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Länderberichte

Der viel Versprechende

von Dr. Kristin Wesemann, Marten Neelsen

Horacio Cartes ist der neue Präsident von Paraguay

Seit dem 15. August hat Paraguay einen neuen Präsidenten. Nach der umstrittenen Abwahl von Fernando Lugo und der Übergangsregierung von Federico Franco betritt nun Horacio Cartes das Parkett. In einer feierlichen Zeremonie wurde der Unternehmer als 49. Präsident des Binnenstaates vereidigt. Der gelernte Flugzeugmechaniker steht vor etlichen Herausforderungen: Armut, Ungleichheit, Schulden, Korruption und geringes internationales Ansehen. Vor allem wird er zeigen müssen, ob er seine Versprechen halten kann.

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Das Gras in den Gärten des Palacio de los López war frisch gemäht, die Hecken hatte man akkurat geschnitten. An den Laternen, die die Gehwege säumen, wehten die Fahnen aus rot, weiß und blau. Der Präsidentenpalast in der Hauptstadt Asunción hatte sich zurechtmachen lassen für den neuen Hausherrn, der – man wünscht es dem kleinen Binnenstaat Paraguay sehr – dem Amt nun alle Ehre erweisen will. Horacio Cartes, der Sieger der Präsidentschaftswahl im April, wurde am 15. August zwar öffentlich ernannt – die Gäste der Zeremonie erwarteten jedoch strikte Sicherheitsauflagen: keine Mützen oder Sonnenbrillen, keine Taschen oder Rücksäcke. Erlaubt waren indes Mobiltelefone und Kameras. Und mehr als 4.800 Polizisten bewachten Flughäfen und Hotels.

Die hochrangigen Besucher, vor allem die aus dem Ausland, hatten die scharfen Kontrollen notwendig erscheinen lassen. Cartes hatte seine Gästeliste mit Bedacht gewählt und sogar für Glamour gesorgt. Eingeladen waren nicht nur 200 Wirtschaftsgrößen sowie eine 100-köpfige internationale Delegation von Politikern, Ex-Präsidenten und Ministern, sondern auch der spanische Thronfolger Felipe.

Der Kontinent selbst war natürlich prominent und standesgemäß vertreten – mit vielen Präsidenten und Präsidentinnen: Dilma Rousseff (Brasilien), José Mujica (Uruguay), Cristina Fernández de Kirchner (Argentinien), Sebastián Piñera (Chile), Ollanta Humala (Peru). Cartes ist nun einer von ihnen – wenn auch der mit der wenigsten politischen Erfahrung.

Der Präsident, der niemals wählte

Erst seit 2009 ist Horacio Manuel Cartes Jara, wie er mit vollem Namen heißt, Politiker. Aufgefallen war er in Paraguay allerdings schon früher. Mit seinem Firmenimperium aus Banken, Tabak- und Lebensmittelfirmen hatte er es zu einem der reichsten Männer des Landes gebracht. Unternehmerisches Geschick gepaart mit Weitsicht brachten den Novizen mit Ambitionen in die Reihen der Asociación Nacional Republicana-Partido Colorado, kurz Colorados. Cartes brachte die Partei hinter sich, auch, weil er – anders als die alten Kader – nach fünf Jahren Abstinenz eine Rückkehr an die Macht versprach. Er war als Macher willkommen, er brachte Geld genauso mit wie Prestige, und sein Name hatte in der paraguayischen Politik noch keinen Schaden genommen und keinen angerichtet.

Ähnlich verheißungsvoll war freilich auch sein Amtsvorgänger Fernando Lugo gestartet. Als Kandidat eines breiten Bündnisses aus Oppositionsparteien und Gewerkschaften hatte er 2008 die Präsidentschaftswahl gewonnen und die Herrschaft der Colorados nach mehr als sechs Jahrzehnten beendet. Am Ende, nach glanzlosen, bisweilen chaotischen vier Jahren im Präsidentenpalast, wurde er selbst abgesetzt.

Cartes und seine Anhänger krempelten in der Opposition die Partei um, Gegner wurden zu Gefolgsleuten – oder zu Einflusslosen. Selbst Lilian Graciela Samaniego González, die Parteivorsitzende, stand irgendwann so weit in der Ecke, dass sie gezwungen war, Cartes zu unterstützen. Auch das Parteistatut aus Gründungstagen blieb auf der Strecken, in einem wichtigen Punkt zumindest: Es schrieb vor, dass nur Präsidentschaftskandidat werden könne, der mindestens zehn Jahre in der Partei verbracht habe – und wurde geändert. So erst konnte Cartes antreten.

Der Wahlkampf hatte das Zeug zum Polit-Thriller, was Paraguayer freilich nicht überraschte. Dass sich die Rivalen wechselseitig Bestechung, Ausgrenzung und Verbindungen zum organisierten Drogenhandel vorwarfen, war nichts Neues. Der seltsamste Fall war wohl der Tod des Kandidaten Lino Oviedo, der bis heute nicht endgültig geklärt ist. Der ehemalige General kam bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben – und hinterließ eine Verschwörungstheorie. Viele seiner Anhänger glaubten und glauben an ein Attentat. Die Wahl am 21. April gewann schließlich Cartes mit 46 Prozent der Stimmen vor seinem liberalen Kontrahenten Efraín Alegre (37 Prozent); er führte die Colorado-Partei zurück in die Regierung und bewies so seinen Wert. Internationale Wahlbeobachter – 400 waren im Land unterwegs gewesen – entdeckten hier und da zwar Ungereimtheiten. Die Beobachtermission der Europäischen Union sprach indes aber von einem normalen Verlauf und „totaler Transparenz“.

Innenpolitik: den Staub wegwischen

Horacio Cartes hat fast vier Monate auf seine Ernennung warten müssen – genug Zeit, um sich auf die Übernahme der Amtsgeschäfte vorzubereiten. Tatendrang hatte er freilich von Anfang gezeigt – oder wenigstens angekündigt. Er wollte „den Staub vom Land abwischen“ und den Dialog zu suchen: mit den eigenen Leuten und der Opposition, mit der Kirche und der Gesellschaft. Nicht jeder glaubt ihm – nicht einmal jeder Parteifreund. Am Tag seiner Ernennung wurden ein paar Zentralen der Colorados mit schwarzen Flaggen behisst – von Leuten, die der neue starke Mann bei der Vergabe von Posten und Ämtern übersehen hatte. Cartes habe die „Colorado-Partei benutzt, um Präsident zu werden“, wird geklagt. Niemand solle sich darauf verlassen, dass die neue und schon wohlhabende Elite das Land nicht doch ausplündere. Die Unzufriedenen teilten auch mit, dass die Abgeordneten und Senatoren allein ihren Wählern verantwortlich seien und dem Präsidenten gar nichts schuldeten. Zu den so genannten Sektionisten gehören auch Vertraute von Parlamentspräsident Julio César Velázquez – unterschätzen sollte man sie aber auch aus einem anderen Grund nicht. Die Colorado-Basis kennt das Land und ist gut vernetzt.

Während die Enttäuschten Versammlung um Versammlung einberufen, sucht Cartes das Gespräch mit der Opposition und kündigt Transparenz an. Ein erstes Zeichen, das Kritiker ein wenig beruhigte, hat er bereits gesetzt, als er die Führungsposten in seinen Unternehmen aufgab. Das muss noch nichts heißen, zumal er weiterhin in allen Vorständen seines Imperiums Mitglied ist. Die Entscheidung zeugt, wenn sie kein Ablenkungsmanöver ist, immerhin von politischer Sensibilität, die in Paraguay in der Vergangenheit nicht immer zur DNA der Herrschenden gehört hat.

Zudem geht Cartes auf die Kirche zu, traf sich mit mehreren Bischöfen, um die soziale und wirtschaftliche Situation zu analysieren, und versprach ein Ende der „Ungerechtigkeit, der Ungleichheit und der Straffreiheiten“. Dass er es ernst meint, zeigte er schon am ersten Wochenende im neuen Amt. Sein Onkel Juan Viveros Cartes wird des Drogenschmuggels verdächtigt und sitzt seit Ende Juli in Haft. Der Präsident hat die Rauschgiftfahndung angewiesen, den Verwandten wie jeden anderen zu behandeln. Familienbande dürften nicht vor Strafverfolgung schützen, sagte er. Luis Rojas, Chef der Drogenfahnder, drückte es so aus: „Für den Präsidenten gibt es in dieser Angelegenheit keine Verwandtschaft. Er will, dass wir unerbittlich sind.“

Ganz gleich, wohin er blickt: Cartes sieht Aufgaben, an denen seine Vorgänger entweder gescheitert sind (Fernando Lugo) oder die sie aus Angst vor dem Scheitern gar nicht erst angepackt haben (Federico Franco). Paraguay hat den Ruf eines ziemlich gesetzlosen Landstriches mitten in Südamerika, kleptokratisch regiert, einer Nation aus wenigen unglaublich Reichen und unglaublich vielen Armen, die sich nicht aufeinander zu bewegen.

Auch die beiden Präsidenten Lugo und Franco hatten dem Elend wortreich den Kampf angesagt – und keiner von beiden hat spürbar etwas bewegt. Viele Kleinbauern fühlen sich vom wachsenden Soja-Anbau bedroht. Paraguay ist mittlerweile weltweit der viertgrößte Exporteur der Hülsenfrucht und findet die Abnehmer vor allem in der Europäischen Union oder in Argentinien. Ausländische Großunternehmen wollen gern investieren. Strenge Testauflagen für Saatgut, unter Lugo Präsidentschaft verankert, hat sein Nachfolger Franco außer Kraft gesetzt; genehmigt wurde in Blitzverfahren. Mittlerweile leiden viele unter den starken Verschmutzungen, die der massenhafte Soja-Anbau mit sich bringt. Farmer fliehen deshalb in die Städte, die Regionen um die Anbauflächen werden unbewohnbar. Viele fürchten, dass der neue Präsident die Sojaproduktion noch weniger kontrollieren lassen wird.

Denn Cartes hat Geldsorgen. Für seine Berater ist der Schuldige wieder Vorgänger Franco, dessen Haushaltsführung „mit der Disziplin der vergangenen acht Jahre gebrochen“ habe. Knapp einen Monat vor dem Regierungswechsel gab das Ministerium für Finanzen zu, dass mehr als 680 Millionen Dollar in der Staatskasse fehlen, das sind etwa 4,3 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP). Es handele sich dabei um das größte Defizit in der Geschichte des Landes. Steuerhinterziehung der großen Agrarexporteure und Schulden bei privaten Unternehmen seien der Hauptgrund für das Defizit. Manuel Ferreira, Francos Finanzminister, schiebt die Schuld und die Schulden wiederum weiter zu Lugos Regierung.

Im Moment fehlt das Geld für die Gehälter der Staatsangestellten. Paraguay beschäftigt mehr als 220.000 Beamte, davon 25.000 Polizisten und 8.000 Militärs. Deren Löhne machen rund 70 Prozent des BIP aus. das Loch von 680 Millionen Dollar jedoch fast 4,3 Prozent.

Hinzu kommen Auslandsschulden, beispielsweise bei den Regierungen in Taipeh und Caracas. Auf beide reagiert Cartes sehr unterschiedlich. Taiwan hofiert er. So war Ma Ying-jeou, Präsident der Republik China auf Taiwan einer der Ehrengäste. Venezuela ignoriert er. Präsident Nicolas Maduro gilt noch immer als unerwünscht, und dass, obwohl Paraguay in seiner Schuld steht. Und zwar mit mehr als 270 Millionen US-Dollar – 1,8 Prozent des BIP. Allerdings: Selbst der Internationale Währungsfond hält das Defizit für handhabbar.

Klare Worte und Konfrontation

Schon während seines Wahlkampfes wollte Horacio Cartes mit Bestimmtheit und klaren Worten wettmachen, was ihm bisher an politischer Erfahrung gefehlt hatte. Auch außenpolitisch schien der gelernte Flugzeugmechaniker Paraguay entstauben und aufpolieren zu wollen. Sein Ziel: Das Land soll ein respektierter und verlässlicher internationaler Partner werden. Damit scheint er richtig zu liegen, denn internationale Geldgeber wie die Europäische Union erhöhen ihr Engagement. Das Europäische Amt für humanitäre Hilfe sicherte dem paraguayischen Roten Kreuz mehr als 100 Millionen Euro Unterstützungsgelder zu. Mit den Mitteln können mehr als 1600 Familien unterstützt und Wohnungen errichtet werden. Ferner unterstützt die EU den Binnenstaat durch Finanzierungshilfen des Bildungssektors. Cartes reiste auch vor seinem Amtsantritt nach Brüssel, um die Institutionen der EU zu besuchen.

Dennoch erscheint sein Kurs mitunter wankelmütig. Seine Reden wechseln zwischen Provokation und Bescheidenheit. So erhielt die brasilianische Präsidentin Rousseff eine höfliche Absage, als sie Cartes Ende Juli nach Rio de Janeiro zum Weltjugendtag und zur Abschlussmesse von Papst Franziskus einlud. Cartes verzichtete auf eine Teilnahme mit dem Hinweis, er sei noch nicht Präsident. Außerdem werde sein Land von den vielen Jugendlichen durchaus gut vertreten.

Die Argentinierin Cristina Kirchner hingegen, Spott und abfällige Bemerkungen von Kollegen aus den Nachbarländern mittlerweile gewöhnt, kritisierte er für ihr geplantes Mediengesetz, in dem die argentinische Opposition einen Angriff auf Meinungs- und Pressefreiheit sieht. Für Paraguay wünsche er sich eine freie und kritische Presse, sagte Cartes im Parlament in Asunción. Still bleibt er wiederum beim Streit um ein Atomkraftwerk an der argentinisch-paraguayischen Grenze. Olga Ferreira de Lopez, Abgeordnete der konservativ-liberalen Oppositionspartei Patria Querida, nannte die Präsidentin jüngst eine „perverse Frau“, die die „Sorgen einer ganzen Nation ignoriert“. Die argentinische Regierung habe Paraguay über den Bau des Kraftwerks bewusst nicht informiert. Cartes schweigt.

Zwischen Mercosur und Pazifischer Allianz

Auch mit José Mujica, dem Kollegen aus Uruguay, hat er die Konfrontation gesucht. Paraguay forderte die turnusmäßige Präsidentschaft des gemeinsamen Marktes Südamerikas, dem Mercosur. Wäre das Land nicht ausgeschlossen gewesen, hätte es im Moment die temporäre Leitung des Staatenbündnisses inne. Stattdessen sitzt nun Venezuela an dieser Position. Venezuelas Aufnahme hatte Asunción stets abgewehrt und sich damit gegen die anderen Mitglieder gestellt. Der offizielle Grund: die diktatorischen Verhältnisse. Der Konflikt war vorprogrammiert.

Uruguays José „Pepe“ Mujica antwortete auf das Führungsproblem im Mercosur mit Ironie. Zwar sei Paraguay „essentiell“ für das Bündnis, aber es ziehe auch kein anderes Mitglied so viel Nutzen aus dem gemeinsamen Markt. Er glaube, die neue Regierung „besitzt genug Pragmatismus und Intelligenz, um diese Dinge zu verstehen“, und bot Cartes die Präsidentschaftsperiode Uruguays als Geschenk an. Zudem verteidigte er Caracas Platz im Staatenbündnis. „Mit Venezuela erreicht der Mercosur eine neue Leistungsfähigkeit und erhöht sein Potenzial enorm“, so Mujica.

Auch Brasilien mahnte Cartes. Marco Aurelio Garcia, außenpolitischer Berater von Präsidentin Rousseff, nannte die Aufnahme Venezuelas eine „steinerne Entscheidung“, die Paraguay „akzeptieren muss“. Obwohl Nicolas Maduro eine Wiederaufnahme Paraguays in den Mercosur begrüßt, zeigte sich Cartes weiter skeptisch. „Wir müssen die Gespräche mit Respekt auf die Gleichheit beider Staaten wiederaufnehmen“, sagte sein Sprecher. Maduro gilt in Paraguay als „Persona non grata“ , weil sich die Regierung in Caracas in innere Angelegenheiten Paraguays eingemischt habe. Zu seiner Ernennungszeremonie hatte ihn Cartes‘ Protokoll ausdrücklich nicht eingeladen. Der Venezolaner reagierte gelassen, beglückwünschte seinen neuen Kollegen schriftlich und wünscht sich die als baldige Wiederaufnahme der bilateralen Beziehungen.

Nach seiner Ernennungszeremonie verzichtete der neue Präsident auf ein Gipfeltreffen des Mercosur und suchte Gespräche unter vier Augen. Er setzt auf bilaterale Beziehungen und liebäugelt mit neuen Partnern. Im Mai 2013 hat Paraguay den Beobachterstatus der Pazifischen Allianz erhalten und strebt – auch als Trotzreaktion auf den Ärger im Mercosur – eine Vollmitgliedschaft an. Obwohl die vier Gründer Chile, Kolumbien, Mexiko, Peru der Bewerbung keine Priorität einräumen, hat die heimische Presse den neuen Status gefeiert und verkündet, es sei „nur ein Schritt“ bis zur Aufnahme als gleichberechtigter Partner. Man entferne sich nun vom gelähmten Mercosur und schaue auf die Dynamik Asiens und des Pazifik. Damit steht Paraguay wiederum an der Seite von Uruguay, das sich ebenfalls nach Alternativen umschaut – weil der Mercosur zunehmend eher politische als wirtschaftliche Interessen verfolge.

Mit einer Mitgliedschaft in der Pazifik-Allianz könnte sich Paraguay von seiner Mercosur-Abhängigkeit lösen, was die brasilianische Regierung angeblich diplomatisch zu verhindern suchte. Streitpunkte der vergangenen Jahre würden für Paraguay so an Gewicht verlieren – Venezuel as Beitritt genauso wie die unerfüllten Forderungen an Argentinien und Brasilien, an den Wasserkraftwerken Itaipú oder Yaciretá beteiligt zu werden. Denn: Keines der drei anderen Länder ist Mitglied in der Pazifik-Allianz. Dass die Präsidenten von Peru und Chile, Ollanta Humala und Sebastián Piñera, an der Ernennung Cartes teilnahmen und Kolumbien immerhin von Außenministerin Maria Angela Holguín vertreten war, wird man auch beim Mercosur registriert haben.

Mit Taiwan verbindet Paraguay langjährige bilaterale Beziehungen. Seit mehr als 50 Jahren unterstützen sich beide Länder wirtschaftlich und politisch. Taipeh hilft mit Investitionen von 400 Millionen Dollar und militärischer Ausrüstung. Paraguay war lange eines der Länder, die Taiwans Streben nach Souveränität und einem Sitz in den Vereinten Nationen unterstützten. Präsident Lugo stoppte diese Politik. Dennoch, womöglich auf einen Kurswechsel hoffend, war Präsident Ma Ying-jeou am 15. August nach Asunción gekommen und hatte sich zu einem Gespräch unter vier Augen mit Cartes getroffen.

Das Team für den Neustart

Kurz vor der feierlichen Amtsernennung präsentierte Cartes sein Kabinett. German Rojas, ehemaliger Chef der Zentralbank, ist Finanzminister. Der Diplomat Eladio Loizaga übernimmt das Außenministerium. General Benerdino Soto Estigarribia ist Verteidigungsminister und Francisco Vargas leitet das Innenresort. Vielversprechende Namen, die vor allem Sachkenntnisse versprechen und von Cartes innerparteilichen Widersachern abschätzig Technokraten genannt werden. Nach seiner Wahl hatte Cartes versprochen, keine Verwandten in sein Kabinett zu berufen. Doch Kritik bleibt nicht aus. Vor allem Eladio Loizaga soll an Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Stroessner-Regierung beteiligt gewesen sein. Während seiner Zeit als Offizier sei er aktiv an der Operation Cóndor beteiligt gewesen. Auch Kultusministerin Causarano steht in der Kritik, sie soll bis vor Kurzem nicht zu den glühendsten Anhängern des neuen Präsidenten gehört haben.

Dennoch: Selbst die 17 gewählten Gouverneure (14 davon sind Colorados) haben geschworen, dem neuen Staatschef zu dienen. Es war der erste Schwur dieser Art in Paraguay, und die Worte waren pathetisch: “Heute beginnt der Wandel, dies ist ein entscheidender Tag, und es war das Volk Paraguays, das diesen Wandel frei und friedlich gewählt hat. Wir hier sind nichts weiter als die Verantwortlichen, die diese ehrenvolle Aufgabe erfüllen müssen“, sagte Luis Gneiting, Colorado-Gouverneur des Departments Itapúa.

Bei aller Inszenierung: Richtige und wichtige Worte waren das allemal. Ihnen sollten freilich Taten folgen. Denn nach zwei unterm Strich eher enttäuschenden Präsidentschaften ist der Abstand Paraguays zu den stabileren Demokratien auf dem Kontinent nicht viel geringer geworden. Viele Nachbarn haben längst ihren wirtschaftlichen und politischen Chancen entdeckt – und werden von Europa und Asien als Wachstumsmärkte ernst genommen.

Noch eine Amtszeit ohne spürbare Fortschritte in vielen Bereichen - Armut, Korruption, organisierte Kriminalität – würde viele enttäuschen, die gerade zur Hoffnung zurückgefunden haben: die Nachbarn, die Handelspartner in Europa, Asien und den Vereinigten Staaten. Am schlimmsten wäre es freilich für die Paraguayer selbst.

Im Augenblick spricht noch vieles dafür, dass Horacio Cartes das alles verstanden hat und gewillt ist, die Chancen zu nutzen, die sich seinem Land bieten. Und zu seinem ganz persönlichen Schaden wäre eine erfolgreiche Präsidentschaft ja keineswegs. Im Gegenteil: Aus dem einstigen Anti-Politiker könnte immerhin ein großer Staatsmann werden.

Den gesamten Länderbericht inkl. Tabellen und Fußnoten lesen Sie im oben stehenden pdf.

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Olaf Jacob

Olaf Jacob

Leiter des Auslandsbüros Chile

olaf.jacob@kas.de
Horacio Manuel Cartes Jara, Präsident von Paraguay. | Foto: Blog do Planalto/Flickr Blog do Planalto/Flickr

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