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Der Boden und die soziale Entwicklung

von Marten Neelsen

Ideenaustausch über Probleme und Lösungen der Bodennutzung

Nach den interessanten Tagen der Bodenkonferenz in Rio de Janeiro begannen am 27. Juni 2013 die Diskussionstage in Buenos Aires. Erfahrungen aus den einzelnen Ländern der Teilnehmer im Umgang mit den Umwelt- und Bodennutzungsproblemen wurden ausgetauscht und debattiert.

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Sebastian Ehlers gab sich keinen Illusionen hin. „Argentinien und Mecklenburg-Vorpommern stehen grundsätzlich in anderen Relationen“, sagte er. Als Vorsitzender der CDU-Fraktion in Schwerin weiß er um die Probleme der mecklenburgischen Hauptstadt und dessen Bemühungen um Umweltschutz. Er wusste auch, dass die Probleme der Metropole ganz anderer Natur sind als die des Bundeslandes. Ebenso wie die von Uruguay, Costa Rica oder Panama. Doch genau darin bestand die Idee. Der Austausch von Lösungsansätzen. Am Donnerstag dem 27. Juni 2013 begann das Forum mit einem Workshop über die nachhaltige und verantwortungsvolle Nutzung des Bodens.

Am Vorabend, dem 26. Juni 2013, eröffneten Vincent Kokert, Fraktionsvorsitzender der CDU im Landtag von Mecklenburg – Vorpommern, und Mauricio Macri, Regierungschef der Stadt Buenos Aires, zusammen mit Dr. Kristin Wesemann, Leiterin der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. in Argentinien, das Forum. Nach mehreren spannenden Diskussionstagen in Rio de Janeiro, der zweitgrößten Stadt Brasiliens, startete nun das Programm in Buenos Aires. Dutzende Nachwuchspolitiker aus Lateinamerika und Deutschland diskutierten die Realität der Probleme und Herausforderungen und auch, wie die Politik diese beeinflussen und lösen kann. So lobte Ehlers den demokratischen Prozess auf kommunaler Ebene. Lateinamerika dürfe nicht den Fehler machen, den Deutschland in seiner Vergangenheit machte. Es bräuchte nicht immer eine starke Reglementierung, so Ehlers.

Aus seinen uruguayischen Erfahrungen erzählte Gerardo Amarilla. Der Regierungsabgeordnete zeichnete ein anderes Bild im Umgang mit der Umwelt. Durch eine starke Stadtflucht stünden die größeren Städte in Uruguay vor großen Herausforderungen. „Es handelt sich dabei um eine riesige Umweltbelastung“, sagte Amarilla. „Die Stadt braucht eine Energie- und Wasserversorgung, Infrastruktur und Abfallmanagement.“ Es gäbe keine klaren Regelungen für die Nutzung des Landes. Wer im Winter friere, fälle ungehindert Bäume um zu heizen und die Verschmutzung durch Schadstoffe wie Blei sei besonders hoch. Er bezog sich dabei auf die „Plombemia“, eine „Bleiepidemie“, die vor ungefähr zehn Jahren enthüllt wurde. Die Auswirkungen der Bleivergiftungen schädigen die Gesundheit sehr stark und vor allem Kinder leiden unter Symptomen wie Lernschwierigkeiten, Taubheit, Hyperaktivität, Wachstumsstörungen und sogar gewalttätiges Verhalten.

„Die Stadt als solches muss neu definiert werden“, sagte Amarilla. „Die Stadtplanung ist entscheidend und wir brauchen mehr Integration und Nachbarschaft.“ Er wünsche sich vor allem mehr Verantwortungsbewusstsein von den Politikern seines Landes und nicht nur die Jagd nach Wählerstimmen. „Niemand will die Verantwortung übernehmen, aber jeder will das Band bei der Eröffnung durchschneiden.“

Diego César Santilli gewährte den Teilnehmern des Forums einen Einblick in die Umweltprobleme der Stadt Buenos Aires. Die Stadt ist mit ihrem Großraum die größte Metropolregion Lateinamerikas – 13 Millionen Menschen leben dort - und bündelt alle wichtigen Institutionen des Landes. Dementsprechend groß sind die Probleme des Umweltschutzes und der Abfallbeseitigung. Zusammen mit seinem Ministerium für Umwelt und den öffentlichen Raum der Stadt führte Santili an biologisch verträgliche Einkaufstüten ein oder subventionierte die Nutzung von Fahrrädern in der Stadt. „Es ist Selbstmord, wenn wir denken, dass wir unsere Umweltpolitik nicht überdenken müssten“, sagte er. Die klimatischen Veränderungen unseres Planeten würden sich zunehmend in Form von Stürmen, Überschwemmungen und anderen Umweltkatastrophen verdeutlichen. So überfluteten erst vergangenen April starke Regenfälle die Stadt La Plata – 59 Menschen starben. Einen Lösungsansatz sehe Santilli, indem man das Abflusssystem der Städte weitreichend ausbaue.

Für seine Stadt Buenos Aires schilderte Santilli ganz klare Vorstellungen. „Wir wollen, dass die Stadt grüner wird“, erklärte er, „aber De-Asphaltierung und mehr Parkanlagen sind schwierige Aufgaben in einer wachsenden Stadt.“ Für die Zukunft plane die Stadt, vor allem das Abfallmanagement und die Energieversorgung zu verbessern und die Infrastruktur durch neue Radwege und den Metrobus zu stärken.

Die Leiterin des Studienzentrums für Umweltpolitik Florencia Saulino moderierte nach den Redebeiträgen die Fragen der Teilnehmer an die Redner. So kam die Frage auf, warum denn die Stadt Buenos Aires nicht in die U-Bahn, sondern in den Metrobus investiere. Santilli gab an, dass dies aus Kostengründen der Fall sei. „Die U-Bahn auszubauen, wäre 25mal teurer als das aktuelle Projekt“.

Saulino warnte abschließend vor den Schwierigkeiten der Umweltpolitik. „Es besteht große Sorge, wie man Umweltpolitik erfolgreich umsetzen kann.“ Sie ermahnte die Nachwuchspolitiker, in politischen Fragen stets auf mehreren Ebenen zu denken und nicht isoliert.

Der Boden als Ressource für die Entwicklung im Sozialbereich

Das zweite Panel des Forums startete mit einer Einführung des Direktors der Abteilung für Soziale Entwicklung der Stadt Buenos Aires Ramón M. Lanús. Er erklärte die Gründe, warum es Menschen in die Großstädte ziehe. Die hohe Wirtschaftskraft und die Hoffnung auf Wohlstand zögen die Menschen aus den umliegenden Regionen in die Hauptstadt. Jedoch entstehen durch diese Wanderung auch überbevölkerte oder verarmte Regionen in der Stadt. „Um diese Probleme zu lösen, müssen Stadt, Provinz und Staat zusammenarbeiten“, sagte Lanús. „Man muss den Bewohnern der Elendsviertel vor allem Würde und Selbstwertgefühl zurückgeben.“ Die Menschen dort leben teilweise ohne Zugang zu einer Stromversorgung oder fließendem Wasser. „Das Heim an sich ist nicht nur physisch zu verstehen. Es ist auch ein Ort für die Familie.“

Marc Reinhardt, Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Mecklenburgische Seenplatte und Mitglied im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, erklärte daraufhin die Unterschiede zu der Bundesrepublik Deutschland. „In der Bundesrepublik hat jeder das Recht, eine Wohnung zu haben“, sagte er einleitend. Zwar gäbe es auch in Deutschland Obdachlosigkeit, aber diese sei grundsätzlich eine andere als in Argentinien. Eines der Hauptprobleme deutscher Städte, vor allem der jungen Studentenstädte, ist der Wohnungsmangel. „Die Mieten steigen extrem“, erklärt Reinhardt, „Es wird daher wieder vermehrt in den sozialen Wohnungsbau investiert“. Gleichzeitig stehe das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern vor dem Problem, der ländlichen Bevölkerung den Zugang zu gesellschaftlichen Dienstleistungen zu sichern. Der Nahverkehr, die Infrastruktur, die Internetversorgung, der Zugang zu ärztlicher Versorgung durch Landärzte – alles müsse den Bewohnern fernab der großen Städte gesichert werden. „In der Bundesrepublik hatten wir die Idee, der fahrenden Geschäfte“, erinnert sich Reinhardt, „Wir haben auch eine fahrende Amtsverwaltung, die einmal im Monat die Orte besucht“. So müsste man für Amtsgeschäfte nicht mehr in das Kreisbüro fahren. „Wir wollen ländliche Räume attraktiv halten und das schaffen wir nur mit Perspektiven, guter Infrastruktur und Sicherstellung der Grundbedürfnisse, wie beispielsweise eine schnelle Internetverbindung.“

Eindrücke vom anderen Ende der Welt lieferte der Panamaer Oreste del Río. Der Nachwuchspolitiker ist Präsident der jungen Partei Popular und Kandidat für das panamaische Parlament. Das Land und auch seine Hauptstadt Panama-Stadt sind für den Panamakanal bekannt, den jährlich an die 14000 Schiffe passieren. Der Kanal bringt viele Herausforderungen für die Stadt, da sie dadurch zu einem internationalen Handelszentrum geworden. „Unser Städtebau wächst sehr stark“, erklärte del Río. Vor einem Jahr sei der Metrobus eingeführt worden. Ein ähnliches Bauprojekt befindet sich zurzeit in Buenos Aires in der Konstruktion. „Zur Rush Hour brauchen ich mitunter drei Stunden, um von meinem Haus zur Arbeit zu kommen“, sagte der Nachwuchspolitiker. „Dabei wohne ich eigentlich nur 45 Minuten entfernt.“ Del Río sieht in diesem Problem vor allem eine Gefahr für das Familienleben. Arbeitende Mütter und Väter verlieren wertvolle Zeit mit ihrer Familie, weil sie Verkehr stecken blieben. Zwar gäbe es Bauprojekte, um den Verkehr zu entlasten, jedoch seien diese korrumpiert. „Es werden für sehr viel Geld Bürogebäude gebaut, die nach der Fertigstellung leer stehen“, sagte er. „Woher kommt dieses Geld?“ Aus diesem Grunde entstünden auch die massiven Umweltprobleme. Durch den Bau der Wolkenkratzer entwickle sich die Stadt beispielsweise zu einem wahren Ofen. Bis zu 42° Grad könne es in der Stadt heiß werden.

„Die Jugend erhebt gegen diese Entwicklungen ihre Stimme“, sagte Del Río. „Sie ist unzufrieden mit der Demokratie des Landes, formiert sich, bildet sich weiter.“ Sie habe es satt, sich fremd bestimmen zu lassen.

Lucas Portela ist ein Beispiel für die Beteiligung der Jugend an der politischen Gestaltung. In Buenos Aires ist er als Bereichsleiter der noch jungen Partei PRO in Buenos Aires tätig. Auch er betonte die Relevanz des öffentlichen Verkehrs. „74 Prozent der Stadtbevölkerung nutzt den öffentlichen Verkehr“, erklärte er. In der Hauptstadt Argentiniens wird seit Frühjahr 2013 am Metrobusprojekt gearbeitet. Die neue Buslinie soll den öffentlichen Verkehr der sechs U-Bahnlinien, der mehr als 150 Buslinien und die 40.000 Taxis entlasten.

Der öffentliche Raum werde durch unsachgemäße Bebauung und Nutzung missbraucht, so Portela. Er mahnte weiterhin zum realistischen Denken: „Die Villas (die Elendsviertel) werden immer existieren. Wir müssen sie jedoch lebenswert machen und die Infrastruktur fördern.“

In Bezug auf das Abfallmanagement der Stadt lobte er die Zusammenarbeit mit den Recyclern. Nachts wandeln viele Einwohner Buenos Aires durch die Stadt, sammeln und sortieren Müll und hoffen, sich so etwas dazu zu verdienen. „Wir versuchen, diese Menschen zu unterstützen und zu integrieren“, sagte der Nachwuchspolitiker. „Es wurden Kindertagesstätten errichtet, damit die Kinder nicht mit auf die Straße müssen.“ Der Papst Francisco I sei einer der ersten gewesen, der versuchte, die Recycler (Umgangssprachlich auch Cartoneros genannt) wieder zu integrieren. Diesen Willen führe man nun fort.

Cindy Solís Rodríguez, Parlamentsabgeordnete der Partei Unidad Social Cristiana, moderierte die Fragen der Forumsteilnehmer in einer abschließenden Diskussion. Es kam die Frage auf, ob die Dezentralisierung ein Lösungsansatz für den Verkehr und die Müllentsorgung der großen Städte bieten könnte. Marc Reinhardt erklärte daraufhin das deutsche Müllmanagement. „Das System ist gut organisiert. 95 Prozent des deutschen Hausmülls wird wiederverwertet“. Wertstoffhöfe und private Unternehmen würden ebenfalls Unterstützung leisten, um Ressourcen wieder zu gewinnen. In Bezug auf den Verkehr sei die Bevölkerung auf dem Land jedoch noch auf den eigenen PKW angewiesen. „Die Nutzung des Nahverkehrs beträgt auf dem Land nur 3-5 Prozent“. Lánus widersprach der Notwendigkeit des eigenen Autos in Bezug auf Buenos Aires und betonte nochmals die Wichtigkeit öffentlicher Verkehrsmittel, was Oreste del Río bestätigte. „Der öffentliche und der private Nahverkehr müssen sehr eng zusammenarbeiten“, fügte der Panamaer hinzu. Abschließend äußerten sich Marc Reinhardt und Dr. Kristin Wesemann noch zur Energiewende in Deutschland. Die Zusammenarbeit diesbezüglich sei oft schwierig und nehme viel Zeit in Anspruch. Zwar existiere eine öffentliche Debatte in der Bundesrepublik, aber eine Entscheidung sei bisher noch nicht gefallen. Cindy Solís Rodríguez schloss daraufhin das Panel mit einem Appell an alle Forumsteilnehmer: „Wir jungen Leute müssen uns organisieren.“

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