Ausgabe: 4/2021
„Dieser Sieg ist nicht meiner, sondern einer von allen Bürgern unseres großartigen Landes, insbesondere der Jugend, die in großer Zahl wählen ging, mit viel Kraft…“ Jubel geht durch das gefüllte „Helden“-Stadion von Lusaka, der Hauptstadt Sambias, und unterbricht den neu gewählten Präsidenten im Wort. Er hält kurz inne, rückt seine COVID-Maske zurecht und schaut wieder auf sein Redemanuskript. „Dieser Sieg ist für euch alle, ihr Bürger unseres großartigen Landes, insbesondere für die Jugend, die in großer Zahl mit viel Kraft und Leidenschaft wählen ging und diesen Tag wahr gemacht hat. Danke an die Jugend Sambias.“
Ende August 2021 wird, fast unbemerkt von der Öffentlichkeit in Deutschland, Hakainde Hichilema als siebter Präsident Sambias vereidigt. Das Land gehört zu den stabilsten Demokratien des afrikanischen Kontinents. Nicht alle, aber viele Wechsel an der Staatsspitze von Afrikas zweitgrößtem Kupferproduzenten fanden seit der demokratischen Öffnung 1990 durch freie und faire Wahlen statt. Dreimal löste die Opposition die Regierung ab. Auch diese Wahl reiht sich in die für Afrika eher ungewöhnliche Bilanz ein, obwohl kurzzeitig die Sorge bestand, dass der unterlegene Amtsinhaber Edgar Lungu die Zügel nicht freiwillig abgeben würde, als er das Ergebnis zunächst nicht anerkannte.
Seine Präsidentschaft wird als eine in Erinnerung bleiben, in der Freiheitsrechte stark beschnitten wurden. Unter anderem ließ er seinen Konkurrenten Hichilema verhaften, der erst nach 100 Tagen wieder freikam und nun, im sechsten Anlauf, Präsident des Landes wurde.
Eine wichtige Wählergruppe
Hichilema, der Vorsitzende der sozialliberalen Partei UNDP (United Party for National Development), wurde maßgeblich durch die junge Generation zum Sieg getragen. „Belly“, so der Spitzname Hichilemas, „will fix it“. „Belly wird es richten“, lautete eine bekannte Wahlkampfparole. Nach dem Wahlsieg ist nun die Erwartung in der jungen Generation groß, dass Belly liefern wird. Die Jugendarbeitslosigkeit steht offiziell bei rund 22 Prozent. Die Inflationsrate Sambias liegt bei 25 Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt ging 2020 um 3 Prozent zurück.
„Zur arbeitslosen jungen Bevölkerung sage ich“, führt Präsident Hichilema seine Rede fort, „ein neuer Tag bricht an, an dem ihr ausgebildet und die Möglichkeit finden werdet zu arbeiten oder Handel zu treiben. In einer Wirtschaft, die energisch wiederbelebt werden wird, und das schon sehr bald. Sehr, sehr bald.“
Ohne Perspektive
Über mangelnde Aufmerksamkeit auf dem Papier und in Wahlkampfreden kann sich die Jugend Afrikas nicht beklagen – weder in Sambia noch in anderen Ländern auf Europas Nachbarkontinent. Rund 60 Prozent der Bevölkerung der 49 Staaten Subsahara-Afrikas sind jünger als 25 Jahre alt. Gefürchtet und umgarnt zugleich bieten sie Regierungen und Opposition ein Potenzial, um das diese auch genau wissen. Abgeholt werden die Jungen jedoch meist von beiden nicht. Versprechungen verpuffen. Korruption hat Bestand. Ein Mentalitätswechsel tritt nicht ein. Die maroden Volkswirtschaften verharren in ihrer großen Mehrzahl in alten Mustern und fangen die demografische Entwicklung ihrer Länder nicht auf. So nutzt der Kontinent seine vielleicht wichtigste Ressource nicht, die ohne Perspektive bleibt. Stattdessen wachsen Armut und Migrationsdruck. Extremisten haben leichtes Spiel.
Wer durch die Hauptstädte und das Hinterland des Kontinents reist, kennt die Bilder: In Addis Abeba verkaufen Straßenkinder aus hölzernen Bauchläden Kaugummi und Schokoladenkekse. Zwischen den parkenden Autos im Fährhafen von Daressalam machen junge Männer mit ihrem Mund ein Quietschgeräusch und bieten Wasser aus kleinen Plastiksäckchen feil. Auf dem Dorf in der Elfenbeinküste gibt es meist nicht viel mehr Abwechslung als den Fußballplatz. Junge Mädchen helfen im Haushalt, die Jungen auf dem Feld und in der Kakaoplantage. Zwar wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten Grund- und Hochschulbildung auf dem Kontinent stark ausgebaut, doch für all die Schulabgänger und Diplomierten gibt es nicht genug Arbeitsplätze.
Es brodelt in der Jugend Ugandas
Auch in Uganda sieht das Bild ähnlich aus. Das Jahr 2021 begann in dem ostafrikanischen Binnenland mit der Bestätigung des seit 35 Jahren regierenden Präsidenten Yoweri Museveni im Amt. Bei seinem ersten Amtsantritt waren die meisten Bürger noch nicht geboren: 46 Prozent der Bevölkerung sind 14 Jahre alt oder jünger und über drei Viertel sind unter 35 Jahre alt.
Wie in Sambia prägte die junge Generation auch in Uganda den Wahlkampf. Der Wunsch nach einer Veränderung im zweitjüngsten Land der Welt mit einem Altersdurchschnitt von aktuell 15,8 Jahren ist groß und deutlich spürbar. Insbesondere unter den jungen Leuten besteht die Bereitschaft zu einem radikalen Wandel.
Es fehlen Arbeitsplätze. Der demografische Druck wächst und wächst. Seit Beginn des Millenniums verzeichnet Uganda ein konstantes Bevölkerungswachstum von über drei Prozent. Sollte der heutige Trend von 3,7 Prozent anhalten, wird sich die Bevölkerung von zurzeit 47 Millionen in weniger als 20 Jahren verdoppeln. Schon jetzt strömen immer mehr Menschen in die Städte. Die damit verbundenen Hoffnungen, Erwartungen, aber auch Enttäuschungen ob der nicht erfüllten Wünsche sind groß.
Diese Stimmung konnte im Wahlkampf am besten Robert Kyagulanyi Ssentamu – besser bekannt unter seinem Künstlerpseudonym Bobi Wine – für sich nutzen. Dem in den Straßen omnipräsenten Wahlversprechen des Präsidenten, die „Zukunft zu sichern“, stellte der 40-jährige ehemalige Musiker seinen simplen, aber drastischen Hashtag #WeAreRemovingADictator entgegen und mobilisierte auf diesem Wege zahlreiche Anhänger in den sozialen Medien. Die heftige, aber kurze Welle seiner Popularität sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch er nicht in der Lage war, konkrete Lösungen für die jungen Ugander anzubieten. Er reiht sich in die Linie von Politikern ein, die einfache Lösungen für komplexe Herausforderungen versprechen. Wenn, wie so oft nach einem Wahlsieg, die Versprechungen nicht mit Leben gefüllt werden, bleibt die Jugend enttäuscht zurück und verliert zu Recht den Glauben an die Politik.
Eine Charta für die Jugend
Um die Lage der Jugend auf dem Kontinent zu verbessern, nahm die Afrikanische Union das Thema vor 15 Jahren auf ihre Agenda. Die AU kann zwar keine Arbeitsplätze schaffen, jedoch ihre Mitgliedstaaten dazu anregen, Politiken zu formulieren, die stärker auf die Interessen und Bedürfnisse der Jugend ausgerichtet sind. 2006 verabschiedeten die AU-Mitgliedstaaten bei ihrer Vollversammlung in Banjul, Gambia – damals noch regiert von Diktator Yahya Jammeh – die bis heute gültige Afrikanische Jugend-Charta (African Youth Charta). Das Dokument war im Lichte der Millennium Development Goals entstanden, welche neben der Beseitigung extremer Armut und extremen Hungers unter anderem zu einer flächendeckenden Grundschulbildung sowie zu einem Rückgang der Geburtensterblichkeit beitragen sollten.
„Überzeugt, dass Afrikas größte Ressource seine junge Generation ist“, wie es in der Präambel der Charta heißt, „und dass durch ihre aktive und volle Teilhabe Afrikaner die vorausliegenden Herausforderungen bewältigen können“, verabschiedeten die Mitgliedstaaten das Dokument. Darin definierten sie die „Jugend“ mit der Altersspanne von 15 bis 35 Jahren.
Papiere und Posten sind noch keine Erfolge
Eine Kernforderung der Charta ist es, dass alle AU-Mitgliedstaaten eine „Nationale Jugendpolitik“ entwickeln sollen – insofern sie noch keine haben. Die AU möchte ihre Rolle als Koordinator wahrnehmen, den Wissensaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fördern und ihrerseits mehr Angebote der Teilhabe innerhalb der Organisation schaffen. Fast vier Jahre dauerte es, bis das Dokument in Kraft trat, obgleich dafür nur die Ratifizierung durch 15 Mitgliedstaaten nötig war. Von 55 AU-Mitgliedstaaten haben es bis heute 39 ratifiziert.
Zeitgleich mit Inkrafttreten der Charta 2009 verabschiedete die AU-Vollversammlung einen „Jugendaktionsplan für die Dekade von 2009 bis 2018“ (African Youth Decade 2009–2018 Plan of Action). Der Plan formulierte konkrete Maßnahmen, mit denen die Inhalte der Jugend-Charta durch die Mitgliedstaaten in die Tat umgesetzt werden sollten. Die AU und die Regionalen Wirtschaftsgemeinschaften (RECs) würden die Staaten bei der Entwicklung von Politiken und Programmen unterstützen und versuchen, die öffentliche Wahrnehmung von Jugendthemen in Afrika zu erhöhen.
Wer ist die afrikanische Jugend? Was möchte sie?
Das heutige Afrika ist ein anderes als zur Stunde der Entkolonialisierung. Somit sind auch die Einstellungen, Prioritäten und Ziele der heutigen Jugend andere als die der Gründungsväter. „Für sie war das Ziel die Unabhängigkeit. Doch wir wollen einen Kontinent ohne Grenzen. Wir wollen E-Governance. Wir wollen das Internet für Innovationen nutzen. Wir wollen E-Commerce. Wir wollen Handel treiben“, sagt etwa Aya Chebbi, bis vor Kurzem Jugendbeauftragte der Afrikanischen Union. Die Position wurde im Zuge des Dekaden-Aktionsplans geschaffen und soll zu einer stärkeren Öffentlichkeit für die Jugend in Afrika beitragen. Die tunesische Social-Media-Aktivistin Chebbi ist bekennende Feministin. Jung, weiblich, kämpferisch, das sieht öffentlich gut aus. Aber repräsentiert das auch die Jugend Afrikas? Und sind es die Dinge, die Chebbi in einem Interview mit der Voice of America aufzählt, die die afrikanische Jugend wirklich möchte?
Das Bild einer technikaffinen, jungen afrikanischen Generation, die schicke Modeaccessoires trägt und das Klischee einer vibrierenden Start-up-Szene erfüllt, ist nur in begrenztem Maße richtig. Das Gros der Jugend Afrikas ist arm und lebt, wie allgemein die Mehrheit der Bevölkerung, auf dem Land, abgeschnitten von grundlegender Infrastruktur wie fließend Wasser und Strom – vom schnellen Internet ganz zu schweigen. Betrachtet man ferner die Jugend als die Lebensphase zwischen Kindheit und Erwachsensein, dann hat der Ausbau von Grund- und Hochschulbildung zwar die Dauer dieses Lebensabschnitts auch auf dem afrikanischen Kontinent verlängert. Dieser hat im Vergleich zu den offenen Gesellschaften der westlichen Staaten jedoch keine industrielle Revolution durchlaufen. Traditionelle Sozialstrukturen mit klaren Rollenmustern für Mann und Frau haben Bestand. Sich auszuprobieren, sich selbst zu finden, kreativ zu sein, ist anders als im Westen nur wenigen jungen Menschen in Afrika vorbehalten.
Eine durchwachsene Bilanz
Genauso wie das von der AU unter anderem in Person von Aya Chebbi vermittelte Bild der Jugend Afrikas fehlgeht, muss die gesamte Bilanz der Charta kritisch gesehen werden, auch wenn sie bis dato zu den wichtigsten Initiativen und Bereichen gehört, in denen die AU Akzente setzen konnte. Zum einen weist das 22-seitige Dokument an sich bereits mehrere Probleme auf. Liest man es, vermittelt es zuweilen den Eindruck, als ob es zum Zeitpunkt seiner Formulierung keine geltenden Verfassungen mit grundlegenden Freiheitsrechten in Afrika gab. So werden für die Jugend das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit, auf Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und vielen anderen Dingen gefordert. Vor allem aber konnte die AU-Jugend-Charta die Jugendpolitiken der Mitgliedstaaten in der Praxis insgesamt nicht aufwerten. Zwar haben bis heute 32 afrikanische Staaten eine Nationale Jugendpolitik entwickelt. Vieles ist jedoch Theorie geblieben. Implementierung ist das große Problem. Außerdem stellt die Mehrzahl der Strategiepapiere die Beschäftigungspolitik in den Mittelpunkt.
Jugendpolitik ist nicht gleich Beschäftigungspolitik
Ghanas Jugendpolitik von 2010 – die National Youth Policy of Ghana – formuliert zum Beispiel 19 Förderbereiche, von denen allein sieben der Wirtschaft gewidmet sind. Die Liste ähnlicher Jugendpolitiken ließe sich fortsetzen. Jugendbeschäftigung hat für Afrikas wirtschaftliche Entwicklung ohne Zweifel große Bedeutung – und ist eine enorme Chance gemessen an der Größe der jungen arbeitsfähigen Bevölkerung. „Echte“ Jugendpolitik sollte jedoch mehr als Beschäftigungspolitik sein und von ihr klar getrennt werden. Zumal eine erfolglose Beschäftigungspolitik für die afrikanischen Staaten in sich die Möglichkeit trägt, die Verantwortung dafür an andere abzugeben (Handelshemmnisse, globale Rezession, Wirtschaftssanktionen).
Für eine Reform der AU-Jugendpolitik
„Ich nehme mir vor, mit Ihrer Unterstützung unsere Organisation aus den Konferenzsälen, Festplatten und fest verschnürten Aktenordnern herauszuholen. Ich habe die Absicht, sie in die Schulhöfe, die Flüchtlingslager, auf die Marktplätze unserer Städte und die Felder unserer Dörfer zu bringen.“ Die Afrikanische Union sollte sich – 15 Jahre nach der Formulierung der AU-Jugend-Charta – von den Worten des Staatspräsidenten der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo), Félix Tshisekedi, leiten lassen, welche er zu Beginn seiner rotierenden Präsidentschaft der AU 2021 sprach, und eine Reform ihrer Jugendpolitik wagen. Abgesehen davon, dass die Charta zeitlich vor heute international wichtigen Strategien entstand und diese daher nicht nennt – insbesondere die Nachhaltigen Entwicklungsziele, die VN-Jugendstrategie und die Agenda 2063 der AU –, sollte eine neue AU-Jugendpolitik einen Schwerpunkt auf das große zivilgesellschaftliche Engagement der jungen Bevölkerung legen. Getrennt von Beschäftigungspolitiken und allgemeinen Entwicklungsplänen sollte eine neue Politik sich auf die der Jugend eigenen Fähigkeiten und Eigenschaften konzentrieren und versuchen, diese für Entwicklungsprozesse zu nutzen. Ganz gleich, ob auf dem Land oder in der Stadt, ob bildungsnah oder -fern: Der Elan und Anspruch der Jugend, die Dinge positiv für sich und ihre Umwelt zu verändern und sich zu beteiligen, ist ihr überall gemein. Bei der Verjüngung der eigenen Reihen geht die AU mit gutem Beispiel voran und hat auf ihrem Gipfel Anfang 2021 entschieden, dass bei Einstiegspositionen bei der AU die junge Generation bevorzugt berücksichtigt werden soll.
Für die Mitgliedstaaten wäre es beispielsweise möglich, gezielte Förderprogramme aufzulegen, die gesellschaftliches Engagement von Jugendlichen unterstützen, die sich in der Nachbarschaft für die Umwelt einsetzen, soziale Angebote für Gleichaltrige schaffen oder sich um schwächere Glieder der Gesellschaft kümmern. Dafür braucht es keine großen finanziell unterlegten Programme, neue Strukturen und Positionen. Gesellschaftliche Kooperation stärkt die soziale Kohäsion. Die junge Generation möchte mitwirken, teilhaben und sich tatkräftig einbringen.
Auch die politische Teilhabe sollte in einer neuen AU-Jugendpolitik stärker betont und ernster genommen werden. Viele der Mitgliedstaaten haben Nationale Jugendräte geschaffen, die mal stärker, mal schwächer ausgeprägt sind, in der Regel jedoch kaum Gehör finden und in autokratischen Staaten meist von Anhängern der Regierungspartei dominiert sind. Eine neue Jugendpolitik der AU sollte versuchen, die Nationalen Jugendräte der Mitgliedstaaten in ihrer Unabhängigkeit und Input-Funktion zu stärken, auch auf der überregionalen Ebene.
Great Lakes Youth Network for Dialogue and Peace
Vor Kurzem hat die Konrad-Adenauer-Stiftung in der Region der Afrikanischen Großen Seen ein EU-kofinanziertes Projekt begonnen, das in diese Kerbe schlägt. Das Projekt namens Great Lakes Youth Network for Dialogue and Peace soll mit fünf lokalen Partnern in der Grenzregion der Großen Seen zwischen der DR Kongo, Ruanda, Uganda und Tansania ein Netzwerk von Jugendinitiativen etablieren, die sich für den Frieden engagieren. Das kann von Demokratie, Beschäftigung und Klima bis hin zu Gesundheit und Gleichberechtigung zahlreiche Aspekte umfassen. Viele Jugendliche in der konfliktreichen Region haben in den vergangenen Jahren das Heft des Handelns in die Hand genommen und möchten da anpacken, wo es die nationale Politik versäumt oder mangels Kapazitäten nicht schafft. Über einen Zeitraum von drei Jahren wählt das Projekt bis zu 120 Initiativen aus, stärkt sie in ihren internen Fähigkeiten, vernetzt sie untereinander und grenzübergreifend und bringt sie mit nationalen und internationalen Entscheidungsträgern aus Politik, Wirtschaft, Entwicklung, Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Medien und Kultur zusammen. Dadurch soll die Stimme der Jugend in Entscheidungsprozessen gestärkt und der Austausch gefördert werden.
Eine neue Hoffnung: Junge Parlamente?
Wie so vieles auf dem Kontinent wird sich letztlich auch die Frage der Jugend und ihrer Teilhabe am politischen Willen der Regierenden Afrikas entscheiden – an dem es bislang mangelt. Gegen den Pessimismus, es werde sich nie etwas in Afrika ändern, kann jedoch eine Entwicklung helfen, die sich in Uganda und anderen Ländern abzeichnet.
Die Generation U25 war bei den jüngsten Wahlen lautstark und präsent. Ob zugetan oder auf Distanz, niemand konnte sie mehr ignorieren – nicht als Wähler und auch nicht als Mitbewerber um politische Ämter. Fast 15 Prozent der ugandischen Abgeordneten im neu gewählten Parlament sind jünger als 35 Jahre. Von den 615 Direktkandidaten bei den Parlamentswahlen waren 28,5 Prozent unter 35 Jahre alt. Unter den 151 Frauen, die sich um die Spitzenpositionen in den Distrikten und Städten (district and city representatives) bemühten, fielen 17,5 Prozent der Bewerberinnen in diese Alterskategorie. In 24 Distrikten der Zentralregion haben junge Kandidaten 80 Prozent der zur Wahl stehenden Ämter für sich erringen können und sich damit vielerorts gegen altgediente Amtsinhaber durchgesetzt. Die Hoffnung ist, dass sie die Interessen ihrer eigenen Bevölkerungsgruppe besser vertreten. Eine Garantie dafür gibt es freilich nicht.
Weg von den Festplatten – mehr Fokus auf die Jugend
Die westliche Staatengemeinschaft sollte diese Entwicklung im Blick haben, allgemein jedoch nicht so lange warten, bis die afrikanischen Regierungen von sich aus mehr politischen Willen zeigen. Eine Umfrage von Afrobarometer unter 15- bis 35-Jährigen in 18 afrikanischen Ländern zeigte jüngst, dass 64 Prozent der Befragten sehr unzufrieden mit der Entwicklung ihrer Länder sind. Auf die politische Stabilität der Länder in den kommenden zehn Jahren zu setzen ist eine riskante Wette. Migrationsdruck wird fortbestehen und weiterwachsen.
Afrikas Zukunft hängt von der Jugend ab. Das betrifft sowohl die wirtschaftliche Entwicklung als auch die politische Ausrichtung des Kontinents. Zur Förderung der jungen Generation ist viel möglich: die Unterstützung von Universitäten und Ausbildungsprogrammen, die auf Verwaltungen ausgerichtet sind, sowie mehr Praktika und Berufseinstiege in den westlichen Entwicklungs- und Durchführungsorganisationen vor Ort. Das Erlernen von Struktur, Ordnung und festen Arbeitsprozessen ist oft nachhaltiger als manch gut gemeintes Klimaprogramm.
Zu Recht hat der französische Staatspräsident,Emmanuel Macron, die Jugend zu einem Parameter seiner Afrikapolitik gemacht, begonnen mit seiner Rede an der Universität von Ouagadougou 2017 in Burkina Faso. Beim Afrika-Gipfel Frankreichs am 8. Oktober 2021 waren zahlreiche afrikanische Jugendvertreter anwesend. Der französische Staatspräsident zeigte damit einmal mehr, dass er die Jugend als wichtigen Entwicklungspartner neben den Staatsexekutiven sieht und anerkennt. Auch die EU räumt der Jugend einen immer stärkeren Stellenwert in ihren Beziehungen mit der AU ein und veranstaltete im Vorfeld des AU-EU-Gipfels 2017 in Abidjan einen AU-EU-Jugendgipfel.
Auch die Vereinigten Staaten von Amerika betreiben seit vielen Jahren Förderprogramme für junge afrikanische Eliten. Der frühere US-Präsident Barack Obama schuf 2014 das Mandela Washington Fellowship-Programm, das im amerikanischen Außenministerium angesiedelt ist. Mit bislang rund 4.500 Teilnehmern hat das Programm große Netzwerke zwischen den Teilnehmern und den Vereinigten Staaten etabliert, die sich heute selbst tragen. Nach dem Abschluss des Programms arbeiten viele Fellows in amerikanischen Organisationen in ihren Heimatländern.
Es wäre positiv, wenn die Bundesregierung diesen Beispielen folgen würde. Beim nächsten deutschen Afrika-Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Berlin kann der Jugend ein offizieller Platz eingeräumt werden. Netzwerk- und Austauschprogramme für junge afrikanische Eliten, um sie an Deutschland zu binden, angedockt am Bundeskanzleramt, sind ebenso vorstellbar. Die Stunde dafür ist jetzt.
Anna Reismann ist Leiterin des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung für Uganda und Südsudan mit Sitz in Kampala.
Benno Müchler ist Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung für Äthiopien und die Afrikanische Union mit Sitz in Addis Abeba.
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