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Lee Smith, Reuters

Auslandsinformationen

Editorial

Ein Bundesminister der Grünen, der in die arabischen Golfstaaten reist, um dort die Lieferung größerer Mengen fossiler Brennstoffe für den Verbrauch in Deutschland zu vereinbaren – diese Nachricht ist für viele ein Sinnbild dafür, wie sich die Maßstäbe auch in der Energiepolitik im Frühjahr 2022 verschoben haben. Der russische Angriff auf die Ukraine hat vieles verändert – nicht zuletzt unseren Blick auf den Umgang mit Ressourcen. War dieser Blick zuvor geprägt von dem Versuch, ökonomische Effizienz und ökologische Nachhaltigkeit in Einklang zu bringen, so ist nun ein Aspekt hinzugekommen, der objektiv gesehen schon immer wichtig, in der öffentlichen Debatte in Deutschland aber weitgehend abwesend war: Macht.

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Wer über Ressourcen wie beispielsweise Energieträger verfügt, kann diese nicht nur verkaufen und aus den Einnahmen „klassische“ Machtinstrumente wie Panzer und Raketen finanzieren. Er kann sie auch als Druckmittel gegenüber Abnehmern verwenden, die sich allzu abhängig gemacht haben. Mit der Androhung von Lieferstopps wird Angst geschürt, die Stimmung beeinflusst und so Macht ausgeübt.

Sich aus solchen Abhängigkeiten zu befreien, ist eine sicherheitspolitische Notwendig­keit – aber auch ein anspruchsvolles Unterfangen. Das zeigt sich in den deutschen und europäischen Energie­beziehungen mit Russland und dort insbesondere beim Thema Gas. Bei der Suche nach alternativen Lieferquellen geht der Blick vielfach nach Nordafrika und in den Nahen Osten. Doch sind dort zwar große Mengen fossiler Energieträger vorhanden, aufgrund logistischer Hindernisse und politischer Risiken kann und sollte die Region kurzfristig jedoch nicht das Gros der deutschen und europäischen Importe aus Russland ersetzen. Sie kann nur ein Teil einer neuen Diversifizierungsstrategie sein, analysieren Simon Engelkes und Ludwig Schulz in dieser Ausgabe der Auslandsinformationen.

Die Wirksamkeit von Sanktionen wiederum, insbesondere von Energieembargos gegen Russland, hängt auch davon ab, ob es Moskau gelingt, seine Rohstoffe statt nach Europa in andere Weltregionen zu verkaufen. Dabei kommt dem asiatischen Markt eine zentrale Bedeutung zu. Christian Hübner beschreibt in seinem Beitrag, wie China, aber auch Indien die Situation als Chance begreifen und die Rohstoffe, die Russland im Westen nicht mehr zu Geld machen kann, zu Billigpreisen abnehmen könnten.

Neben Importen aus anderen Kontinenten ist eine gesteigerte eigene Förderung für die europäischen Staaten eine Möglichkeit, die Abhängigkeit von Russland zu reduzieren. Rumänien könnte, so Otilia Nutu, nicht nur sich selbst, sondern auch seine südosteuropäische Nachbarschaft mit Gas und Strom versorgen. Nötig aber wäre dafür eine grundlegende Reform der politischen Rahmenbedingungen, die Investitionen in diesen Sektoren in den vergangenen Jahren abgewürgt haben.

Auch bei den Agrarressourcen hat der Krieg in der Ukraine die Prioritäten verändert. Zurecht hat das Thema Nachhaltigkeit in der europäischen Agrarpolitik in der jüngeren Vergangenheit großen Raum eingenommen. Vor dem Hintergrund der Kämpfe in der Ukraine und der damit einhergehenden Lieferausfälle etwa von Getreide müssen jedoch bestimmte Maßnahmen wie Flächenstilllegungen überdacht werden. Der Nahrungsmittelsicherheit sollte Vorrang eingeräumt werden, schreibt André Algermißen. Gleichzeitig dürfe die aktuelle Krise nicht als Vorwand genutzt werden, um Umweltschutzbemühungen in der Landwirtschaft auf unbestimmte Zeit zu vertagen.

Ökologische Herausforderungen wie der Klimawandel machen bei aller berechtigter Aufmerksamkeitskonzentration auf den Ukrainekrieg keine Pause. Dafür zu sorgen, dass auch die internationale Klimaschutzdiplomatie vor der 27. Weltklimakonferenz in Ägypten weiter voranschreitet, ist daher eine wichtige Aufgabe. Anja Berretta erläutert, wie afrikanische Staaten ihr Gewicht in den Weltklimaverhandlungen dank geschickter Koordination beträchtlich haben erhöhen können und warum sie dennoch – bei allen Unterschieden von Land zu Land – häufig „zu Hause“ eine schlechte Bilanz in Sachen Umwelt- und Klimaschutz aufweisen.

Mangelnder Klimaschutz wiederum ist seit einigen Jahren vermehrt Streitgegenstand vor internationalen Menschenrechtsgerichten. Aber können Richter tatsächlich das Klima retten? Mit dieser Frage setzen sich Franziska Rinke und Hartmut Rank auseinander und legen dabei den Schwerpunkt auf Lateinamerika sowie Europa. Ihre Bilanz fällt gemischt aus, denn die Justiz kann mit ihren Urteilen zwar Signale setzen, aber keinen fehlenden politischen Willen der Staaten ersetzen.

Beim Thema Ressourcen wird es also für die europäischen Staaten künftig darum gehen, in einem Dreiklang zu handeln, der ökologische und wirtschaftliche Erwägungen einbezieht, aber eben auch das Denken in strategischen, machtpolitischen Kategorien. Konkret heißt das, in Zukunft bei allen ressourcenpolitischen Entscheidungen neben Erwägungen der Nachhaltigkeit und des Preises immer auch die Frage zu stellen: Erhöhen oder senken wir durch diese Entscheidung unsere politische Erpressbarkeit? Dieses Umdenken wird Deutschland vielleicht noch mehr als manches Nachbarland auf politischer sowie gesellschaftlicher Ebene fordern. Daran führt jedoch kein Weg vorbei – will man die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.

Ihr

Dr. Gerhard Wahlers ist Herausgeber der Auslandsinformationen (Ai), stellvertretender General­sekretär und Leiter der Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung (gerhard.wahlers@kas.de).

 

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