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David Gray, Reuters

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Australien wirft EU Protektionismus vor

von Christoph Hein, Hendrik Ankenbrand, Winand von Petersdorff

Das internationale Echo auf das Klimapaket fällt geteilt aus. Zwei große Staaten reagieren kaum

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.07.2021, Nr. 162, S. 18

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Australiens Regierung hat mit Schärfe auf den Klimavorstoß der Europäischen Union geantwortet. „Wir sind sehr besorgt, dass die geplante Kohlendioxid-Abgabe an der Grenze nur eine neue Form des Protektionismus ist, die den weltweiten Freihandel unterminiert und den australischen Arbeitsmarkt belastet“, sagte Handelsminister Dan Tehan. Der neue stellvertretende Ministerpräsident Barnaby Joyce sekundierte: Der Plan der EU sei „ein wunderbarer Weg, schlicht eine neue Steuer einzuführen“. Joyce fuhr fort: „Streichen Sie das Wort ‚Kohlendioxid‘ und übrig bleibt nur ‚Zoll‘. Das Ganze heißt, dass die EU nicht an die Grundlage des Freihandels glaubt.“

Die Ablehnung kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem Canberra und Brüssel eigentlich auf die Zielgerade eines Freihandelsvertrages einbiegen wollten. Zeitgleich mit ihrer harten Kritik werben die Australier allerdings um das Wohlwollen der EU – sie brauchen ihre Stimmen, um in letzter Sekunde zu verhindern, dass das Great Barrier Reef nächste Woche in China auf die Liste der bedrohten Weltkulturerbestätten der UNESCO gesetzt wird. Das würde das australische Milliarden-Dollar-Geschäft mit dem Tourismus empfindlich belasten.

 

Doppelte Belastung für Australien

Die Australier fürchten, gleich doppelt belastet zu werden: zum einen auf den Direkt-Export von Stahl- und Aluminiumprodukten im Wert von rund 20 Milliarden australischen Dollar (12,7 Milliarden Euro) nach Europa. Zum anderen in noch höherem Maße für den Import der EU aus China: Dort wird Stahl aus australischem Erz und australischer Kokskohle gekocht und nach Europa geliefert. Die großen Rohstoffkonzerne Australiens drängen ihre Abnehmer schon länger, auf eine klimaschonendere Produktion umzustellen, um selbst Strafabgaben zu vermeiden. „Eine Verringerung des Ausstoßes von Treibhausgas wird nicht durch höhere Handelsbarrieren erreicht“, warnte Tehan. „Sie wird nur durch den Abbau von Kosten und die Beschleunigung der Einführung grüner Technologie rund um die Erde erzielt, insbesondere in den Entwicklungsländern. Wir wollen Anreize schaffen, nicht bestrafen, wenn es um die Verringerung von Emissionen geht.“

Aus den Vereinigten Staaten kommen spärliche Reaktionen von offizieller Seite, die im Tenor eher positiv ausfallen. Ein Sprecher des Weißen Hauses sagte, die Regierung würde das europäische Klimaprogramm analysieren, befürworte aber generell die Grenzausgleich-Steuer für Güter, die hohe externe Klimakosten verursachen. Hier deutet sich ein Sinneswandel in der amerikanischen Regierung an. Der Klimabotschafter John Kerry hatte im Frühjahr noch argumentiert, dass eine solche Grenzabgabe für besonders klimaschädliche Produkte nur das letzte Mittel sein dürfe, weil sie den globalen Handel belaste.

Mehrere Faktoren spielen eine Rolle dabei, dass das Weiße Haus den EU-Vorstoß nun in milderem Licht sieht. Seit Anfang Juli arbeitet ein ranghohes Gremium aus Vertretern der EU und der USA an einer gemeinsamen Klimapolitik, das dafür gesorgt hat, dass Washington früh eingeweiht war. Zudem sind Lieferungen aus den Vereinigten Staaten in die EU kaum betroffen. Nur einige Aluminium- und Stahlexporte würden durch die Klimasteuer belastet. Schließlich gibt es in der Demokratischen Partei und im Weißen Haus Sympathie für eine solche Grenzabgabe. Sie drückt sich aus im jüngsten von Demokraten verfassten Haushaltsplan zur Stärkung der Infrastruktur: Er enthält eine sogenannte Verschmutzungsgebühr für Importe.

Der Entwurf muss allerdings noch zahlreiche legislative Hürden überwinden. Eine Klimaabgabe fügte sich ein in den erklärten Plan der Biden-Regierung, die heimische Industrie vor globaler Konkurrenz zu bewahren, die ihrer Industrie weniger strenge Auflagen auferlegt. Bidens Klima-Zarin Gina McCarthy sagte auf einer Bloomberg-Veranstaltung, dass die Regierung eine eigene Grenzsteuer nicht ausschließe. Die Diskussion sei sicherlich nicht abgeschlossen. Eine solche Abgabe biete auch Chancen. Eine umfassende CO2-Steuer will die amerikanische Regierung aber nicht verhängen. Biden sei dagegen, weil sie weniger reiche Haushalte treffen könnte, sagte McCarthy.

Auch in China soll an diesem Freitag der lange angekündigte Emissionshandel starten. Der genaue Start ist allerdings noch unsicher und ist nach Testversuchen in verschiedenen Städten im Land schon mehrmals verschoben worden. Das System zum Handel von Verschmutzungsrechten ist das größte der Welt und soll einen wichtigen Beitrag leisten, dass der größte Emittent China das Versprechen halten kann, das Staatspräsident Xi Jinping im vergangenen Herbst der Welt gegeben hat. Danach will die Volksrepublik, die derzeit mehr Kohlenstoff ausstößt als die Vereinigten Staaten, Europa und Japan zusammen, bis zum Jahr 2060 kohlenstoffneutral sein. Ihren Höchststand sollen die Emissionen bis zum Jahr 2030 erreichen.

 

China startet Emissionshandel

Dazu muss die zweitgrößte Volkswirtschaft radikal und schnell umgebaut werden. Bisher bezieht diese immer noch fast 60 Prozent ihres Energiebedarfs aus dem Verbrennen von klimaschädlicher Kohle. Die regenerativen Energien und die Atomkraft werden in China zwar so schnell und massiv ausgebaut wie in keinem anderen Land auf der Welt. Doch weil der Energiebedarf des Landes durch das anhaltend hohe Wachstum der Wirtschaft stark steigt, entstehen weiter immer neue Kohlekraftwerke.

Zu Beginn werden an der Emissionshandelsbörse in Schanghai 2225 Unternehmen aus dem chinesischen Energiesektor teilnehmen. Diese stoßen im Jahr 4 Milliarden Tonnen Kohlendioxid aus. Sie sind für 40 Prozent des Ausstoßes in China verantwortlich und für etwa ein Siebtel der weltweiten Emissionen, die durch das Verbrennen fossiler Energieträger erzeugt werden. Die Unternehmen bekommen eine Menge an Emissionen vorgegeben, die sie nur dann überschreiten dürfen, wenn sie von Wettbewerbern Mengen dazukaufen. Innerhalb von fünf Jahren sollen Unternehmen aus sieben weiteren Branchen in den Handel aufgenommen werden, etwa dem Chemie- und dem Stahlsektor. Kritiker sagen, dass die zu Beginn vorgegebenen Grenzwerte viel zu hoch seien und den Unternehmen keinen echten Anreiz zum Sparen von Emissionen geben würden.

 


 

Dr. Christoph Hein ist Wirtschaftskorrespondent der F.A.Z. für Südasien / Pazifik mit Sitz in Singapur.


 

Hendrik Ankenbrand ist Wirtschaftskorrespondent der F.A.Z. für China mit Sitz in Schanghai.


 

Winand von Petersdorff-Campen ist Wirtschaftskorrespondent der F.A.Z. mit Sitz in Washington, D.C.


 

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