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Carlos Barria, Reuters

Auslandsinformationen

Mehr als Mauern

von Ing. Hans-Hartwig Blomeier, Patricio Garza Girón, Christian E. Rieck

Lateinamerikas Rolle im Dreieck mit Europa und den USA

Der zuweilen ruppige Ton und die strategische Orientierungslosigkeit im Weißen Haus erschweren die Zusammenarbeit zwischen Lateinamerika und den USA erheblich. Im Kontext der COVID-19-Pandemie hat sich das Verhältnis eher noch weiter zugespitzt. Dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die geteilte Wertebasis wie auch die gemeinsamen wirtschaftlichen, sicherheitspolitischen und regionalpolitischen Interessen von dieser Verschiebung in Stil und Substanz wenig berührt werden. Herausforderungen wie das Management der Migrationsströme in der Region, das Ausufern der Organisierten (Drogen-)Kriminalität, die durch das Regime Maduro verursachte humanitäre Katastrophe in Venezuela sowie die gesundheits- und v. a. wirtschaftspolitischen Herausforderungen und Konsequenzen der Coronakrise bleiben für beide Seiten dringlich und relevant.

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Für die lateinamerikanischen Länder wird es – unabhängig vom Ausgang der Wahlen in den USA im November 2020 – in den nächsten Jahren vor allem darum gehen, die USA (wieder) für die Region zu interessieren. Das weist schon darauf hin, dass im Weißen Haus bereits lange vor Trump ein ausgeprägtes Desinteresse gegenüber der Region existierte – und erklärt, jedenfalls teilweise, wieso die lateinamerikanische Verstörung über das Phänomen Trump jenseits von Mexiko und Kuba relativ gering ausfällt.

 

Chancen für Europa

In der Entfremdung zwischen Washington und Berlin und dem Desinteresse Trumps gegenüber Lateinamerika liegt aus deutscher und europäischer Sicht auch die Notwendigkeit und Chance, die eigene internationale Rolle neu zu definieren sowie alte und neue Partnerschaften zu vertiefen.

Eine Reihe lateinamerikanischer Staaten bieten sich hier als Partner an, einerseits, weil die Region mit dem Westen grundsätzlich Grundwerte und Strukturprinzipien teilt, andererseits, weil auch die USA und Europa in der Region noch immer wichtige Ziele und Interessen teilen – so etwa die Erhaltung der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung in Lateinamerika sowie die weitere Stabilisierung und Entwicklung der Region durch den wirtschaftlichen Wiederaufbau nach der Coronakrise und die Bekämpfung von Organisierter Kriminalität.

 

Partnerpotenziale in Lateinamerika

Innerhalb Lateinamerikas können derzeit drei Ländergruppen identifiziert werden: Erstens die Mitglieder der inzwischen wirtschaftlich und politisch erheblich geschwächten ALBA-Allianz: Venezuela, Bolivien, Kuba und Nicaragua. Eine transatlantische Kooperation mit diesen Ländern ist weder politisch opportun noch – bis auf punktuelle Projekte – wirtschaftlich interessant.

Eine zweite Kategorie sind die Länder, die dem freien Welthandel und einer Kooperation mit Europa deutlich offener gegenüberstehen, zwar noch keine bilateralen Handelsabkommen mit Europa haben, diese aber im Kollektiv (Mercosur) oder als Einzelstaaten anstreben: Argentinien, Uruguay, Paraguay sowie v. a. Brasilien. Allerdings ist gerade Brasilien wegen seiner politischen Turbulenzen ein Paradebeispiel für enttäuschte Hoffnungen. Der Wahlerfolg Jair Bolsonaros und vor allem sein sorgloser Umgang mit der Coronapandemie haben Brasiliens Position in der Region weiter geschwächt. Was dies mittel- und langfristig für das Verhältnis zwischen Brasília und Washington bedeutet, lässt sich immer noch nicht absehen.

Die dritte und interessanteste Gruppe aus transatlantischer Sicht bilden die Mitglieder der Pazifik-Allianz: Mexiko, Chile, Kolumbien, Peru, bald vielleicht auch Ecuador. Diese Länder haben sich eindeutig dem Multilateralismus und dem freien Welthandel verschrieben. Wegen der dynamischen und konsequenten Öffnung dieser Länder in Richtung China müsste Europa hier offensiv definieren, welche Vorteile und Kooperationsgewinne für alle Beteiligten in einer „Erweiterten Transatlantischen Partnerschaft“ liegen.

 

Mexikos Sonderrolle

Mexiko spielt in diesen Überlegungen eine gewichtige Sonderrolle – wegen seiner geografischen Nähe zu den USA sowie der wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Verflechtungen beider Länder. Auch das im Juli 2020 in Kraft getretene neue Nordamerikanische Freihandelsabkommen (T-MEC) hat trotz des aufgeheizten Diskurses und der erkennbaren Auswirkungen der Pandemie Mexikos Rolle als „verlängerte Werkbank der USA“ noch nicht nachhaltig beschädigt. Mexiko ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Region und die EU ist nach den USA und China sein drittwichtigster Handelspartner, seit April 2018 gar mit eigenem Freihandelsabkommen. Mit Mexiko verbinden Deutschland darüber hinaus eine ambitionierte Entwicklungsagenda auf der globalen Ebene sowie zahlreiche Investitionen in der Privatwirtschaft.

Hier liegt für Deutschland und Europa eine außergewöhnliche Chance, über Mexiko einen neuen Kommunikationskanal zur Trump-Administration zu eröffnen. Die bisherige Regierungspolitik Mexikos ist diesbezüglich eher enttäuschend, da der seit 2018 amtierende Präsident Andrés Manuel López Obrador ein demonstratives Desinteresse für internationale Belange erkennen lässt. Auch nach seiner ersten Auslandsreise im Juli 2020 nach Washington scheint sich daran nichts zu ändern. Noch scheint, dass die vielbeschworene Mauer zwischen den beiden Staaten die bilateralen Beziehungen entscheidend definiert.

 


 

Hans-Hartwig Blomeier ist Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Mexiko.

 


 

Patricio Garza Girón ist Projektmanager im Auslandsbüro der Konrad-Adenauer-Stiftung in Mexiko.

 


 

Christian E. Rieck ist Lehrbeauftragter für Globale Studien an der Universität Rey Juan Carlos in Madrid und der Humboldt-Universität zu Berlin sowie wissen-schaftlicher Mitarbeiter am Historischen Institut der Universität Potsdam.

 


 

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Samuel Krug

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