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Länderberichte

Argentinien in der zweiten Amtzeit der Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner

von Dr. Bernd Löhmann

Und die Übernahme des Energiekonzerns YPF

Nach den triumphal gewonnenen Wahlen im Oktober 2011 gab es zwei Hypothesen, wie Cristina Fernández de Kirchner ihre Regierung fortführe. Die erste bestand in der Annahme, dass die Präsidentin einen realistischen Kurs einschlagen würde. Anzeichen dafür gab es reichlich. Unterdessen muss jedoch von einer Radikalisierung der Regierung ausgegangen werden, wie das Beispiel des Energiekonzerns YPF zeigt.

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Nach den triumphal gewonnenen Wahlen im Oktober 2011 gab es zwei Hypothesen, wie Cristina Fernández de Kirchner ihre Regierung fortführe. Die erste bestand in der Annahme, dass die Präsidentin einen realistischen Kurs einschlagen würde. Anzeichen dafür gab es reichlich: die weitgehende Beibehaltung des Kabinetts, die Annäherung an die Unternehmerschaft, vor allem aber die Rückführung der überbordenden Subventionen für Energie und den öffentlichen Nahverkehr. Selbst die allzu rigoros ins Werk gesetzten Maßnahmen zur Eindämmung der wachsenden Kapitalflucht im November und Dezember, bei denen der Umtausch von Pesos in Dollar enorm erschwert wurde, konnten noch im Sinne eines wirtschaftspolitischen Realismus gelesen werden. Spätestens seit dem 16. April 2012, als die mehrheitlich in spanischem Besitz befindliche Ölgesellschaft YPF vom argentinischen Staat im Handstreich übernommen worden ist, scheint völlig eindeutig zu sein, dass die Vertreter der zweiten Hypothese, die von einer Radikalisierung der Regierung ausgegangen waren, Recht behalten.

Zum Jahreswechsel zeichneten sich Rückgänge bei den immens hohen Umfragewerten der Präsidentin ab. Die Streichung der Subventionen begann politische Kosten zu haben, was nicht unverständlich ist, denn den Argentiniern drohte mindestens die Verdreifachung der Preise bei Strom, Gas, Wasser und Transport. Als sich Ende Februar im Hauptstadtbahnhof Once ein fürchterliches Zugunglück mit 51 Toten und 700 Verletzten ereignete und die Präsidentin tagelang dazu schwieg, ging ihr öffentliches Ansehen weiter zurück. Für alle Beobachter bestand kein Zweifel, dass mit dem Unfall im „Once“ das Ende der Politik der Subventionskürzungen eingeläutet war, bevor sie richtig begonnen hatte: Jetzt wollte erst recht niemand mehr Geld für seine Fahrten in maroden Zügen bezahlen!

Da die als notwendig erkannten Anpassungsschritte aufgegeben wurden, blieb nichts anderes übrig, als neue Geldquellen zu erschließen. Die öffentlichen Ausgaben stiegen weitaus schneller als die Steuereinnahmen; längst schriebe der argentinische Staatshaushalt rote Zahlen, würde er nicht beispielsweise aus den Rücklagen der staatlichen Rentenkasse ANSES gestützt. Neue Kredite waren außer Reichweite, weil Argentinien nach seiner Schuldenkrise keinen Zugang zum internationalen Geldmarkt besitzt. Ein einfacher Ausweg bestand in der Satzungsänderung der argentinischen Zentralbank, die im zurückliegenden März innerhalb von drei Wochen durch den Kongress gebracht wurde.

Auf 22 Mrd. Dollar an Reserven hat die Regierung nun unmittelbaren Zugriff. Darüber hinaus ermächtigte sich die Regierung eines Sozialversicherungsfonds (REFOP) in Höhe von geschätzten 200 Mio. Dollar, der bis dahin von dem in Ungnade gefallenen Zentralgewerkschaftschef Hugo Moyano gesteuert worden war.

Anfang April stellte die Präsidentin das Thema „Islas Malvinas“ in den Mittelpunkt ihres öffentlichen Diskurses. Zum 30. Jahrestag des argentinischen Angriffs auf die Inseln hielt sie eine relativ moderate Rede. Den Anspruch auf argentinische Souveränität hatte sie freilich zu anderen Gelegenheiten offensiv betont. Die Zustimmungswerte für diese Politik liegen bei 60 Prozent. Überraschendes enthielt die „Malvinen-Politik“ für die Bevölkerung allerdings nicht. Der öffentliche Raum ließ sich damit nicht beherrschen.

Die Affäre „Ciccone“

Das Hauptthema um Ostern war ein Korruptionsfall, in den nach weitverbreiteter Ansicht der Vizepräsident des Landes, Amado Boudou, verwickelt ist. Dabei ging es um die in finanzielle Schieflage geratene Druckerei „Ciccone“, die im Auftrag der Regierung Geldscheine druckte und von der es heißt, dass Néstor Kirchner, Ex-Präsident und Ehemann Cristina de Fernández, sie zumindest halb verstaatlichen wollte.

Nach dessen Tod soll der damalige Wirtschaftsminister Boudou von diesen Plänen abgerückt sein und sie zu seinem eigenen Vorteil über einen Strohmann gekauft haben. Am Gründonnerstag trat Boudou vor die Presse, bezichtigte den Generalstaatanwalt und zuständigen Richter des Justiz-Lobbyismus und der versuchten Bestechung und stieß eine Gegendrohung aus, indem er ein Glückspielunternehmen, das mit dem Gouverneur von Buenos Aires Daniel Scioli in Verbindung steht, als Mafia bezeichnete.

Lange hatte Cristina Fernández de Kirchner gezögert, ihrem Vizepräsidenten öffentlich beizustehen. Manche gewannen bereits den Eindruck, die Präsidentin wolle einen schwachen zweiten Mann im Staate. Auch von einer Parteiintrige war die Rede, um dem allzu schnellen Aufstieg Boudous ein Ende zu setzen. Es heißt, die zutage gekommenen Details der Affäre könnten nur aus dem Geheimdienst und dem Innenministerium gekommen sein. All das ist nicht von der Hand zu weisen, denn Boudou ist durch den Korruptionsfall gebrandmarkt und scheint wohl als Präsidentschaftskandidat für 2015 auszufallen. Aber offensichtlich kam der Zeitpunkt, an dem der Präsidentin klar geworden sein muss, dass der politische Flurschaden für sie größer wäre, sollte sie den von ihr persönlich bestimmten Vizepräsidenten fallen lassen.

In der Woche nach Ostern zeigte sie sich mit Boudou vor den Kameras. Danach dauerte es nicht lange, bis der Generalstaatsanwalt – eigentlich ein kirchneristisches Ur-gestein – zurücktrat und die Präsidentin einen vom Senat noch zu bestätigenden Kandidaten ernannte. Umgehend erklärte dieser, dass der Fall Ciccone einen Angriff auf die nationale Regierung darstelle. Inzwischen wurde auch der untersuchende Richter ausgetauscht.

Die Ankündigung zur „Intervention“ bei YPF

Der Fall „Ciccone“ scheint Schnee von gestern, seit die Präsidentin am 16. April 2012 die staatliche „Intervention“ beim Energiekonzern YPF, dem größten Privatunternehmen Argentiniens, angekündigt hat. In ihrer landesweit übertragenen Rede begründete sie ihre Entscheidung mit dem „öffentlichen und nationalen Interesse“ und machte das Unternehmen für das wachsende Energiedefizit des Landes bei Erdgas und Öl verantwortlich. Würde man diese drastische Maßnahme nicht ergreifen, würde das Land in einen unmanövrierbaren Zustand geraten. Es gehe um die Wiederherstellung der nationalen Souveränität im Energiebereich.

Mit YPF besitzt die argentinische Regierung ein national aufgeladenes Thema, das ihr vorerst die uneingeschränkte Lufthoheit im öffentlichen und politischen Raum sichert und mit dem sie die nach den Wahlen kaum wieder zu Kräften gekommene Opposition vor sich her treiben kann. Nach Umfragen unterstützt rund zwei Drittel der Bevölkerung die Wieder-Verstaatlichung des Ölkonzerns.

Kaum einer widerstand der Begeisterungswelle: In der ersten Mai-Woche hatte das von der Präsidentin eingebrachte Enteignungsgesetz alle parlamentarischen Hürden genommen. Mit überwältigenden Mehrheiten, zu denen die Opposition nicht unwesentlich beitrug, wurde es unter dem kaum gezügelten Jubel der Anhänger auf den Par-lamentsbalkonen und den mit Bannern und Fahnen bestückten Menge auf dem Parlamentsvorplatz verabschiedet: im Senat 63 Stimmen dafür, 3 dagegen und 4 Enthaltungen; im Abgeordnetenhaus: 208 dafür, 32 dagegen, 5 Enthaltungen.

Wirtschaftliche Lage

Fraglos werden die Ereignisse um YPF einen Schub für die Umfragewerte der Präsidentin bedeuten und das in einem Umfeld, in dem die Euphorie über die Wirtschaftsentwicklung des Wahljahres so gut wie verflogen war. Die Preissteigerungen und manche Versorgungsengpässe – man stelle es sich vor: auch beim Nationalgetränk Mate! – drohten erheblichen Unwillen auszulösen. Hinzu kommt, dass ein Schuldiger für die wachsenden Probleme im Energiesektor gerade zur rechten Zeit kam. Bis 2010 war die Bilanz von Ein- und Ausfuhren vor Gas und Öl positiv. 2011 stand Argentinien bereits mit 3 Mrd. Dollar im Minus. Für 2012 schätzen einige Experten mit einem Defizit von 5 bis 6 Mrd. Dollar und gehen davon aus, dass die Energieimporte den ohnehin schmelzenden Handelsbilanzüberschuss des Landes (2010: 11.63 Mrd. US-Dollar; 2011: 10,35 Mrd. US-Dollar) erheblich beeinträchtigen werden.

Weil Spar- und Anpassungsschritte unterbleiben, ist zu erwarten, dass die argentinische Regierung zu immer mehr unmittelbaren Eingriffen in die Wirtschaft gezwungen sein wird. Dabei werden die Verbraucherpreise schon heute zu einem bedeutenden Teil durch den Staatssekretär für Binnenhandel, Guillermo Moreno, bestimmt. Auch der Import unterliegt immer drastischeren Kontrollen. Erst kürzlich haben mehr als 40 Staaten, darunter die USA und alle EU-Länder, bei der WTO eine Beschwerde gegen Argentinien eingereicht, weil die Verfahren bei der Einfuhr völlig undurchsichtig und willkürlich seien. Als besonders kritisch wird die Praxis dargestellt, dass staatliche Funktionäre an Auslandsfirmen herantreten, um sie zu Kopplungsgeschäften zu bewegen, die darin bestehen, dass Importe zugelassen werden, sofern die Firmen zum gleichen Wert argentinische Güter exportieren. In der Praxis heißt das beispielsweise: Porsche verkauft außerhalb Argentiniens argentinischen Wein, BMW Reis und Leder.

Neueste Projektionen zur Wachstumsentwicklung kommen auf 2,9 Prozent in 2012, 2,3 Prozent in 2013 und ein wenig als mehr 1 Prozent in 2014. Dabei sind die Investitio-nen deutlich rückläufig. Die Wirtschaft hängt inzwischen fast vollständig vom Konsum ab. Sollte die Regierung durch die erneute Ankurbelung des Kosums Wachstumsimpulse setzen wollen, besteht darin die Gefahr einer beschleunigten Inflation.

Zweifellos steigen die wirtschaftlichen Unwägbarkeiten. Investitionen argentinischer Unternehmer, erst recht aber ausländische Direktinvestitionen aus dem Ausland werden – nach dem Fall YPF – manchen noch weniger angeraten erscheinen. Bereits vor der staatlichen Übernahme des Energiekonzerns stand Argentinien bei Bewertungen wie von J.P. Morgan, die das wirtschaftliche Risiko eines Landes messen („riesgo de país“), auf einer Stufe mit Venezuela und auf dem zweiten Platz hinter Ecuador.

Als Reaktion auf die Übernahme von YPF stieg der Dollarkurs auf dem Schwarzmarkt – ein Anzeichen dafür, dass einige Argentinier sich um die Pesos auf dem Konto Sorgen zu machen beginnen und sie lieber in Dollar umtauschen, um sie im Sparstrumpf aufzuheben. Vor dem 16. April lag der Schwarzmarktkurs bei 4,80 Pesos, heute sind es 5 Pesos. Der Abstand zum offiziellen Dollarkurs beträgt inzwischen rund 25 Prozent, was die Unsicherheit der Wirtschaft zusätzlich steigert. Viele halten an ihren Sachwerten fest: Gegenüber dem Vorjahresmonat fielen die Immobilienverkäufe im Februar 2012 um 18 Prozent.

Bislang ist der Schrecken nicht groß genug, damit die Menschen im großen Maßstab ihre Konten räumen und sich der Absturz der argentinischen Wirtschaft wiederholt. Zudem bleiben die riesigen Einnahmen aus dem Verkauf von Soja, das auf den internationalen Märkten immer neue Spitzenwerte erreicht, ein gutes Polster. Eine Wirtschaft mit schwachem Wachstum und mit hoher Inflation scheint vorläufig die realistischere Perspektive. Zumindest in den nächsten beiden Jahren wird sich die Regierung wohl nicht zu einer deutlichen Abwertung des Peso entschließen.

Man scheint im Gegenteil alles zu tun, um den Peso nicht mehr als 6 bis 8 Prozent jährlich abwerten zu müssen – und das bei einer Inflation um die rund 23 Prozent. Geht es so weiter wie bisher, erscheint irgendwann eine erhebliche Abwertung unausweichlich, weil die steigenden Kosten argen-tinischer Produkte international nicht mehr wettbewerbsfähig wären.

Die Übernahme von YPF

Gerade sprach die Präsidentin einige Minuten über die „Intervention“ bei YPF, da fuhren Regierungsfunktionäre unter Führung des Planungsministers Julio de Vido in Polizeibegleitung auch schon vor dem Hauptsitz des Unternehmens in Buenos Aires vor. Man verlangte, den Justitiar zu sehen, dem man die Nachricht überbrachte, dass der Staat bei YPF intervenieren werde. Die Direktoren hätten innerhalb von fünfzehn Minuten das Gebäude zu verlassen, deren Handys seien einzubehalten. Kurz darauf ließ man im gesamten Gebäude den E-mail-Verkehr unterbrechen.

De Vido und der junge Vize-Wirtschaftsminister Axel Kicillof übernahmen die Leitung. Wie man hört, ließen sie sich daraufhin das Essen servieren, das für die eigentlichen Direktoren bestimmt gewesen war. Ein Gerichtsbeschluss lag der Aktion nicht zugrunde. Die „Intervention“ erfolgte auf der Grundlage einer präsidentiellen Notverordnung.

Die argentinische Verfassung schreibt fest, dass die Enteignung aus Gründen des öffentlichen Interesses nur auf der Grundlage eines Gesetzes erfolgen kann und dass ihr eine Entschädigung vorausgehen muss. Das Enteignungsgesetz für YPF ist nach der „Intervention“ vom Kongress verabschiedet worden, und hat – obwohl die verfassungsmäßig vorgeschriebene Voraussetzung der Entschädigung in weiter Ferne steht und im Gesetz nicht angegeben ist, wie hoch die Entschädigung sein könnte – problemlos die parlamentarischen Hürden passiert.

Vorgesehen ist, dass der Aktienanteil des bisherigen Hauptaktionärs, des spanischen Energiekonzerns Repsol, von 57,4 auf 6,4 Prozent zurückgeführt wird. 51 Prozent übernimmt der argentinische Staat, wobei 26,01 Prozent an die Nation und 24,99 Prozent an die Provinzen gehen. Die rund 25 Prozent Anteile des argentinischen Unternehmers Eskenazi bleiben vorerst unangetastet, ebenso wie die 17 Prozent vorwiegend im amerikanischen Besitz befindlichen Wertpapiere.

Zweifellos hätte sich die Regierung zu weniger dramatischen Schritten bei der Übernahme von YPF entschließen können. Dass sie das nicht tat, führt bei manchen Beobachtern zu der Annahme, dass die Skandalisierung bewusst einkalkuliert worden ist. Als Motiv kommt möglicherweise hinzu, dass man sich mit dem Überraschungscoup den Zugriff auf die operativen Mittel des Unternehmens sichern wollte.

Gerüchteweise geben Regierungsfunktionäre wider, dass die Entscheidung zur Übernahme YPF bereits vor dem Jahresende 2011 gefallen sei. Zur Eile veranlasste demnach, dass Repsol mit einem chinesischen Konzern Kaufverhandlungen über YPF führte. Wollte man selbst Hand an YPF legen, dann war Eile geboten. Mit Spanien traute man sich die Auseinandersetzung zu. China schien eine Nummer zu groß.

Einige Stimmen behaupten, dass die populistische Aufwallung auch deshalb opportun war, weil die Rechtfertigung für die „Intervention“ auf wackligen Füßen steht. Nicht allein YPF, sondern auch andere in Argentinien ansässige Firmen hätten in den ver-gangen Jahren wenig in die Erschließung neuer Gas- und Ölvorkommen investiert. Vor allem sei der Umstand erklärungswürdig, dass der argentinische Staat seit Jahren über ein starkes Mitspracherecht bei YPF verfügte. Nicht nur, dass er zwei Direktoren im jetzt auseinandergejagten Vorstand gestellt habe, er besaß mit einem „golden share“ sogar ein Veto-Recht.

Hinzu kommt, dass der Aktionär Eskenazi Néstor Kirchner nahe stand. Gewiss nicht ohne Einfluss nahme der Regierung ist es vor wenigen Jahren über den Erwerb der 25-prozentigen Beteilung Eskenazis zu einer seltsamen Vereinbarung gekommen, die darin bestand, dass der Hauptaktionär Repsol Eskenazi die Aktien übertrug und dieser ihren Kaufpreis mit der Zeit aus seinem Anteil der Unternehmensgewinne zurückzahlen sollte. Seitdem sei klar gewesen, dass mehr Mittel nach Spanien abfließen, als im Land investiert werden würden.

Für viele steht bereits fest, dass die spanische Repsol nach der Enteignung zumindest viele Jahre lang leer ausgehen wird. Schon um den Jahreswechsel waren YPF Schürfkonzessionen entzogen worden, was den Börsenwert des Unternehmens drückte. Im Senat erklärte Kicilloff, dass die Kosten zur Behebung möglicherweise aufgetretener Umweltschäden bei der Bewertung einbezogen werden müssten. Alles spricht dafür, dass die Kaufofferte an den spanischen Eigentümer voraussichtlich nicht befriedigend ausfällt und dieser vor dem Schiedsgericht für Investitionsstreitigkeiten bei der Welt-bank (International Centre for Settlement of Investment Disputes) Klage erhebt. Das heißt aber: Bis das ICSiD entscheidet und Geld fließen könnte, wird so viel Zeit vergehen, dass die aktuelle Regierung dafür nicht gerade stehen müsste. Hinzu kommt die Unwägbarkeit, dass Argentinien drei gegen das Land verhängte Urteile dieses Schiedsgerichts unbeachtet lässt, indem es auf die eigene, nationale Gerichtsbarkeit verweist.

Aussicht

Ob die Rechnung wirtschaftlich aufgeht, ist dennoch überaus fraglich. Mit Hilfe der Gewinne von YPF werden sich die Kosten für die wachsenden Energieimporte (Schätzungen gehen von rund 12-14 Mrd. Dollar in 2012 aus) nicht einmal ansatzweise auffangen lassen. Außerdem müssen aus diesen Mittel die Investitionen zu einem Zeitpunkt getätigt werden, an dem die leicht zugänglichen Reserven zu Ende gehen und – unter riesigem finanziellem und zeitlichem Aufwand – tiefere Schichten angebohrt werden müssen. Für die verbleibenden Aktionäre, aber auch neue Investoren besteht darin keine bestechende Perspektive, weil sich vor diesem Hintergrund absehen lässt, dass vorerst keine Dividenden ausgezahlt werden.

Die Behauptung steht im Raum, dass Chinesen oder Amerikaner als neue Partner bereit stünden, um massiv in die Erschließung zu investieren. Realistischer erscheint aber, dass es zu punktueller Zusammenarbeit kommt, weil wohl jeder Investor davor zurückschrecken wird, in den nächsten fünf bis sechs Jahren riesige Mittel einzusetzen, ohne Gewinne einstreichen zu können. Hinzu kommt die Schwierigkeit, dass nur wenigen Unternehmen über das technische Wissen zur Erschließung der neuen Vorkommen verfügen.

Überhaupt geben nur wenige Experten für die teilverstaatlichte YPF eine positive Prognose ab. Zum Zeitpunkt seiner Privatisierung 1992 – mit ähnlich großen Mehrheiten im Kongress – fuhr das Staatsunternehmen YPF zuletzt erhebliche Verluste ein. Wenig spricht dafür, dass man im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts unter der Leitung des Staates erfolgreicher sein wird. Neun Unternehmen sind in der Kirchner-Ära bereits verstaatlicht worden. Alle werden mit Steuergeldern über Wasser gehalten. Ein Beispiel ist die Fluggesellschaft Aerolineas Argentinas, die täglich zwei Million Dollar Verlust macht und – neben den dafür notwendigen Subventionen – die neue Flugzeuge vom Staat geschenkt bekommt.

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