System der einheitlichen Stimmabgabe soll das bisherige System vereinfachen: Alle Wahloptionen sollen auf einem einzigen Wahlzettel dargestellt werden. Dieses Wahlsystem wird in den meisten Ländern Lateinamerikas und der Welt verwendet und ist bereits in fünf der 24 Provinzen Argentiniens für die Wahl von Provinzämtern in Betrieb. Der Druck des Wahlzettels soll durch den Staat erfolgen, nicht wie bisher durch die politischen Parteien. Die Opposition zeigt sich geeint und führt an, dass das System der einheitlichen Stimmabgabe wirtschaftlicher, nachhaltiger sowie sicherer gegen Wahlbetrug sei. Die Regierungsallianz “Frente de Todos” zeigt sich trotz dieser einhelligen Argumente nicht überzeugt. Das derzeitige System funktioniere einwandfrei. Die Reform des Wahlsystems erfordert in der Abgeordnetenkammer als auch im Senat eine absolute Mehrheit. Um diese zu erreichen, braucht die Oppositionsallianz auch Stimmen aus der Regierungsallianz. Für eine Reform sprachen sich bereits auch Politiker der Regierungsallianz aus. Eine Reform des Wahlsystems ist daher durchaus im Bereich des Möglichen.

 

Ausblick für Juni

› Regional: Argentiniens Präsident Alberto Fernández nimmt vom 6. bis zum 10. Juni am Amerika-Gipfel in Los Angeles teil.

› International: Auf Einladung der deutschen Regierung wird Alberto Fernández als einziges Staatsoberhaupt Lateinamerikas vom 26. bis zum 28. Juni beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau in Deutschland anwesend sein.

› Trivia: Die argentinische Netflix-Fernsehshow „El Reino“ wurde bei den „Platino Awards“ in Madrid mehrfach prämiert. Die „Oscars der Latinowelt“ werden in 19 Kategorien vergeben. „El Reino“ wurde u. a. als beste iberoamerikanische Miniserie ausgezeichnet.

 

 

© Fotos: Casa Rosada, Cumbres de las Américas Secretaría, Canva

 

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Olaf Jacob

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Leiter des Auslandsbüros Chile

olaf.jacob@kas.de
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Über diese Reihe

Die Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. in Argentinien möchte allen Interessierten einen besseren Zugang zu den politischen Ereignissen des Landes ermöglichen. Dafür veröffentlichen wir monatlich ein kurzes Briefing mit den wichtigsten Nachrichten aus dem Land.

Susanne Käss

Susanne Käss bild

Leiterin des Auslandsbüros Argentinien / Leiterin des Auslandsbüros Brasilien (kommissarisch)

susanne.kaess@kas.de +54 11 4326-2552