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Editorial der Ausgabe: "Parteien – Herausforderungen und Perspektiven"

Parteien sind ein Grundpfeiler des demokratischen Systems. Sie übernehmen zentrale Funktionen wie die Förderung von Partizipation am politischen Leben von Bürgerinnen und Bürgern und die Gestaltung der öffentlichen Meinung. Sie haben maßgeblichen Einfluss auf die politische Entwicklung im Land und sind das Scharnier zwischen Volk und Staatsorganen. Parlamentarische Demokratie ist letzten Endes immer Parteiendemokratie.

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Die Herausforderungen, vor die Parteien durch Entwicklungen in modernen Gesellschaften gestellt werden, sind enorm – etwa die zunehmende Polarisierung politischer Positionen oder die Digitalisierung vieler Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens. Für diese Herausforderungen müssen Parteien kreative Lösungen finden.

Gerade die Digitalisierung bietet Chancen: Parteien haben heute weit vielfältigere Möglichkeiten, Menschen einzubinden, die eigenen Positionen zu verbreiten und potenzielle Wähler anzusprechen. Ein Wahlkampf ohne Social-Media-Kampagne ist längst undenkbar geworden. Parteien müssen jedoch weiterhin auf allen Kanälen mit ihren Wählerinnen und Wählern kommunizieren. Ein gutes digitales Angebot wird heute weltweit vorausgesetzt. Traditionelle Wahlkampfformen wie der klassische Hausbesuch sind dadurch jedoch keineswegs überflüssig, schreibt Frank Priess in seinem Beitrag.

Nicht nur die technische Entwicklung hat ihre Folgen. Auch der gesellschaftliche Wandel wird vielerorts in der Parteienlandschaft sichtbar. Es gründen sich neue Parteien, die die etablierten herausfordern. Das ist an sich zwar kein neues Phänomen – neu ist jedoch das Tempo, mit dem die neuen Parteien Erfolge erzielen, analysiert Franziska Fislage mit Blick auf die Situation in Europa. Neue Parteien profitieren dabei von Entwicklungen, die schon seit geraumer Zeit zu beobachten sind: Die Bindung an Parteien nimmt ab, die Wählervolatilität zu und alte politische Konfliktlinien treten in den Hintergrund. Die neuen Parteien vermitteln ein Gefühl der Andersartigkeit – und ihr Erfolg speist sich nicht selten auch aus einem Verlust an Vertrauen in politische Institutionen.

Die Schwierigkeit, nachhaltiges Vertrauen in das politische System überhaupt erst aufzubauen, zeigt sich in Tunesien. Zehn Jahre nach der Revolution und dem Sturz des Diktators Ben Ali ist die politische Stimmung dort von Ernüchterung geprägt, schreibt Holger Dix. Er identifiziert mehrere Trends, die die Festigung der noch jungen Demokratie erschweren und sie auf die Probe stellen – unter anderem eine wachsende Skepsis gegenüber der Demokratie, ein Bedeutungsverlust der politischen Parteien in einem zunehmend fragmentierten Parteiensystem sowie eine politische Instabilität, die sich in zahlreichen Regierungswechseln äußert.

Mit einem Vertrauensverlust zu kämpfen haben auch Parteien in Lateinamerika, wo vielerorts eine zunehmende gesellschaftliche Polarisierung festzustellen ist, die sich auch im Erfolg charismatisch-populistischer Anführer zeigt. Und dies, obwohl viele Parteien in Lateinamerika auf einer langen Tradition aufbauen können. Dabei erkennt China in der Schwäche lateinamerikanischer Parteien eine Chance zur Einflussnahme. So baut Peking die Beziehungen zu lateinamerikanischen Parteien gezielt aus und nutzt seinen wirtschaftlichen Einfluss, um Partner in politische und geostrategische Abhängigkeiten zu treiben – eine Tatsache, der man in Europa nicht mit Gleichgültigkeit begegnen kann, wie Sebastian Grundberger anmerkt. Ein besonderes Beispiel einer Partei, die um ihre Stellung kämpft, findet sich in Mexiko: Die Partido Acción Nacional (PAN) blickt auf eine lange und wechselhafte Geschichte zurück. Vor den richtungsweisenden Wahlen 2021 hat die derzeit stärkste Oppositionspartei die Aufgabe, sich gewissermaßen zu erneuern. Sie benötigt ein überzeugendes Programm, muss politisch erfahrene und vor allem glaubwürdige Kandidaten aufstellen sowie strategische Allianzen schmieden, schreiben Hans-Hartwig Blomeier und Ann-Kathrin Beck.

Anders als in Lateinamerika ist in Afrika südlich der Sahara die Mehrzahl der Parteiensysteme stark fragmentiert. Die Parteien selbst sind programmatisch häufig kaum unterscheidbar, gesellschaftlich nur schwach verankert und nicht selten von einer starken Führungsfigur abhängig – nicht zuletzt finanziell. Benno Müchler und Christoph Schmidt warnen in ihrem Beitrag jedoch davor, nur die Defizite in den Blick zu nehmen. Es dürfen nicht all jene politischen Akteure übersehen werden, die Politik nicht nur als Geschäft betreiben und den Staat nicht als Ressource sehen, sich zu bereichern.

Neue Parteien, Klientelparteien, Volksparteien. Auch wenn weltweit die Lage sehr unterschiedlich ist und häufig Defizite auszumachen sind, zeigt sich doch: Nur dort, wo eine gewisse Vielfalt an Parteien besteht, wo Parteien in einem freien Raum agieren können, über aussagekräftige Programme verfügen und gleichzeitig kommunikations- und führungsfähig sind, ist der demokratische Prozess gesichert. Daher ist für eine Stärkung der Demokratie immer auch eine Stärkung der Parteien nötig.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.

Ihr

Dr. Gerhard Wahlers ist Herausgeber der Auslandsinformationen (Ai), stellvertretender Generalsekretär und Leiter der Hauptabteilung Euro­päische und Internationale Zusammenarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung (gerhard.wahlers@kas.de).

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