Ausgabe: 2/2023
Neutralität als Kalkül
Mit dem Überfall Russlands auf die gesamte Ukraine am 24. Februar 2022 kehrte der klassische zwischenstaatliche Krieg zurück nach Europa. Das, was den meisten zuvor als absolut unmöglich erschien, wurde Realität. Die Abstimmungstafel in der Generalversammlung der Vereinten Nationen wurde bald zur Projektionsfläche der Unterstützung entweder für die Ukraine oder für Russland. Sie wurde aber auch zur Interpretationsfläche entlang einer moralischen Skala zwischen der „richtigen“ und der „falschen“ Seite der Geschichte. Der Feststellung und Betonung, dass sich die meisten Staaten der Welt mit der Ukraine solidarisieren, steht die Erkenntnis gegenüber, dass die Mehrheit der Weltbevölkerung sich auf der Seite der sich enthaltenden beziehungsweise mit Russland sympathisierenden Staaten wiederfindet.
Seit Beginn der Invasion hat sich die internationale Gemeinschaft in sechs Abstimmungen der UN-Generalversammlung mit deren Auswirkungen und Folgen beschäftigt: von der ersten Verurteilung der Aggression Russlands bis zuletzt beim Votum für einen umfänglichen, gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine in Übereinstimmung mit der UN-Charta. Zur Abstimmung gestellt wurden auch Resolutionen zu den humanitären Folgen des Krieges und zur Unterstützung der territorialen Integrität der Ukraine. In diesen Abstimmungen wie auch bei den beiden zur Suspendierung Russlands vom UN-Menschenrechtsrat und zur Verpflichtung Russlands zur Zahlung von Reparationen an die Ukraine, die die meisten Enthaltungen und Gegenstimmen erhielten, enthielt sich Uganda. Es ist damit das einzige Land in Ostafrika, das in allen sechs Abstimmungen das gleiche Votum abgab.
Kenia etwa, das bis Ende 2022 einen nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat hatte, stimmte stets mit Ja, abgesehen von der Enthaltung bei der Abstimmung zur Suspendierung Russlands vom Menschenrechtsrat. Bereits am 21. Februar 2022, bei einer Krisensitzung des UN-Sicherheitsrats, sprach Kenias Ständiger Vertreter bei den Vereinten Nationen, Botschafter Martin Kimani, vielen Afrikanerinnen und Afrikanern aus dem Herzen. Er betonte, Russlands Handlungen richteten sich gegen die Prinzipien der Charta. Mit dem Hinweis auf die koloniale Vergangenheit des afrikanischen Kontinents warnte er vor einem rückwärtsgewandten Blick in die Geschichte, der – gekoppelt mit einer gefährlichen Nostalgie – neue Formen von Vorherrschaft und Unterdrückung mit sich bringen würde. Im Namen Kenias lehnte er Irredentismus und Expansion ab, unabhängig von ihrer Grundlage. Gleichzeitig verurteilte er scharf die in den vergangenen Dekaden zu beobachtende Bereitwilligkeit der starken Mächte – zu denen er die Mitglieder des Sicherheitsrats zählte –, das Völkerrecht zu brechen.
Imperiale Expansion und die daraus resultierende Entmündigung und Unterdrückung sind den Menschen auf dem afrikanischen Kontinent nur allzu bekannt. Die koloniale Erfahrung ihrer Völker ist Teil ihrer Identität. Wie erklärt es sich dann, dass ein Land mit einer langen Kolonialgeschichte wie Uganda nicht jede Form von Imperialismus und Kolonialismus verurteilt, sondern sich stattdessen „neutral“ verhält?
Ugandas offizielle Position verstehen
Offiziell wird der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine in Uganda nicht als ein imperialistischer oder kolonialistischer Krieg angesehen. Anzunehmen, dass eine solche Bewertung innerhalb der gesamten politischen Elite des Landes Konsens ist, wäre jedoch falsch. Allerdings wird dies nicht öffentlich thematisiert und die offizielle Position Ugandas wird de facto von höchster Stelle – dem Präsidenten des Landes selbst – formuliert. Öffentlich zieht dieser Parallelen zur Kubakrise im Jahr 1962. Insbesondere nach dem Besuch des russischen Außenministers Sergej Lawrow Ende Juli 2022 zeigte Präsident Yoweri Museveni Verständnis für Moskaus Position, dass die NATO-Erweiterung Russland bedrohe.
Eine besondere Verbundenheit zu Russland begründet Museveni auch damit, dass nach der Machtübernahme der Bolschewiken und der Gründung der Sowjetunion 1917 diese den antikolonialen Kampf afrikanischer Länder unterstützt habe. Daraus leitet er ab, dass Uganda nicht gegen einen Staat stimmen könne, der dem Land seinerzeit geholfen habe. Auch wenn der Präsident angibt, sich weder auf die Seite des Westens noch auf die Seite Russlands stellen zu wollen, spiegeln sich in seiner Interpretation doch Denkmuster des Kalten Krieges wider. In diesen Kontext passt auch die offizielle Begründung des Ständigen Vertreters Ugandas bei den Vereinten Nationen, das Land nehme als Mitglied in der Bewegung der Blockfreien Staaten eine neutrale Position ein. Den Vorsitz der Bewegung soll Uganda im Januar 2024 von Aserbaidschan übernehmen.
Abb. 1: Abstimmungsverhalten ostafrikanischer Staaten in der UN-Generalversammlung zum Angriff Russlands auf die Ukraine
• Ja-Stimme • Enthaltung • Abwesenheit • Nein-Stimme. Quellen: eigene Darstellung basierend auf UN 2022: Aggression against Ukraine: resolution / adopted by the General Assembly, A/RES/ES-11/1, 02.03.2022, in: https://bit.ly/43jJ6js [31.05.2023]; UN 2022: Humanitarian consequences of the aggression against Ukraine: resolution / adopted by the General Assembly, A/RES/ES-11/2, 24.03.2022, in: https://bit.ly/43h0ipZ [31.05.2023]; UN 2022: Suspension of the rights of membership of the Russian Federation in the Human Rights Council: resolution / adopted by the General Assembly, A/RES/ES-11/3, 07.04.2022, in: https://bit.ly/44yfEr7 [31.05.2023]; UN 2022: Territorial integrity of Ukraine: defending the principles of the Charter of the United Nations: resolution / adopted by the General Assembly, A/RES/ES-11/4, 12.10.2022, in: https://bit.ly/44ANBHI [31.05.2023]; UN 2022: Furtherance of remedy and reparation for aggression against Ukraine: resolution / adopted by the General Assembly, A/RES/ES-11/5, 14.11.2022, in: https://bit.ly/44fOxkX [31.05.2023]; UN 2023: Principles of the Charter of the United Nations underlying a comprehensive, just and lasting peace in Ukraine: resolution / adopted by the General Assembly, A/RES/ES-11/6, 23.02.2023, in: https://bit.ly/3D1FQ1t [31.05.2023].
Neben der historischen Einbettung der Position Ugandas bemüht der Präsident, wie so oft, seine prinzipielle Haltung, er lasse sich von niemandem bevormunden, belehren oder unter Druck setzen. Dieser Vorwurf gilt vor allem den westlichen Partnern Ugandas. Auch in der aktuellen Konfliktlage weist er gern öffentlich darauf hin, dass die Bemühungen des „Westblocks“ oder der „Westgruppe“, Uganda auf die eigene Seite zu ziehen, ins Leere laufen würden. In einem Interview mit der BBC im August 2022 sagte Präsident Museveni, Uganda lasse die USA hinsichtlich ihres zivilen Beitrags gewähren und sei bereit, auf das Geld zu verzichten – einen Hebel hätten die Vereinigten Staaten dadurch nicht. Es ist eine bekannte Rhetorik des Präsidenten, die dem Selbstwertgefühl vieler Ugander schmeichelt. Faktisch ist das Land aber auf diese Gelder angewiesen.
Präsident Museveni versucht sich in einer Schaukelpolitik. Er weist gern darauf hin, dass die Maxime für sein Handeln in der Unterscheidung zwischen „progressiven und reaktionären Kräften“ liege. Die „progressiven Kräfte“ seien dabei solche, die Fortschritt und Stabilität unterstützten. Um welches ideologische oder politische System es sich dabei handelt, sei irrelevant. Es gebe weder bevorzugte Freunde noch präferierte Gruppierungen. Doch auch wenn viele in der ugandischen Elite diesen angeblichen Pragmatismus nach außen teilen, verweisen sie gleichzeitig oft auf die Vorteile einer Kooperation mit den westlichen Ländern – jedoch nicht um den Preis einer Bevormundung. Und tatsächlich stärken überzogene Erwartungen der westlichen Partner und deren manchmal spürbarer Paternalismus eine Abwehrhaltung ihnen gegenüber und steigern die Attraktivität einer Kooperation mit anderen Staaten.
Regionale Vormachtstellung und eigene Machtsicherung
Die Außenpolitik Ugandas ist afrikazentriert und nach Angaben des Außenministeriums gleichsam an drei konzentrischen Ringen ausgerichtet. In dem inneren und wichtigsten Ring für die Beziehungen Ugandas finden sich die unmittelbar benachbarten Länder, die Ostafrikanische Gemeinschaft, die IGAD-Staaten und das Nilbecken. In dem mittleren Ring sind der Rest Afrikas, die Afrikanische Union, COMESA und der Mittlere Osten. Der Rest der Welt und die entsprechenden multilateralen Organisationen bilden den äußeren Ring. Die Ambitionen Ugandas, die Politik in dem äußeren Ring mitzugestalten, halten sich in Grenzen.
Dem liegt eine durchaus realistische Vorstellung von den eigenen Einflussmöglichkeiten als eines der am wenigsten entwickelten Länder der Welt zugrunde. Der außenpolitische Einsatz soll der Bewahrung der nationalen Interessen dienen – allen voran der Sicherheit. Dabei sieht sich Präsident Museveni als Garanten und größten Kämpfer für den Frieden, die Sicherheit in der Region und die Idee des Panafrikanismus. Die Sicherung der Stabilität im eigenen Land und in der Region bedingen – seiner Überzeugung nach – die Kontinuität an der Spitze des ugandischen Staates und umgekehrt. Diese Wahrnehmung findet im Land selbst, in der Region, aber auch unter den internationalen Partnern Anklang. Gerade westliche Länder haben Museveni über lange Jahre unterstützt, weil sie in ihm einen Garanten für die Stabilität in der Region sahen.
Seine seit 37 Jahren andauernde Präsidentschaft begründet er nicht zuletzt durch seine Unentbehrlichkeit als Strippenzieher in der Region und durch seine noch unvollendeten Visionen zu deren Befriedung und Integration. Internationale Partner, die ihm zur Festigung seiner Machtstellung im eigenen Land und in der Region beistehen, sind seine Verbündeten. Während die traditionellen westlichen Partner – die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten, die USA und Großbritannien – eine wichtige Rolle bei der Sicherung der Stabilität in der Region spielen, sind sie gleichzeitig deutliche Kritiker der innenpolitischen Militarisierung Ugandas, der prekären Menschenrechtslage im Land und des autoritären Herrschaftsstils. Andere internationale Partner halten sich mit solcher Kritik zurück, vor allem Russland und China. Diese beiden Länder befinden sich vielmehr im Wettstreit um die „geeignete“ autoritäre Herrschaftsform – zwischen einem bürokratischen und einem nepotistischen Autoritarismus. Es ist daher nicht überraschend, dass Museveni infolge der von den westlichen Partnern stark kritisierten Wahlen 2011 stärkere Annäherung an diese beiden Staaten gesucht hat. In diesem Zusammenhang erhob Museveni zudem den Vorwurf westlicher Arroganz.
Die Avancen gegenüber Russland zeigten jedoch bis zum ersten Russland-Afrika-Gipfel im Oktober 2019 nur begrenzte Erfolge. Das Interesse an einer verstärkten wirtschaftlichen Kooperation wurde von Russland nicht erwidert. Der bilaterale Handel zwischen den beiden Ländern blieb unbedeutend. Die Hoffnungen auf den Bau einer Ölraffinerie zerschlugen sich ebenfalls. Was geblieben ist und an die gemeinsame Geschichte der Beziehungen zwischen Uganda und der Sowjetunion anknüpft, ist die Rolle Russlands im Militärsektor. Mit dem Erwerb von sechs Mehrzweckkampfflugzeugen des Typs Suchoi Su-30 noch im Jahr 2011 hatte Ugandas Luftwaffe eine Führungsposition in der ost- und zentralafrikanischen Region eingenommen. Ein Ausbildungsangebot für die Piloten und Techniker war Teil des Vertrags. Ähnlich scheint es sich bei dem Erwerb von Kampfhubschraubern des Typs Mil Mi-28N Havoc zu verhalten. Der gefilmte und öffentlich übertragene Einsatz dieses Fluggeräts im aktuellen Kampf gegen die Allied Democratic Forces (ADF) in der Demokratischen Republik Kongo dürfte sowohl den strategischen Interessen Ugandas als auch Russlands gedient haben. Im Blickfeld dürften beide vor allem andere Länder der Region gehabt haben. Museveni konnte die Stärke seiner Armee sowie seine eigene Rolle als Spielmacher in der Region ins Schaufenster stellen und Russland sein Potenzial als Lieferant militärischen Geräts – eine Win-win-Situation für beide Länder.
Beobachtern des Kriegsverlaufs auf ukrainischem Boden dürfte jedoch nicht entgangen sein, dass Russland inzwischen kein verlässlicher Lieferant militärischer Ausrüstung mehr sein kann, weil schon der eigene Bedarf im Krieg gegen die Ukraine kaum gedeckt wird. Dennoch hat Museveni noch im April dieses Jahres die Zusammenarbeit mit Russland im militärisch-technischen Bereich zelebriert. Als Anlass diente die Inbetriebnahme eines reparierten russischen Hubschraubers auf dem Luftwaffenstützpunkt in Nakasongola, circa 140 Kilometer nördlich von Kampala. Seit Anfang 2022 besteht hier ein Joint Venture zwischen dem kommerziellen Arm der ugandischen Streitkräfte und der russischen Firma ProHeli International Services Limited. Anfang 2023 hat die zwischenstaatliche Arbeitsgruppe zur militärisch-technischen Zusammenarbeit der beiden Länder ihre Tätigkeit aufgenommen. Uganda hofft, mit Unterstützung Russlands ein regionales Wartungs-, Reparatur- und Nachrüstungszentrum für jegliches sowjetische und russische Fluggerät aus den Beständen in Afrika und sogar in Lateinamerika aufzubauen. Am 18. Mai unterstrich der russische Außenminister Lawrow bei einer Pressekonferenz mit seinem ugandischen Counterpart General Haji Abubaker Jeje Odongo in Moskau das Potenzial dieses Vorhabens. Bislang bleibt es jedoch eine ambitionierte Vision, von deren Bekanntgabe beide Länder profitieren. Die Realisierbarkeit dieses ambitionierten Vorhabens ist zu bezweifeln.
Sinnvollerweise müsste aus einer objektiven Bewertung des derzeitigen russischen Potenzials hingegen ein Wechsel auf neue Lieferanten erfolgen. Dass westliche Partner diese Lücke füllen würden, ist zu bezweifeln. An Bedeutung könnte jedoch die Türkei gewinnen – ein NATO-Partner, der sich strategisch in Uganda positioniert hat und sich ebenfalls einer antiimperialistischen und dem Westen gegenüber kritischen Rhetorik bedient. Allerdings sind Ugandas finanzielle Kapazitäten zum Erwerb von moderner Technik und Ausrüstung begrenzt.
Russlands „harte Soft Power “ als neuer Exportschlager
Russlands Kooperationsangebote bleiben jedoch nicht auf die Lieferung militärischen Geräts beschränkt. Mit dem Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine starteten die Botschaften Russlands weltweit eine Charmeoffensive.
Der Propagandasender RT (vormals Russia Today) sicherte sich Sendezeit bei der Uganda Broadcasting Corporation – dem ugandischen nationalen öffentlichen Sender. Es folgten Beiträge des russischen Botschafters in den auflagestärksten Zeitungen des Landes und auch auf dem Twitter-Kanal der Russischen Botschaft. Das bis dahin eher vernachlässigte Kommunikationsmedium erlebte seit dem 26. Januar 2022 – dem Nationalen Befreiungstag Ugandas – eine Aufwertung, als die Botschaft Russlands der Führung des Landes und dem ugandischen Volk offiziell gratulierte. Seitdem wurde die Öffentlichkeit rege über diverse Aktivitäten Russlands in Uganda informiert: von den offiziellen Terminen mit der ugandischen politischen Führung über den Kooperationsvertrag zwischen den Regierungsparteien NRM (National Resistance Movement) und Einiges Russland, die Unterweisung ugandischer Soldaten in russischer Kultur, den Besuch des für Afrika zuständigen Vertreters der (Russischen) Orthodoxen Kirche, des Metropoliten Leonid von Klin, die angestrebte Kooperation mit ugandischen Universitäten bis hin zu einem neuen Stipendienangebot. All das ist gemischt mit einer starken antiamerikanischen und antiwestlichen Rhetorik und Propaganda sowie der Streuung russischer Desinformation. Russland zieht alle Register und präsentiert sich als ein Land ohne koloniale und imperialistische Vergangenheit sowie als eine brüderliche Nation.
Russland bietet zudem eine Zusammenarbeit in den Bereichen Rohstoffförderung, Entwicklung der Kernenergie, Cybersicherheit, Telekommunikation, Geoforschung, Pharmazie und Landwirtschaft an. Am 18. Mai unterschrieben beide Länder in Moskau eine gemeinsame Erklärung zum Verzicht auf den Ersteinsatz von Waffen im All. Der Entwicklungsstand und das Ausmaß der wirtschaftlichen Probleme sowohl in Russland wie auch in Uganda lassen berechtige Zweifel an der Bedeutung solcher Abkommen über ihren deklaratorischen Charakter hinaus aufkommen.
Unterschätzen sollte man hingegen nicht das russische Know-how und die langjährige Erfahrung in der gezielten Meinungsmanipulation. Bekannt wurde inzwischen, dass das Africa Back Office – ein Propagandanetzwerk, das mit Jewgeni Prigoschin, dem Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, in Verbindung gebracht wird – eng mit der Russischen Botschaft und dem ugandischen Government Citizen Interaction Center zusammenarbeitet. Nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Januar 2021 wurde diese Einheit als eine Art staatliche Kommunikationsagentur direkt dem Präsidenten untergeordnet und scheint dort vor allem für die Erarbeitung und Umsetzung von Kommunikationsstrategien zuständig zu sein.
Ein kürzlich in Uganda verabschiedetes und von westlichen Partnern stark kritisiertes Gesetz gegen Homosexualität dürfte wiederum von der politischen Klasse in Russland als ein Sieg gefeiert worden sein. Das Framing in der gesamten Debatte um den Schutz der traditionellen Familienwerte gegen angebliche liberale Einflüsse aus dem Westen, die postulierte Unvereinbarkeit von Homosexualität mit dem religiösen Glauben und den kulturellen Werten der Menschen sowie die konstruierte Verbindung mit Pädophilie erinnert nur allzu sehr an russische Narrative. Eine regionale Parlamentarierkonferenz zum „Schutz der Familienwerte“, die Ende März in Uganda stattgefunden hatte, fand ausgerechnet Eingang in ein mit der Wagner-Gruppe assoziiertes russisches Nachrichtenmedium.
Mit dem russischen Unternehmen M/S Joint Stock Company Global Security hat Uganda im Juli 2021 einen Vertrag zur Produktion neuer Nummernschilder mit eingebauten Meldesendern geschlossen. Einen Vergabeprozess hat es nicht gegeben. Das Unternehmen würde damit Zugriff auf einen der wichtigsten Datensätze der ugandischen Bevölkerung erhalten.
Vor diesem Hintergrund befürchten einige Beobachter, Uganda könnte in eine neue Abhängigkeit von Russland abgleiten. Nachvollziehbar ist diese Sorge durchaus. Gegenüber der russischen Nachrichtenagentur TASS bemühte Museveni vor Kurzem eine in der ehemaligen Sowjetunion nur allzu gut bekannte Sprache. Er sagte: „Ich werde definitiv im Juli (2023) nach Sankt Petersburg kommen. Hier ist der politische Wille entscheidend. Es ist keine Frage der Bedürfnisse, sondern die einer Ideologie. Solange man sich zu der Ideologie der Gleichheit und Brüderlichkeit bekennt, sind andere Dinge nur Details.“ Die Rhetorik von Gleichheit und Brüderlichkeit nutzte Russland allerdings stets zur Propagierung seines kolonialen Herrschaftsanspruchs über die kleineren „Brudervölker“. Beim geplanten zweiten Russland-Afrika-Gipfel und Wirtschaftsforum in Sankt Petersburg im Juli 2023 wird Russland weiterhin große Anstrengungen unternehmen, um die afrikanischen Länder enger an sich zu binden.
Das neue Umwerben Ugandas seitens Russlands und das Versprechen der Kooperation in unterschiedlichen Bereichen fallen in dem ostafrikanischen Land auf fruchtbaren Boden. Doch nicht nur das bilaterale Verhältnis zu Russland und die damit verbundenen Hoffnungen und Erwartungen bestimmen Ugandas Position. Die Beziehungen Ugandas zu Staaten wie Südafrika und Indien – und deren Positionen – spielen hierbei ebenfalls eine Rolle.
Südafrika und Uganda – und insbesondere die Regierungsparteien ANC (African National Congress) und NRM – verbindet ein sehr starkes historisches Band, das im Kampf gegen die Apartheid und das koloniale System mit Unterstützung der Sowjetunion geknüpft wurde. Gerade in der Positionierung gegenüber Russland spielt dies eine wichtige Rolle. Die fälschliche Gleichsetzung der Sowjetunion mit Russland erfolgt bewusst. Sie bedient den eigenen Gründungsmythos und erscheint plausibel für die Begründung der gegenwärtigen Position. Während Südafrika sich offiziell bei allen UN-Abstimmungen stets enthalten hat, ist das Land Teil der BRICS-Staaten und verfolgt eigene Interessen in dem Verbund. Die Sympathien mit Russland sind nicht von der Hand zu weisen, die gemeinsamen Militärübungen am Jahrestag des Überfalls auf die Ukraine kaum ein Zufall.
Die Beziehungen zu Indien nehmen ebenfalls eine Sonderstellung in Ugandas Geschichte ein. Der indische Beitrag zur Entwicklung des Landes ist nicht wegzudenken, weder auf politischer noch auf wirtschaftlicher Ebene. Das Steueraufkommen aus den Unternehmen, deren Gründer indische Wurzeln haben, und die guten Verbindungen nach Indien sind von hoher Bedeutung für die Wirtschaft Ugandas. Indien wiederum betrachtet Russland eher als notwendigen Partner oder gar Verbündeten, weniger als einen Rivalen, und hat sich auf UN-Ebene ebenso stets bei den einschlägigen Abstimmungen enthalten.
Beide Länder, wie auch die Türkei, versuchen, die aktuelle geopolitischt Lage auszunutzen, um sich als aufstrebende Mächte global neu zu positionieren. Uganda pflegt gute Beziehungen zu ihnen und setzt darauf, von diesem Wettkampf um Einfluss zu profitieren. Auch diverse Bündnisse wie etwa die BRICS-Staaten und die Bewegung der Blockfreien Staaten versuchen, die entstandene Dynamik zu nutzen. Der in Machtspielen geübte Präsident Museveni dürfte darin eine Gelegenheit sowohl für sich selbst und den eigenen Machterhalt als auch für die Entwicklungsinteressen Ugandas sehen.
Keine Zeitenwende, sondern Zeit für Pragmatismus und wirtschaftliche Kooperation
All das dürfte beim derzeitigen Taktieren Ugandas auf internationaler Bühne eine Rolle spielen. Eine öffentliche Debatte darüber findet kaum statt. Die Bürgerinnen und Bürger haben andere Sorgen. Zwar haben sie infolge des Krieges in der Ukraine mit den gestiegenen Preisen für Treibstoffe, Nahrungsmittel und weitere Produkte des täglichen Bedarfs zu kämpfen, doch ökonomische Knappheit und Sorgen um die Zukunft sind ein bekannter Begleiter im Leben vieler Menschen.
Selbst Konflikte, Kriegshandlungen und Tod sind in der Wahrnehmung allgegenwärtig. Die afrikanische Region der Großen Seen ist eine der konfliktreichsten Gegenden der Welt. Der Bürgerkrieg in Äthiopien hat, je nach Schätzung, circa 600.000 Menschen das Leben gekostet. Uganda stellt das größte UN-Kontingent in Somalia. Die ugandische Armee hat seit Dezember 2021 in der Demokratischen Republik Kongo eigene Truppen stationiert. Nur drei Beispiele, die vergegenwärtigen sollen, dass der aktuelle Krieg in Europa auf dem afrikanischen Kontinent nicht nur als geografisch fern empfunden wird, sondern auch in seiner Brutalität nicht als absolut einmalig. Seine Beendigung und die Schaffung von Frieden werden in die Verantwortung Europas gelegt. Eine unmittelbare Zäsur stellt er in der Wahrnehmung der ugandischen Elite und Bevölkerung nicht dar – genauso wenig wie sein infamer völkerrechtswidriger Charakter. Appelle für eine Unterstützung der Ukraine und zur Verteidigung der gemeinsamen globalen Sicherheitsordnung leiden in ihrer Wirksamkeit unter dem Präzedenzfall der US-Invasion des Irak im Jahr 2003 und dem damit verbundenen Vorwurf westlicher Doppelmoral.
Der Angriff auf die Ukraine hat die Welt nicht in die „Guten“ und die „Bösen“ geteilt. Der Westen mag derzeit zwar gefestigter als zuvor zusammenstehen, doch hat er global nicht unbedingt mehr Einfluss gewonnen. Es hat sich ein Zeitfenster für andere Akteure geöffnet, ihre Position in der Welt neu zu behaupten. Die politischen Führungen in vielen Staaten – auch in Uganda – werden versuchen, die neue geopolitische Lage zum eigenen Vorteil zu nutzen. Deutschland muss entscheiden, wie es mit den Ländern umgeht, die sich bewusst auf keine Seite stellen wollen. In Uganda hat Deutschland den Vorteil, dass es sich über Jahrzehnte als ein verlässlicher Partner etabliert hat. Der entwicklungspolitische Beitrag Deutschlands wird geschätzt. Das deutsche technologische Know-how ist hoch angesehen, ebenso wie Deutschlands wirtschaftliche Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg. Deutschland sollte darin eine Chance sehen, die wirtschaftliche Entwicklung Ugandas in beidseitigem Interesse stärker zu fördern. Denn Ugandas Bevölkerung einschließlich der gesamten politischen und ökonomischen Elite sieht darin eine Priorität.
Uganda ist aktuell das zweitjüngste Land der Welt. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung liegt bei etwa 15,7 Jahren. Die Bevölkerung wächst rasant. Derzeit leben in Uganda je nach Quelle zwischen 48 und 50 Millionen Menschen. Sollte der derzeitige Trend von um die 3,7 Prozent jährlichen Bevölkerungswachstums anhalten, wird die Marke von 100 Millionen im Jahr 2050 überschritten werden. Das stellt das Land vor enorme Herausforderungen nicht nur hinsichtlich der Beschäftigungsmöglichkeiten, sondern auch der Bereitstellung von sozialer und technischer Infrastruktur. Die Wirtschaft muss modernisiert und diversifiziert werden. Es bedarf einer Industrialisierung im Land und einer Produktivitätssteigerung in vielen Sektoren.
Deutschland wäre gut beraten, sich für mehr Wohlstand einzusetzen und festzulegen, wo es einen signifikanten Beitrag hierzu leisten kann. Mit ausschließlich öffentlich finanzierten Initiativen und Ressourcen wird es nicht gelingen. Die Entwicklungspolitik kann weder die Rolle der Privatwirtschaft übernehmen noch eine wünschenswerte wirtschaftliche Entwicklung oder gesellschaftliche Transformation hervorbringen. Der Außenwirtschaftspolitik und der Privatwirtschaft muss eine stärkere Rolle zukommen.
Es wäre ratsam, mehr Kapazitäten zu schaffen, um deutsche und ugandische Wirtschaftsakteure zusammenzuführen. Man sollte aufhören, sich auf dem Argument auszuruhen, das deutsche Wirtschaftssystem erlaube keine Einmischung des Staates in die Entscheidungsfindung der privatwirtschaftlichen Akteure. Stattdessen sollte man konkrete Unterstützungs- und Risikominimierungsmechanismen entwickeln, um die Anzahl der deutschen Investitionsvorhaben vor Ort zu steigern. Wo liegen dabei die deutschen Stärken? Welche Investitionen und welcher Technologietransfer könnten unterstützt werden? Was sind die möglichen Instrumente?
Hierzu könnten beispielsweise besondere Kreditlinien für deutsche Unternehmen, Förderung von Ausbildungs- und Austauschprogrammen, Stipendienvergabe, Kreditvergabe an ugandische Unternehmen im Rahmen der Corporate Social Responsibility, Public-Private-Partnerships und andere gehören. Digitale Möglichkeiten erlauben eine Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen, die keine Standortentscheidung nach sich ziehen. Das minimiert das Risiko und eröffnet neue Möglichkeiten. Neue Generationen von Unternehmen, etwa im Bereich der Start-ups in beiden Ländern, sind risikofreudig und weltoffen. Solche Akteure sollten gezielt ausgemacht und unterstützt werden. Manche der Gründerinnen und Gründer in Uganda kommen sogar aus Deutschland oder wurden dort ausgebildet. Darin liegt viel Potenzial für beiderseitigen Innovationstransfer, aber auch die Möglichkeit zur Nutzung unterschiedlicher Spielräume und Märkte auf beiden Seiten. Viel stärker sollte das Gespräch mit ugandischen Unternehmen gesucht und gefragt werden, welche Handels- und Markteintrittsbarrieren sie für ihre Produkte auf dem europäischen Markt sehen, und dieses Wissen in die europäischen Institutionen hineingetragen werden. Jede Verlagerung der Wertschöpfungsketten nach Europa bedeutet gleichzeitig verlorene Arbeitsplätze in Uganda. Die Marktbarrieren in Europa müssen daher abgebaut und kreatives und innovatives Potenzial besser genutzt werden, um den erwünschten Wandel anzustoßen. Eine Orientierung am Leistungsprinzip und die Unterstützung von gesellschaftlich verantwortungsbewussten Leistungsträgerinnen und Leistungsträgern vor Ort in unterschiedlichen Sektoren sowie das Vertrauen auf ihr Urteilsvermögen sind notwendig. Es sind vor allem diese Akteure, die ihre eigenen Länder aufbauen müssen.
Eine stärkere ökonomische Teilhabe des sogenannten Globalen Südens liegt in Deutschlands Interesse. Gleichzeitig setzt sie die Bereitschaft voraus, Ambivalenzen zu ertragen. Für alle Seiten gilt es derzeit in besonderem Maße, die globale Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Bedürfnisse, Wertvorstellungen und Interessen auszuhalten. Möchte man Beziehungen im gegenseitigen Interesse pflegen, wird man mit manchen Ländern lediglich einen Minimalkonsens finden können und als Grundlage akzeptieren müssen. Mit anderen wird die Schnittmenge hinsichtlich der Werte und der gemeinsamen Interessen größer sein. Westliche Länder, die versuchen, Staaten wie Uganda unter Bekenntnisdruck zu setzen oder ihnen ihre Wertmaßstäbe aufzuerlegen, werden unweigerlich eine stärkere Ablehnung ihrer Werte und demokratischer Prinzipien riskieren. Hier empfiehlt es sich stattdessen, auf die bewährten Akteure wie die politischen Stiftungen zu setzen, die den Aufbau langfristiger Beziehungen und internationaler Netzwerke zur Förderung von Demokratie pflegen. Gerade in Ländern, die für eine Zusammenarbeit mit autoritären Akteuren ebenso wie mit Demokratien aufgeschlossen sind, müssen Letztere mehr in den akademischen und kulturellen Austausch investieren. Nur durch unmittelbare positive Erfahrungen mit Demokratien kann ihr Wert geschätzt werden. Gleichzeitig sind Demokratien vor allem dann attraktiv, wenn sie für die Mehrheit der Bevölkerung wünschenswerte Ergebnisse produzieren – gerade auch im Hinblick auf wirtschaftliche und gesellschaftliche Teilhabe, Sicherheit sowie technologischen Fortschritt – und damit die Grundlage für Stabilität und Frieden schaffen.
Anna Reismann ist Leiterin des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung für Uganda und Südsudan mit Sitz in Kampala.
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