Ausgabe: 2/2016
In einem Zeitalter, welches vorwiegend durch Menschen geprägt ist, dem sogenannten Anthropozän, sind die Folgen menschlicher Aktivitäten untrennbar verbunden mit beobachteten Klimaveränderungen. In Bezug auf Afrika hält der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) in seinem fünften Sachstandsbericht fest, dass im Vergleich zu der mittleren Erdoberflächentemperatur im späten 20. Jahrhundert ein Temperaturanstieg um zwei Grad Celsius wahrscheinlich ist. Es ist zudem wahrscheinlich, dass die Erdoberflächentemperaturen in Afrika im Vergleich zum globalen Durchschnitt schneller ansteigen, insbesondere in den trockeneren Regionen. Die Auswirkungen sind dort bereits heute grenzübergreifend zu spüren.
Klimabezogene Schlüsselrisiken für Afrika
Die Abbildung 1 erfasst einige der klimabezogenen Schlüsselrisiken für Afrika. Hier wird deutlich, dass aufgrund von Hitze und Trockenheit reduzierte Ernteerträge starke negative Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit haben und die bereits bestehende Belastung von Wasserressourcen aufgrund von Übernutzung und Verschlechterung der Wasserqualität durch die in Zukunft erhöhte Nachfrage sowie die Zunahme von Dürren noch weiter verschärft wird. Ein weiteres Schlüsselrisiko besteht im Zusammenhang mit Veränderungen im Auftreten und der geografischen Ausbreitung von wasserbezogenen und vektorübertragenden Krankheiten aufgrund von Temperatur- und Niederschlagsveränderungen. Treiber für die vorgenannten Schlüsselrisiken sind insbesondere der Erwärmungstrend, Temperaturextreme, der Anstieg des Meeresspiegels sowie Extremniederschlagsereignisse. Eine der Kernaussagen des fünften IPCC-Sachstandsberichts ist: Je höher der Temperaturanstieg, desto höher ist das Risiko. Die Abbildung 1 zeigt zudem: Je zahlreicher und effektiver die Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel in Zukunft sind, desto geringer können die Risiken gehalten werden.
Klimawandel, menschliche Sicherheit und Migration
Der Klimawandel stellt in Afrika nicht nur ein besonderes Risiko für das Wirtschaftswachstum dar, sondern auch für die nachhaltige Entwicklung und verschiedene Aspekte der menschlichen Sicherheit. So sind durch den Klimawandel Gesundheit, Ernährungssicherheit und Existenz der Menschen in Afrika gefährdet.
Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Klimawandel und gewaltsamen Konflikten ist zwar schwer nachweisbar, zumal es für derartige Konflikte immer unterschiedliche und zum Teil miteinander verknüpfte länderspezifische, soziopolitische, wirtschaftliche und kulturelle Faktoren gibt. Klar ist aber, dass beispielsweise der klimabedingte Verlust natürlicher Ressourcen aufgrund der Überbeanspruchung verbleibender alternativer Bodenressourcen zu massiven Verteilungskonflikten in Afrika führen kann. Hinweise dafür gibt es insbesondere in der Sahel-Region, am Horn von Afrika und in Ostafrika. Und die Frage, wer welchen Zugang zum Wasser hat, ist in der Geschichte der Menschheit schon häufig mit kriegerischen Auseinandersetzungen verbunden gewesen. Hinzu kommt, dass – wenngleich maßgebliche Ursachen für Urbanisierung und Migration in Afrika in aller Regel interagierende soziale, demografische und wirtschaftliche Faktoren sind – die Auswirkungen des Klimawandels als Beweggründe für Migration keineswegs ausgeschlossen werden können.
Wenn die Folgen des Klimawandels in Afrika weiter zunehmen werden, wird dies auch die Zahl klimabedingter Migrationsprozesse beeinflussen. Leider fehlt es der internationalen Politik jedoch bislang an geeigneten Instrumenten und Regelwerken, um umweltbedingter grenzüberschreitender Migration sinnvoll zu begegnen.
Was ist konkret erforderlich?
Leider zählt Afrika wegen mangelnder Anpassungsfähigkeit, niedriger Innovation und Technik, politischer Missstände und unwirksamer Diplomatie zu den am meisten durch den Klimawandel gefährdeten Kontinenten. Daher sind effektive Maßnahmen erforderlich, um den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen des Klimawandels besser zu begegnen.
Die auf den Klimawandel zurückzuführenden Risiken müssen minimiert werden. Zu den Risikominderungsstrategien, die in Afrika eingesetzt werden, um die Auswirkungen von Naturkatastrophen auf Haushalte, Gemeinden und die Wirtschaft zu verringern, zählen insbesondere Frühwarnsysteme, Mechanismen zum Transfer aufkommender Risiken, Aufbau von Sozialnetzen, Einrichtung von Katastrophenfonds und Haushaltsplanung, Diversifizierung von Existenzgrundlagen und die Kontrolle von Migrationsbewegungen. Ferner sind nachhaltige finanzielle Förderungen und Technologietransfers im Hinblick auf Anpassungsdefizite, die Vulnerabilität der Menschen in ländlichen und städtischen Gebieten sowie auf die schwachen Wirtschaftssysteme dringend notwendig. Darüber hinaus gilt es, institutionelle Kapazitäten und Good Governance-Mechanismen zwecks Befähigung von Regierungen und Forschungseinrichtungen zu stärken und geeignete effektive Anpassungsmaßnahmen zu identifizieren und umzusetzen. Eine besondere Herausforderung besteht dabei darin, dass die durch den Klimawandel hervorgerufenen Risiken nicht gleichmäßig verteilt sind und in der Regel höher für Personen und Gesellschaften in weniger entwickelten Regionen sind.
Zwar ist mittlerweile weitestgehend anerkannt, dass die Gesamtheit der menschlichen Tätigkeiten einer der Gründe für den Klimawandel ist. Auf die Frage, wie sich das Recht dazu verhält, sind wir erst am Anfang der Beantwortung. Eines scheint jedoch klar: Das Recht ist von den Stellungnahmen und Warnungen der Wissenschaft abhängig, insbesondere dort, wo die Wissenschaft vor Risikosituationen warnt. Obwohl Regierungen in Afrika bereits dabei sind, Systeme zur Optimierung der Anpassungsfähigkeit einzuführen, wie zum Beispiel die Entwicklung von Strategien zur Verankerung von Katastrophenvorsorge, die Anpassung von Technologien und Infrastruktur, die Umsetzung von ökosystembasierten Ansätzen sowie die Einführung von Maßnahmen zur Verbesserung des öffentlichen Gesundheitswesens etc., besteht noch mehr Handlungsbedarf. Erforderlich sind unter anderem auch die Förderung von adaptivem Lernen sowie der kontinuierliche Ausbau vertiefter wissenschaftlicher Erkenntnisse und Ausbildungsmöglichkeiten. Sowohl Beratung als auch Dialog sind daher unabdingbar, um politische Entscheidungsprozesse anzustoßen und zu sensibilisieren.
Des Weiteren stehen Städteentwicklung und Klimaanpassung mehr und mehr im Fokus der afrikanischen Klimaagenda, auch was Migrationsbewegungen betrifft. Vor dem Hintergrund, dass für Afrika weltweit die größten Urbanisierungswellen prognostiziert werden, ist dies ein besonders wichtiges Thema im andauernden entwicklungspolitischen Dialog sowie im Rahmen von Finanzierungsoptionen und Investitionsinteressen, beispielsweise bei der Verbesserung von Infrastruktur und Wohnungsbau.
Auch die wachsende Konkurrenz um Boden- und Wasserressourcen in Afrika stellt einen Themenkomplex dar, in dem es darum geht, Umweltmanagement-Expertise aufzubauen, Technologietransfer zu fördern, Kompetenzen bei der außergerichtlichen Konfliktbeilegung und in der Katastrophenvorsorge zu verbessern. Die mit der Wasserfrage im unmittelbaren Zusammenhang stehende zunehmende Verknappung von Nahrungsmitteln wird verschärft durch den gestiegenen Bedarf an Biokraftstoffen und Futtermitteln sowie durch das Agieren ausländischer Agrarunternehmen, die große landwirtschaftliche Flächen gerade in der Region für den Anbau von Nahrungsmitteln für Märkte außerhalb Afrikas nutzen. Schätzungen zufolge steigt der Bedarf, afrikanischen Boden käuflich zu erwerben oder für lange Zeiträume zu pachten, stetig. Außerdem werden landwirtschaftliche Flächen in Afrika zunehmend – als ausländische Direktinvestitionen in die Landwirtschaft – zum Gegenstand internationaler Spekulationen. Dies bedarf des politischen Diskurses und der kritischen Auseinandersetzung, insbesondere wenn man die Herausforderungen des Klimawandels im Zusammenspiel mit Fragen der Klimagerechtigkeit, Nahrungsmittelsicherheit und Armut betrachtet – ein Nexus, der für die Zukunft Afrikas entscheidend ist. Schließlich wirkt sich der Klimawandel in politischer Hinsicht nicht nur auf die Umwelt, sondern auch auf (beinahe alle) anderen Sektoren aus, weshalb Klimapolitik sektorenübergreifend geregelt werden muss. Inwieweit die Bevölkerung in Afrika dabei miteinbezogen wird, ist die Frage. Tatsache ist, dass klimapolitische Effektivität Multi-Stakeholder-Prozesse voraussetzt. Dabei sind rivalisierende institutionelle Arrangements ebenso unzuträglich wie Intransparenz und der Ausschluss der Medien, die unzureichende fachliche Eignung der Medien hinsichtlich klimapolitischer Berichterstattung sowie die Dominanz des Diskurses durch wirtschaftliche Interessen vereinzelter politischer afrikanischer Eliten.
Klimawandel und Energiesicherheit
Die Frage der Energiesicherheit in Afrika ist in jüngerer Zeit vermehrt ins Zentrum politischer Diskussionen gerückt. Nicht zuletzt auch deshalb, weil immer mehr Arbeitsplätze im Sektor der erneuerbaren Energien entstehen. Energie spielt eine wichtige Rolle in allen Aspekten des täglichen Lebens. Sie ist unter anderem unentbehrlich für das reibungslose Funktionieren von sozialen und politischen Systemen sowie für wirtschaftliches Wachstum und nachhaltige Entwicklung. Die Gewährleistung einer zuverlässigen Energieversorgung, welche auch die wachsende Nachfrage in Afrika bedienen kann, ist eine der größten gegenwärtigen Herausforderungen für den afrikanischen Kontinent. Darüber hinaus ist Energiesicherheit ein ganz wesentlicher Bestandteil der Konkurrenzfähigkeit, der nachhaltigen Entwicklung und der Armutsbekämpfung in afrikanischen Staaten. Sowohl die Zielvorgabe Energiesicherheit als auch die der Eindämmung des Klimawandels erfordern den Einsatz von Innovation und Technologie, eine ausgewogene Klimapolitik, staatliche Intervention auf hohem Niveau, effektive Diplomatie und internationale Zusammenarbeit. Hierbei können enorme Chancen und Synergieeffekte für die beschleunigte Entwicklung Afrikas entstehen. Es gilt nun, in neuen Zusammenhängen zu denken und klimapolitische Anreize und Instrumente aus entwicklungspolitischer Sicht zu entwickeln, welche zu nachhaltigen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodellen führen. Das Recht kann hierbei ein hilfreiches Instrument sein.
Energiesicherheit als Recht auf Entwicklung?
Bereits 1986 erkannte die internationale Gemeinschaft die Notwendigkeit, sich einen umfassenden Überblick über die Frage von Menschenrechten und Entwicklung zu verschaffen. Die Erklärung über das Recht auf Entwicklung stellte einen neuen Ansatz zur Verwirklichung der Ziele der Vereinten Nationen dar. Die Erklärung betont in Artikel 3, dass Staaten die Pflicht haben, miteinander zu arbeiten und Entwicklung (für die Menschen) herbeizuführen sowie Entwicklungshindernisse zu beseitigen. Entwicklung und Recht sind daher beinahe untrennbar miteinander verknüpft, insbesondere wenn es um Energiesicherheit und Klimagerechtigkeit geht.
So sieht beispielsweise auch Artikel 22 der afrikanischen (Banjul) Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker vor, dass
- (a)lle Völker ein Recht auf eigene wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung haben (und)
- Staaten (…) verpflichtet sind, die Ausübung des Rechts auf Entwicklung sicherzustellen.
Nach Prognosen der Vereinten Nationen wird die afrikanische Bevölkerung bis 2050 auf rund zwei Milliarden Menschen anwachsen, sodass der erhöhte Energiebedarf, neben Armutsbekämpfung, Nahrungssicherheit, Wassersicherheit und der Bewältigung der Auswirkungen des Klimawandels, ganz oben auf der Agenda steht. Energiesicherheit ist eine unverzichtbare Voraussetzung für Wirtschaftswachstum in Afrika, die Gewährleistung des Rechts auf Entwicklung und nicht zuletzt für die Stabilisierung von Demokratien. Eine sichere, effiziente und nachhaltige Energieversorgung sollte das Ziel nationaler Regierungen und regionaler Gemeinschaften sein. Die Gewährleistung hinreichender Energieversorgung wird auch als eines der Mittel zur Überwindung von Armut und zur Erreichung der folgenden nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) betrachtet:
Ziel 7: Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern
Ziel 8: Dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern
Ziel 9: Eine widerstandsfähige Infrastruktur aufbauen, breitenwirksame und nachhaltige Industrialisierung fördern und Innovationen unterstützen
Ziel 10: Ungleichheit in und zwischen Ländern verringern
Ziel 13: Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen
Der Zugang zu Energie ist ein Menschenrecht. Artikel 22 der afrikanischen (Banjul) Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker sollte daher so verstanden werden, d ass es den afrikanischen Staaten obliegt, das Recht der Menschen und Völker auf Entwicklung zu schützen. In der Tat hat jeder afrikanische Staat dafür zu sorgen, dass das Recht auf Entwicklung für die Menschen in allen Gebieten seines Territoriums gewährleistet wird. Energiesicherheit ist konditional für die Erreichung dieses Ziels, was durchaus auch im Einklang mit Artikel 1 der afrikanischen Charta ist, wonach die Mitgliedstaaten die darin enthaltenen Rechte, Pflichten und Freiheiten anerkennen und Maßnahmen zu ihrer Verwirklichung treffen sollen. Dass bisweilen Millionen von Menschen in Afrika ohne Zugang zu Energie dazu verdammt sind, in bitterer Armut zu leben, ist kein Naturereignis, sondern die Folge der Verletzung ihres Rechts auf Entwicklung.
COP21 in Paris 2015: Ein Vertrag als Lösung?
Im Dezember 2015 hat man sich in Paris auf einen neuen Weltklimavertrag geeinigt. Das Pariser Abkommen (COP21), an dem VN-Diplomaten über Jahre gearbeitet haben, soll von allen VN-Staaten, reich und arm, national ratifiziert werden. Einige Beobachter haben es passend formuliert: COP21 bietet der Welt die beste Gelegenheit dazu, die Auswirkungen der globalen Klimaerwärmung gemeinsam zu bewältigen. Dennoch bleibt abzuwarten, was das Pariser Abkommen letztlich für Afrika bedeutet.
Kritisch betrachtet wird die Tatsache, dass die Pariser Vereinbarung keine substanziellen und verbindlichen Verpflichtungen in Bezug auf Emissionsminderungen enthält. Das Abkommen sieht lediglich insofern verbindliche Bestimmungen vor, als Staaten verpflichtet sind, alle fünf Jahre ihre neuen Beiträge zu melden. Das Pariser Abkommen soll regelmäßige politische Handlungsräume schaffen, in denen nationale Zielwerte immer wieder festgelegt werden. Vor dem Klimagipfel in Paris hatten 186 Staaten freiwillige nationale Klima-Ziele (national geplanter Treibhausgasminderungsbeiträge – INDCs) bis 2025 bzw. 2030 vorgelegt.
Nach dem Abkommen soll nun jeder Staat regelmäßig einen nationalen Treibhausgas-Bericht veröffentlichen. Es legt daher nur eine verfahrensorientierte rechtlich verbindliche Verpflichtung fest, ohne konkrete inhaltlich und ergebnisorientierte Verpflichtungen aufzustellen. Während das „Kyoto-Protokoll“ von 1997 verbindliche Reduktionsziele für die Industriestaaten festlegte, ist das Pariser Abkommen zwar einerseits insofern umfangreicher, als es alle Länder einschließt. Andererseits ist der Verbindlichkeitscharakter des Abkommens weitaus offener gefasst.
Es gibt Meinungen, die besagen, dass die Pariser Vereinbarung die Abkehr von Kohle, Öl und Gas bedeutet. Die aktuellen Eindämmungsverpflichtungen (INDC) reichen aber noch nicht aus, um dieses Ziel in absehbarer Zukunft zu erreichen. Des Weiteren gibt es noch einige afrikanische (und andere) Staaten, die nach wie vor an fossilen Brennstoffen und deren Gewinnung festhalten wollen. Die Herausforderung besteht darin, konkrete Dekarbonisierungsstrategien aus dem Pariser Abkommen abzuleiten und diese graduell und weltweit umzusetzen.
Aus afrikanischer Sicht bleibt wichtig zu erwähnen, dass gemäß dem Abkommen Industriestaaten (auch weiterhin) dazu verpflichtet sind, Entwicklungsländer im Kampf gegen den Klimawandel finanziell zu unterstützen. Viele Entwicklungsländer (in Afrika und andernorts) haben die Abkehr von einer binären Unterscheidung (zwischen entwickelten Ländern und Entwicklungsländern) nur sehr widerstrebend akzeptiert.
Theoretisch gesehen kann das Pariser Abkommen zu einer weltweiten Klimaverfassung werden. Aber wie auch jede nationale Verfassung, muss auch das Pariser Abkommen mit Leben ausgefüllt werden. Das Abkommen ist keineswegs statisch, sondern obliegt der stetigen, aktiven und ambitionierten Ausgestaltung durch seine Unterzeichner. Nur dann kann es eine Qualität entwickeln, welche die Weltgemeinschaft, also die stärksten und schwächsten Völker, gleichermaßen vor den Folgen des voranschreitenden Klimawandels bewahrt. Woran sich einige afrikanische Länder bereits stören, ist die bisweilen ungeklärte Frage der Finanzierungsversprechen. Obwohl Milliardensummen versprochen wurden, ist weiterhin unklar, ob und inwieweit diese in Zukunft wirklich eingehalten werden können. Ob es den industriellen Staaten gelingt, ihrer historischen Verantwortung gerecht zu werden und ob sie politisch willens und ökonomisch in der Lage sind, die gebotene Verantwortung zu übernehmen, bleibt abzuwarten. Nichthandeln auf der südlichen Erdhalbkugel ist jedenfalls im Hinblick auf die klimabedingt zu befürchtenden Schäden und Kosten sowie hinsichtlich der enormen Entwicklungsmöglichkeiten – insbesondere für Afrika – keine Option.
Es geht nun um die Ausgestaltung der in Paris vereinbarten Ziele. Die INDCs werden hierbei zur selbst auferlegten nationalen „Ausführungsverordnung“ des Pariser Abkommens. Als nächster Schritt gilt es nun mit der Implementierung der beabsichtigten nationalen Klimabeiträge (INDCs) zu beginnen. Dafür ist in Afrika insbesondere erforderlich, dass Afrikanische Staaten nachhaltig den politischen Willen fassen zu handeln, dass die Afrikanische Union und afrikanische Regionalgemeinschaften Wege zur kontinentalen und regionalen Kooperation entwickeln und umsetzen, welche die nationalen Ziele konsolidieren, und – nicht zuletzt – dass die Welt Afrika auf seinem Weg hin zu einer grünen Entwicklungs-Revolution entsprechend unterstützt.
Exkurs: Beispiele aus der Lebenswirklichkeit in Süd- und Ostafrika
Wer mit dem GAUTRAIN, der hochmodernen, strombetriebenen Schnellbahn zwischen Johannesburg und Pretoria fährt, wird bei einem Blick aus dem Fenster schnell die unzähligen überdachten Parkflächen für die Mitarbeiter und Besucher der an der Bahnstrecke liegenden Gewerbe- und Industriebetriebe sehen. Im gleißenden Sonnenschein fällt auf, dass die Dächer so gut wie nie mit Solarzellen bestückt sind. Allein an dieser Strecke stünden dafür Tausende von Quadratmetern zur Verfügung, aber die so oft scheinende Sonne verpufft wirkungslos. Stattdessen müssen die Südafrikaner immer wieder Stromabschaltungen durch den staatlichen Betreiber ESKOM erleiden, da die veralteten Kohlekraftwerke den steigenden Bedarf nicht mehr zuverlässig abdecken können. Zwar will man in Zukunft auch vermehrt auf erneuerbare Energien setzen, aber die wichtigste Stromressource soll die Kernenergie werden.
Ein ähnliches Bild zeigt sich in Ostafrika. Die Nutzung von Sonnenenergie ist in der Region absolut unterentwickelt. Obwohl die geografische Lage nahe am Äquator geradezu ideal wäre, Photovoltaikelemente zur Energiegewinnung zu installieren und Warmwasserkollektoren auf die Dächer der Häuser zu setzen, findet diese Form der Energiegewinnung immer noch zu wenige Anhänger.
Stattdessen wird der Strom teuer eingekauft und bei Ausfall durch den Einsatz dieselbetriebener Generatoren, die die ohnehin durch Abgase bereits reichlich verschmutzte Luft weiter verunreinigen, ersetzt. Im Unterschied zu Südafrika wird aber bereits ein erheblicher Teil des Stroms umweltfreundlich erzeugt, und gerade Kenia macht hier große Fortschritte. So werden bereits 66 Prozent der 2,2 Gigawatt der in Kenia installierten Kapazität durch erneuerbare Energien gedeckt, überwiegend aus Geothermie. Die größte Biogasanlage Ostafrikas wird ebenfalls in Kenia betrieben (2,6 Megawatt installierte Kapazität). In Tansania betrug im Jahre 2014 der Anteil der erneuerbaren Energien am produzierten Strom 45 Prozent, der Großteil davon aus Wasserkraft.
Beide Länder planen, diese Entwicklung fortzusetzen. Allerdings, und das ist weniger erfreulich, in geringerem Ausmaß als bisher. Denn die politischen Visionen Tansanias und Kenias für die Jahre 2025 (Tansania) bzw. 2030 (Kenia) sehen zwar eine ca. achtmal höhere Stromproduktion als heute vor. Der Anteil der erneuerbaren Energien wird dann aber in Tansania im Gesamtmix auf 24 Prozent, der in Kenia auf 45 Prozent zurückgehen. Tansania setzt stattdessen verstärkt auf die Energiegewinnung aus Kohle, die derzeit gar keine Rolle spielt, und Kenia will Strom auch aus Kernenergie gewinnen. Ob die avisierten Strommengen darüber hinaus in zehn bzw. 15 Jahren tatsächlich benötigt werden, vermag derzeit ohnehin kaum jemand zu sagen, zumal sich die wirtschaftliche Entwicklung verlangsamt hat. Gleichwohl sollten sich die Programme an den Zielen von COP21 in Paris orientieren. Eine Überarbeitung des Energiemixes zu Gunsten noch mehr erneuerbarer Energien ist geboten.
Eine noch größere Herausforderung für die Ostafrikanische Gemeinschaft stellt die Zunahme des täglichen Verkehrsaufkommens und die damit verbundenen klimaschädlichen Emissionen dar. Von Nairobi wird behauptet, dass sich die Anzahl der Kraftfahrzeuge alle sechs Jahre verdoppelt. Da die Fahrzeuge größtenteils nicht neu sind, sondern gebraucht aus Industrieländern importiert werden, entsprechen sie zumeist nicht modernen Umweltstandards. Hinzu kommt, dass es sich bei vielen Fahrzeugen um Offroader mit großen Motoren handelt, da Kleinwagen weder geländetauglich noch den mit vielen tiefen Schlaglöchern versehenen Straßen gewachsen sind. Die Treibhausgasemissionen sind demzufolge hoch. Da an den zugelassenen Fahrzeugen auch keine Abgaskontrollen vorgenommen werden, steigt die Kohlendioxidbelastung von Jahr zu Jahr. Die Ostafrikanische Gemeinschaft versucht des Problems mit Importbeschränkungen Herr zu werden. So dürfen Autos älter als acht Jahre in Kenia und Ruanda (in Tansania zehn Jahre, in Uganda und Burundi ohne Altersbeschränkung) nicht mehr importiert werden, und für jedes Jahr muss ein ansteigender Alterszuschlag in Form einer Einfuhrsteuer gezahlt werden, beginnend mit 20 Prozent des Wertes bei Neuwagen. Ob diese Maßnahme tatsächlich dazu gee ignet sein wird, den Kohlendioxidausstoß angesichts der enormen Zahl jährlicher Neuzulassungen zu bremsen, ist zu bezweifeln. Der langsam, aber stetig wachsende Mittelstand Ostafrikas wird sich im Zweifel schlichtweg freikaufen und die Steuer zahlen. Der Besitz eines Autos gilt dermaßen als Statussymbol, dass Kosten kaum gescheut werden. Aber die Regulierungen werden Geld in die klammen Kassen der Staaten spülen, und man kann sich kaum des Eindrucks erwehren, dass es vorrangig darum geht.
Lösen lässt sich der Konflikt, den Menschen auf der einen Seite mehr Mobilität zu verschaffen, auf der anderen Seite die damit verbundene Umweltbelastung in Grenzen zu halten, nur durch ein durchdachtes und technologisch neuesten Ansprüchen genügendes öffentliches Personennahverkehrssystem. Davon sind aber die ostafrikanischen Staaten noch weit entfernt. Stattdessen bestimmen immer noch überwiegend alte und Rußschwaden hinter sich herziehende Busse und Kleinbusse das Straßenbild. Lediglich Äthiopien ist es mit chinesischer Hilfe gelungen, im September 2015 eine neue Stadtbahn in Betrieb zu nehmen. Die Mischung aus U-Bahn und Straßenbahn ist auf ihrem 17 Kilometer langen Weg eine preisgünstige Alternative für die deutlich teurere Nutzung der sogenannten Minibusse. Und sie wird, insbesondere nach ihrem Ausbau, dazu beitragen, die Kohlendioxidemissionen des Landes zu reduzieren, zumal der für die Bahn erforderliche Strom aus Wasserkraft gewonnen werden soll.
Die angeführten Beispiele sind natürlich nur einige von vielen. Müllvermeidung wie Müllverwertung können ebenso wie eine bessere Isolierung der Gebäude als Mittel zur Erreichung der Klimaschutzziele genannt werden. Nicht nur Ostafrika, sondern alle Staaten Subsahara-Afrikas haben die Chance, mit Unterstützung durch die Industrieländer und auf der Grundlage des bereits erreichten technologischen Fortschritts einen essentiellen Beitrag zum Schutz der Umwelt und gegen die zunehmende Erderwärmung zu leisten.
Erwartungen und Ausblick
Im Bericht des Club of Rome 2012 mit dem Titel „2052 – Eine globale Prognose für die nächsten 40 Jahre“ werden als Voraussetzungen für eine nachhaltige, gerechte und „glücklichere“ Welt unter anderem genannt: gesellschaftliche Werte, die sich in allen wirtschaftlichen Entscheidungen widerspiegeln, eine gerechtere Verteilung von Einkommen sowohl zwischen als auch innerhalb der Länder und ein Umgang mit der Ökologie in der Weise, die ihrem biophysischen und ökologischen Wert entspricht. Die Welt sollte sich nie wieder im overshoot befinden. Um es mit den Worten von Papst Franziskus zu formulieren: „Die Abschwächung der Auswirkungen des derzeitigen Ungleichgewichts hängt davon ab, was wir jetzt tun, vor allem, wenn wir an die Verantwortung denken, die uns von denen zugewiesen wird, die die schlimmsten Folgen zu tragen haben.“
Von den über 850 Millionen Afrikanern südlich der Sahara leben auf Grund der ungleichen Einkommensverteilung fast drei Viertel aller Menschen (alle außer Südafrikaner) unter der oberen Armutsgrenze der Weltbank von weniger als zwei US-Dollar (1,51 Euro) pro Tag und 51 Prozent von weniger als 1,25 US-Dollar (0,94 Euro). Diese Armut zu bekämpfen und zugleich den allgemeinen Wohlstand in Afrika durch Teilhabe am Entwicklungsfortschritt zu mehren wird ohne klimaschädliche Auswirkungen kaum möglich sein. Verwehrt werden kann den Afrikanern dieser Anspruch nicht – weder aus humanitärer und christlicher Sicht noch unter dem Gesichtspunkt der Eindämmung von Migration. Der Konflikt liegt damit offen – und birgt zugleich Chancen für den Eintritt in ein neues, ökologisch besser balanciertes Zeitalter.
Subsahara-Afrika unter der Vorgabe des anzustrebenden Klimaziels, den weiteren Anstieg der Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, weiterzuentwickeln, wird vor allem eines benötigen: Leadership. Afrikas Präsidenten und ihre Regierungen, aber auch die private Wirtschaft sind gefordert, schon heute Entscheidungen für morgen zu treffen. In einer Zeit, in der die Menschheit über das Wissen und die technologischen Mittel verfügt, wie der Erderwärmung begegnet werden kann, sind diese schnellstmöglich einzusetzen. Es handelt sich um eine riesige Herausforderung, aber ebenso um eine riesige Chance, Afrika mit Hilfe der Industriestaaten und privaten wirtschaftlichen Engagements zu einem Kontinent der Zukunft zu entwickeln. Sind die Regierungen Afrikas dazu bereit und sind sie, die es an guter Regierungsführung häufig vermissen lassen, dazu auch in der Lage? In Paris haben sie sich im Rahmen eines Abkommens dazu verpflichtet. Die Umsetzung in nationale Maßnahmen wird nun zeigen, wie ernst es den Führern Afrikas damit war. Eine Politik der kleinen Schritte in einer Zeit, in der keine Zeit mehr verbleibt, wird jedenfalls nicht ausreichen, um Afrikas Herausforderungen im Anthropozän rechtzeitig zu begegnen.
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Dr. Arne Wulff ist Leiter des Rechtsstaatsprogramms Afrika südlich der Sahara der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Prof. Dr. Oliver C. Ruppel, LL.M., ist Professor für öffentliches und internationales Recht an der Universität Stellenbosch in Südafrika und Mitglied im Weltklimarat der Vereinten Nationen (IPCC). Ab September 2016 übernimmt er die Leitung des neuen Regionalprogramms Klimapolitik und Energiesicherheit in Afrika südlich der Sahara der Konrad-Adenauer-Stiftung.
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