Betrachtet man die politische Aufmerksamkeit, die verschiedene US-Administrationen in der Vergangenheit dem Thema Rohstoffversorgungssicherheit beigemessen haben, zeigen sich je nach Rohstoff erstaunliche Unterschiede. Während die fossilen Energieträger, allen voran Erdöl, die Grundlage für den wirtschaftlichen und späteren militärischen Aufstieg der Vereinigten Staaten bildeten und zu den strategischen Schlüsselrohstoffen des 20. Jahrhunderts avancierten, ist dies bei den metallischen Hightech-Elementen des 21. Jahrhunderts bisher nicht der Fall. Im Gegenteil: Die technologische und ökonomische Bedeutung, die Seltene Erden und zahlreiche weitere Metalle (z. B. Kobalt, Kupfer, Lithium) mittlerweile haben und künftig haben werden, erfuhr in den ersten beiden Jahrzehnten des neuen Jahrtausends in Washington nur selten die notwendige politische Aufmerksamkeit. Amerika vernachlässigte zu lange, dass aufgrund mehrerer, sich gegenseitig verstärkender Entwicklungen und Megatrends (Digitalisierung, Klimawandelpolitik) noch im Ölzeitalter eine neue Generation metallischer (wirtschafts-)kritischer bzw. strategischer Schlüsselelemente in immer mehr Bereichen zum Einsatz kam. Die heute alltäglichen Geräte und Technologien, die unsere zunehmend vernetzte und digitalisierte Lebenswelt erst ermöglichen, enthalten immer komplexere Rohstoff- und Materialzusammensetzungen aus einer Vielzahl von Elementen des Periodensystems. Aufgrund dessen sprechen einige Analysten bereits vom „Rare Metal Age“, in dem das neue Öl die kritischen Metalle seien. Eine Reihe von Studien hat gezeigt, dass die Transformation von den fossilen Energiesystemen zu den grünen Technologien nur durch den steigenden Einsatz von Massen- und Sondermetallen machbar sein wird. Zu diesen kritischen Rohstoffen zählen all jene nichtenergetischen Mineralien und Metalle, die zum einen eine große wirtschaftliche Bedeutung haben und bei denen es Beschaffungsrisiken wie zum Beispiel eine hohe Marktkonzentration gibt. Dies erhöht das Risiko von Lieferengpässen. Viele dieser kritischen Hightech-Metalle können nach dem derzeitigen technologischen Stand nur schwer substituiert oder wirtschaftlich recycelt werden.
Um die Kontrolle von Erdöllagerstätten und Marktanteilen wurden im letzten Jahrhundert Kriege geführt und internationale Handelskonflikte ausgetragen. Ob dies in diesem Jahrhundert auch bei kritischen Metallen geschieht, wird sich zeigen. Unstrittig ist indes bereits heute, dass sowohl der gesicherte Zugriff auf kritische Rohstoffe als auch die technologische Fähigkeit, diese zu Komponenten und Systemen (Computer, elektrische Antriebe, Windkraftanlagen, Batteriezellen, hitzebeständige Legierungen) zu verarbeiten und dadurch zivile und militärische Zukunftsmärkte zu erobern, keine ausschließlich ökonomischen oder technologischen Randfragen mehr sind. In den sich verschärfenden Großmächterivalitäten, allen voran zwischen den USA und China, haben die zusammenhängenden Aspekte Rohstoffsicherheit und (rohstoff-)technologische Souveränität für alle führenden Industriestaaten erneut eine langfristige geostrategische Bedeutung.
Lang bekannte Abhängigkeit von China und uneingeschränktes Marktvertrauen
In der Zeit des Kalten Krieges war die Problemlage bei der Rohstoffversorgung eindeutig. Als größte Risiken für die wirtschaftliche und militärische Sicherheit der USA galten eine mögliche Versorgungsunterbrechung durch die Sowjetunion oder die Etablierung eines Mineralien-Produzentenkartells, das wie die OPEC imstande wäre, die Rohstoffpreise zum Nachteil amerikanischer Unternehmen zu beeinflussen. Die US-Administration beobachtete daher die Märkte der relevanten Industriemetalle (Chrom, Kobalt, Mangan, Platin) genau. Sichere Lieferquellen waren gleichermaßen ökonomisch und sicherheitspolitisch bedeutsam. Die Versorgung mit Seltenen Erden war zu jener Zeit gesichert, da die Vereinigten Staaten von 1960 bis Mitte der 1980er Jahre größter Produzent der Rohstoffe waren. Nach dem Zerfall des sowjetischen Machtblocks änderte sich das Denken über strategische Rohstoffsicherheit. Die Weltrohstoffmärkte wurden nicht mehr nach geopolitischen oder strategischen Versorgungsgesichtspunkten, sondern nunmehr hauptsächlich nach ökonomischen Maßstäben bewertet. Die USA sorgten sich zwar nach wie vor um ihre Ölversorgung aus dem Nahen Osten, aber die Versorgung mit mineralischen Rohstoffen galt als weitgehend unproblematisch. China war noch nicht strategischer Rivale, sondern lukrativer Emerging Market. Ein nahezu uneingeschränktes und kaum zu erschütterndes Marktvertrauen verstellte den Blick auf die Entwicklungen, die seit den 1980er Jahren in der Volksrepublik von statten gingen. Peking baute nach und nach eine staatlich gestützte eigene Industrie für Seltenerd-Produkte auf, die sich vom Abbau über die Weiterverarbeitung bis zur angewandten Grundlagenforschung erstreckte. 1995 übernahm ein chinesisches Investmentkonsortium den führenden amerikanischen Magnethersteller Magnequench und erwarb damit wertvolles technologisches Know-how. Dieser Schritt ermöglichte es China, zum führenden Hersteller von Permanentmagneten aufzusteigen, die heutzutage in zahlreichen elektronischen Geräten verbaut sind. Ob der oft bemühte Ausspruch Deng Xiaopings, „Der Nahe Osten habe Öl, China Seltene Erden“, tatsächlich Ausdruck strategischer Weitsicht war oder nur einen geologischen Sachverhalt wiedergab, ist aus heutiger Sicht zweitrangig. Entscheidend ist vielmehr, dass der Aufstieg Chinas zum größten Produzenten Seltener Erden und führenden Magnethersteller in jenen Jahren begann, als der amerikanische Glaube an die grenzenlose ökonomische Globalisierung am stärksten und noch kein ausreichendes Problembewusstsein für die neuen strategischen Rohstoff- und Technologiefragen vorhanden war.
Bereits 2002 warnte der amerikanische Geologische Dienst davor, dass die USA Gefahr liefen, ihre langjährige Technologieführerschaft im Seltenerd-Sektor zu verlieren. 2008 wies der amerikanische Nationale Forschungsrat auf die mittlerweile hohe Importabhängigkeit der USA von Seltenen Erden und zehn weiteren Metallen hin. In einem weiteren Bericht aus demselben Jahr wurde die Bedeutung dieser Metalle für das US-Militär, allen voran für die Bevorratung (Stockpiling), aufgezeigt. Die Warnungen blieben im politischen Washington jedoch weitgehend ungehört. Wenig später schloss zudem die einzige Mine im kalifornischen Mountain Pass, aus der in den USA Seltene Erden gefördert wurden. Dadurch verlor das Land letztlich nicht nur seine einst marktbeherrschende Stellung, sondern vor allem wertvolle Bergbauexpertise insbesondere in der metallurgischen Verarbeitung. Sinkende Rohstoffpreise und strengere Umweltauflagen trugen mit zum Niedergang der amerikanischen Seltenerd-Industrie bei.
Schlüsseljahr 2010: China stoppt den Export Seltener Erden
Zwei Ereignisse prägten das Jahr 2010 in besonderem Maße und machten es zum Schlüsseljahr für die internationale Aufmerksamkeit für die Rohstoffgruppe der Seltenen Erden. Zum einen entschied Peking, seine Exportquoten für Seltene Erden zu senken, was die Märkte als ein Signal für eine mögliche Verknappung der Angebotsmenge deuteten. Daraufhin stiegen in kürzester Zeit die Preise für die Seltenen Erden um ein Vielfaches. Einige der Elemente verteuerten sich um mehrere hundert Prozent. Im Zuge dieser kurzen, aber heftigen, maßgeblich durch Spekulation und Verunsicherung angeheizten Hochpreisphase kam es zusätzlich zu einem Zwischenfall zwischen chinesischen und japanischen Booten in der Nähe einer von beiden Seiten beanspruchten Inselgruppe im Ostchinesischen Meer. Nachdem die japanische Seite den Kapitän des chinesischen Boots verhaftete, verlagerte sich der Konflikt auf die politische Ebene. Peking stoppte daraufhin für mehr als zwei Monate sämtliche Ausfuhren Seltener Erden nach Japan. Diese sich hochschaukelnde Verkettung von Ereignissen – die angekündigte Senkung der Exportquoten, die kurzfristige Hochpreisphase, der Zwischenfall im Seegebiet, der Rohstoffausfuhrstopp und die Beeinträchtigung der diplomatischen Beziehungen – sorgten in Summe dafür, dass sich die westlichen Industriestaaten erstmals ihrer Abhängigkeit von diesen Elementen bewusst wurden und neue Rohstoffkonflikte befürchteten. Auch zahlreiche Unternehmen wussten zu dieser Zeit kaum etwas über die komplexen Lieferketten der Seltenen Erden und waren von den Ausmaßen des Handelskonflikts überrascht. In den USA wurde indes nicht nur Pekings Verhalten verurteilt, sondern auch das lange Nichthandeln der Regierung angesichts der im Stillen gewachsenen Abhängigkeit von China kritisiert.
Viele Initiativen, kaum Auswirkungen unter Obama
In jenem kurzen Zeitfenster von 2010 bis 2012 erhielt das Thema Rohstoffsicherung daher verstärkte Aufmerksamkeit und wurde auch in Washington nicht mehr ausschließlich durch die ökonomische Linse betrachtet. Es avancierte zu einem Thema der nationalen Sicherheit. Unter Obama wurden infolge mehrere Forschungsprogramme aufgelegt, um technische Lösungen für den Einsatz kritischer Metalle (Recycling, Substitution) zu finden. Unternehmen warben erfolgreich Gelder ein, um in Minenprojekte in den USA und außerhalb zu investieren. Zahlreiche Analysen wurden zu den neuen Versorgungsrisiken rund um Seltene Erden und kritische Hightech-Metalle veröffentlicht. Mehrere Gesetzesinitiativen wurden in den US-Kongress eingebracht, um das Thema auf der politischen Agenda zu behalten. Die meisten von ihnen scheiterten jedoch. Auf Seiten der Republikaner und konservativer Unterstützer weigerte man sich, öffentliche Gelder in Projekte zu investieren, die als unrentabel und am Markt nicht überlebensfähig angesehen wurden. Umweltverbände mahnten die Folgen für die Natur an, wenn wieder Bergbau in den USA betrieben würde. Und auch die Demokraten unter Obama zögerten, direkt in Rohstoffprojekte zu investieren.
Im Jahr 2014 gewannen die USA, die EU und Japan ein Schiedsverfahren in der Welthandelsorganisation (WTO) gegen China, in dem die chinesischen Exportrestriktionen, Ausfuhrzölle und unterschiedlichen Preise für Seltene Erden als Verstöße gegen die WTO-Regularien beurteilt wurden. Ein besonders ambitionierter in das Repräsentantenhaus eingebrachter Vorschlag aus demselben Jahr sah gar die Errichtung einer National Rare-Earth Refinery Cooperative vor, mit der die Produktion und Weiterverarbeitung Seltener Erden in den USA forciert werden sollte. Weiterhin sollten alle neu angeschafften Waffensysteme der US-Streitkräfte ab dem Jahr 2020 nur noch Seltenerd-Materialien aus den USA oder NATO-Staaten enthalten. Die allgemeine und politische Aufmerksamkeit für das Thema schwand jedoch recht schnell wieder, da die Rohstoffpreise sanken und sich die diplomatischen Wogen zwischen Peking und Tokio allmählich glätteten. Die gewohnten politischen Deutungs- und Handlungsmuster kehrten zurück, und andere Probleme und Konflikte wurden wieder wichtiger. So war es nicht verwunderlich, dass die US-Regierung 2015 das letzte amerikanische Unternehmen Molycorp, das noch in der Förderung Seltener Erden aktiv war, nicht vor der Pleite bewahrte, um zumindest noch eine letzte Rohstoffbezugsquelle im eigenen Land zu haben. Obwohl diese Entscheidung aus betriebswirtschaftlicher Sicht ihre Berechtigung hatte, war sie aus strategischer Sicht mindestens bedenklich. Molycorp wurde daraufhin zerlegt und erstand 2017 unter der neuen Bezeichnung MP Materials neu. Einer der neuen Anteilseigner ist seither ein chinesisches Unternehmen. Diesen Fakt kann man unterschiedlich deuten: einerseits als ökonomische Chance, die US-Produktion Seltener Erden auf der ersten Wertschöpfungsstufe wiederzubeleben, andererseits als bedenkliche Abhängigkeit von China, das nun einen direkten Fuß im amerikanischen Rohstoffsektor hat.
In der Gesamtschau haben die angesprochenen Initiativen und Maßnahmen in der Präsidentschaft Obamas sicher einen Beitrag geleistet, die ökonomische, technologische und auch militärische Bedeutung Seltener Erden für einen kurzen Zeitraum ins allgemeine Bewusstsein zu rücken und einige relevante politische Vorhaben auf den Gesetzesweg zu bringen. Greifbare Erfolge im Sinne struktureller Marktveränderungen oder internationaler Machtverschiebungen wurden dadurch nicht erreicht. Am grundlegenden ökonomischen Paradigma, dass hauptsächlich die Marktkräfte das Problem der Rohstoffabhängigkeit von China lösen sollten, wurde trotz der Relevanz für die nationale Sicherheit in Washington nicht gerüttelt. Erst mit Amtsantritt von Donald Trump kam erneut Bewegung in dieses Politikfeld.
Bedeutungsaufwertung unter Trump
Obwohl US-Präsident Trump vornehmlich die Attitüde des Geschäftsmannes pflegt, der Deals einfädelt und die Wirtschaft ins Zentrum seiner Politik stellt, wurde das Thema Rohstoffversorgungssicherheit mit Seltenen Erden und weiteren kritischen Metallen recht schnell nach seinem Amtsantritt als sicherheitspolitisch bedeutsam erachtet. Das Innenministerium wurde beauftragt, die nationale Liste kritischer Rohstoffe zu überarbeiten und an die aktuellen Marktgegebenheiten anzupassen. Als im Mai 2019 der amerikanisch-chinesische Handelskonflikt an Schärfe zunahm, besuchte Staats- und Parteichef Xi Jinping demonstrativ ein chinesisches Seltenerd-Unternehmen und unterstrich damit die Bedeutung der Rohstoffe und die möglichen Hebel, die Peking besitzt. Wenig später veröffentlichte das US-Handelsministerium eine aktualisierte Federal Strategy to Ensure Secure and Reliable Supplies of Critical Minerals, in der wirtschaftliche Sicherheit und militärische Verteidigung gemeinsam adressiert wurden. Sechs Hauptbereiche wurden darin identifiziert, in denen verschiedene Vorhaben und Maßnahmen benannt wurden. Diese reichen von Rohstoffforschung entlang der Wertschöpfungskette, der Stärkung sicherer Lieferketten bis zu Handels- und Investitionsfragen. Dem Thema Fachkräfteausbildung im Rohstoffsektor (Critical Minerals Workforce) wurde erstmals verstärkt Rechnung getragen, denn mit dem Niedergang der amerikanischen Bergbauindustrie und der schwindenden Bedeutung von Rohstofffragen gingen mit der Zeit auch wertvolles menschliches Fachwissen und Erfahrung verloren. Diese müssen nunmehr mühsam reaktiviert oder gänzlich neu aufgebaut werden. Das jüngste Vorhaben auf politisch-legislativer Ebene ist der sogenannte „ORE Act“ (Onshoring Rare Earths Act), der 2020 von Senator Ted Cruz eingebracht wurde. Dieser sieht ähnlich wie schon der „National Rare-Earth Refinery Cooperative Act“ aus dem Jahr 2014 eine finanzielle Unterstützung von Pilotprojekten zur Förderung kritischer Metalle in den USA vor. Daneben gibt es eine Reihe von Kooperationsprojekten auf Unternehmensebene, die teilweise mit Unterstützung des US-Verteidigungsministeriums versuchen, den amerikanischen Seltenerd-Sektor wiederzubeleben und auszubauen.
Die Situation 2020: China dominiert weiterhin die Schlüsselrohstoffmärkte
Mit Blick auf die Lagebeurteilung für den Zeitraum 2010 bis 2020 können mehrere Schlussfolgerungen gezogen werden: China hat seine marktbeherrschende Stellung verteidigt und kontrolliert derzeit etwa 70 Prozent der Weltproduktion dieser Elemente im Land. Die Abhängigkeit der USA wie auch der EU von den Importen Seltener Erden und zahlreicher weiterer kritischer Metalle liegt bei fast 100 Prozent. Das ist weit höher als etwa bei Erdöl oder Erdgas, die gleichwohl deutlich stärker im Blick der amerikanischen Politik stehen. Es gibt mit dem australischen Rohstoffunternehmen Lynas einen zwar ernsthaften, aber kleinen Konkurrenten auf dem Markt, der das chinesische Monopol nicht ganz so groß erscheinen lässt. Dieser konnte jedoch über Jahre nur durch die finanzielle Unterstützung aus Japan am Leben erhalten werden, damit Tokio eine strategische Alternative zu den chinesischen Bezugsquellen hat. In Europa und Nordamerika gibt es ebenfalls kleinere Rohstoffprojekte, aber die kommerzielle Produktion ist entweder gering, unterfinanziert oder steht aufgrund langwieriger Genehmigungsverfahren noch am Anfang. Weiterhin dominieren chinesische Unternehmen auch die weiteren Stufen der globalen Wertschöpfungskette Seltener Erden, so dass die Gewinne vom vergleichsweise günstigen Erz bis zu den hochpreisigen Zwischen- und Endprodukten überwiegend in China erwirtschaftet werden. Die 1995 getätigte Investition in Magnequench und der strategisch konsequente Aufbau einer eigenen Seltenerd-Industrie haben sich für die Volksrepublik somit mehrfach ausgezahlt: Gewinne und Marktkontrolle liegen gleichermaßen in chinesischen Händen. Bei einer ganzen Reihe weiterer kritischer Metalle wie etwa Gallium, Indium und Kobalt hat China mittlerweile eine ähnlich starke Marktstellung erreicht und kontrolliert mehrere Wertschöpfungsstufen im Land.
Das Hauptproblem dabei ist nicht etwa, dass eine geologische Knappheit zu erwarten ist. Die Seltenen Erden sind trotz ihres Namens nicht selten, und globale Reserven gibt es nach aktuellem Kenntnisstand ausreichend. Das eigentliche Problem aus westlicher Sicht ist das wertschöpfungsstufenübergreifende Monopol chinesischer Unternehmen, dem die USA und ihre Partner bisher kaum etwas entgegengesetzt haben. Monopole sind nicht per se schlecht oder schädlich. Niemanden würde es wohl groß stören, wenn Schweden, die Schweiz oder Südkorea führender Produzent Seltener Erden wären. China ist jedoch kein gewöhnlicher Marktakteur. Rohstoffsicherheit ist ein strategisches Politikfeld, dem Peking seit Jahrzehnten oberste Priorität beimisst. Sie ist das unentbehrliche Fundament für Chinas ambitionierte Industrie- und Technologiepolitik, mit der das Land anstrebt, zur führenden Wirtschafts- und möglicherweise Ordnungsmacht der Welt aufzusteigen. Wenn der Westen nun hofft, dass allein der Markt dieses ökonomische Ungleichgewicht zu lösen vermag, überschätzt er womöglich erneut die Marktkräfte und verkennt den politischen Ehrgeiz Chinas. Einiges spricht dafür, dass ein politisch herbeigeführtes und am Leben erhaltenes Rohstoffmonopol allein mit den Dynamiken von Angebot und Nachfrage nur schwer zu durchbrechen sein wird. Vielmehr sollten die politisch-strategische Dimension dieses Problems stärker in den Blick genommen und die Handlungsoptionen der rohstoffabhängigen westlichen Industriestaaten ausgelotet werden, um diesen unbefriedigenden Status quo zu verändern.
Rückschlüsse und Handlungsoptionen für Deutschland und die EU
Der Befund eines verlorenen Jahrzehnts der Rohstoffsicherheit in den USA trifft auch für die EU zu. Deutschland als führende Wirtschaftsmacht in der Union und die EU-Kommission haben das Thema Rohstoffsicherheit ebenfalls zu lange ignoriert und mit zu schwachen politischen Instrumenten zu managen versucht. Erschwerend kommt hinzu, dass die EU nicht als geeinter und durchsetzungsstarker Akteur auf den Rohstoffmärkten auftritt und insgesamt zu passiv ist. Die EU-Kommission verabschiedete zwar 2008 ihre Raw Materials Initiative und veröffentlicht seit 2010 in regelmäßigen Abständen Listen der für die EU kritischen Rohstoffe. Auch stärkt sie Forschungsanstrengungen in den Bereichen Exploration, Kreislaufwirtschaft und Materialwissenschaften. An den grundlegenden ökonomischen Abhängigkeiten von China hat sich dadurch bisher kaum etwas geändert. Auf den Weltmärkten bleiben die europäischen rohstoffbeziehenden Unternehmen Konkurrenten und der EU fehlt es bisher am politischen Willen, ihre Versorgungsketten stärker unter dem Gesichtspunkt eines sich verschärfenden geostrategischen und technologischen Konkurrenzkampfes auszurichten. Dabei gäbe es zusätzlich zu den bereits vielerorts praktizierten und etablierten Maßnahmen (so z. B. die Diversifizierung der Quellen, Materialeinsparung, Lagerhaltung) durchaus einige weiterführende strategische Optionen, die auf verschiedenen Ebenen ansetzen, miteinander verzahnt und langfristig verfolgt werden müssten:
Von Rohstoffsicherheit zu Rohstoffsouveränität
Auf der rohstoffstrategischen Ebene wäre überlegenswert, ob man vom bisherigen Konzept der hauptsächlich ökonomisch begründeten Rohstoffsicherheit abrückt und Versorgungsfragen künftig unter der erweiterten Prämisse von politisch-ökonomischer Rohstoffsouveränität betrachtet. Primärer Akteur bliebe dabei freilich die Wirtschaft, aber die Politik könnte nicht nur relevante Schlüsselmärkte, sondern deren gesamte Wertschöpfungsstufen und Lieferketten stärker in den Blick nehmen, um inakzeptable volkswirtschaftliche Abhängigkeiten und geopolitische Risiken schneller zu identifizieren und gegebenenfalls sektorspezifisch zu intervenieren. Dies würde jedoch eine engere Abstimmung zwischen der Bundesregierung, der EU-Kommission und den relevanten europäischen Rohstoff- und Technologieunternehmen erfordern. Auch müsste politisch wie rechtlich geklärt werden, ab wann die Politik eingreifen sollte und darf und ab wann Interventionen zu unerwünschten und nicht mehr hinnehmbaren Marktverzerrungen führen würden. Grundsätzlich kommt der wirtschaftsstrategische Interventionsgedanke bereits bei den schützenswerten kritischen Infrastrukturen oder im Bereich der Landwirtschaft in der EU zur Anwendung und wäre daher nicht – wie gelegentlich dargestellt – ein wirtschaftspolitischer Tabubruch.
Vom Erz zum E-Motor – Eine transatlantische und transpazifische Rohstoffindustrie-Allianz
Rohstoffsicherheitsfragen sind globaler Art, weshalb sie auch über die bisherigen geografischen Allianzgebiete von EU und NATO hinaus bedacht werden sollten. Wichtige Partner für die USA und die EU sind die traditionellen Bergbauländer Kanada und Australien, aber auch die in der strategischen Rohstoffpolitik erfahrenen Länder Japan und Südkorea. Würde man das Ziel verfolgen, eine alternative Lieferkette – von der Mine bis zum Magnet und weiter bis zum E-Motor – für Seltene Erden zur bestehenden chinesisch dominierten aufzubauen, bräuchte man diese Staaten. Australien und Kanada, ebenso wie Schweden und Grönland besitzen geeignete Lagerstätten, die als künftige erste Bezugsquellen dienen könnten. Entscheidend wäre jedoch, wo die Erze anschließend verarbeitet werden würden. Bisher werden sämtliche Seltenerd-Erze in China aufbereitet und dort zu Zwischenprodukten veredelt. Um diese technologische Engstelle in der Wertschöpfungskette zu durchbrechen, müsste in einem der potenziellen Allianzländer eigens eine Separationsanlage errichtet und womöglich in der ersten Phase mit öffentlichen Mitteln unterstützt werden. Dies wäre ein direkter Markteingriff, der berechtigte finanzielle und rechtliche Fragen aufwirft. Aus strategischer Sicht könnte er jedoch nach einiger Zeit den gewünschten Nutzen entfalten und Produktionsketten teilweise aus China zurückholen.
Sozioökologische Sicherheit als strategischer Wettbewerbsvorteil
In der bisherigen Debatte um grüne Energietechnologien wird oft übersehen, dass ein Großteil der dafür benötigten Rohstoffe aus Regionen stammt, in denen menschenunwürdige Zustände herrschen (Kinderarbeit, Zwangsumsiedlungen, Rohstoffkonflikte) oder immense Umweltschäden bei der Förderung und Verarbeitung in Kauf genommen werden. Dies gilt in besonderem Maße für Seltene Erden aus China, Kobalt aus der Demokratischen Republik Kongo oder Lithium aus südamerikanischen Ländern. Wenn es westlichen Staaten gelingen würde, ihre Rohstoffsicherheit zu erhöhen und gleichzeitig die sozioökologischen Auswirkungen des Rohstoffabbaus zu verringern, wäre dies ein echter Fortschritt, der womöglich auch zu einem Wettbewerbsvorteil werden könnte. Die EU könnte – analog zur aktuellen Debatte um die adäquate Bepreisung von Produkten mit schlechter CO2-Bilanz – darüber nachdenken, bestimmte (kritische) Rohstoffe, die unter ökologisch schlechten und menschenunwürdigen Umständen produziert werden, mit einem erhöhten Einfuhrzollsatz in die Union zu belegen. Mit dem WTO-Recht wäre dies durchaus kompatibel. Dadurch könnten zum Beispiel chinesische Seltenerd-Erze verteuert und der Wettbewerbsdruck für europäische Minenprojekte, die weit höheren Umweltauflagen unterliegen, etwas verringert werden. Erst dann ließe sich wohl tatsächlich von mehr oder weniger grünen Rohstoffen für die Energiewende bzw. den European Green Deal sprechen.
Fazit und Ausblick
Diese und weitere abgestimmte Schritte könnten die USA, die EU und ihre Partner gemeinsam in eine bessere rohstoffstrategische Wettbewerbslage versetzen, um ihre jeweiligen Großprojekte (European Green Deal, Industrie 4.0, Verteidigungsunion) nicht aufgrund von Versorgungsrisiken und Rohstoffkonflikten zu gefährden. Entscheidend hierfür ist jedoch der entsprechende politische Wille auf allen Seiten, eine multivektorielle Strategie dieser Art auf den Weg zu bringen und sie konsequent über Jahre zu verfolgen. Vor den finanziellen Kosten, rechtlichen Fragen und politischen Konflikten darf dann auch nicht zurückgeschreckt werden. Dabei soll es nicht darum gehen, ökonomische (Rohstoff-)Fragen über Gebühr sicherheitspolitisch aufzuladen oder einer staatlichen Industrie- und Rohstoffpolitik das Wort zu reden, sondern im Kern die deutsche und europäische Rohstoffpolitik – ähnlich wie bei energiepolitischen Fragen – an die aktuellen und künftigen weltpolitischen Gegebenheiten anzupassen und strategisch handlungsfähiger zu machen. Im Zuge dessen können durchaus auch tradierte politisch-regulative und ökonomische Grundansichten („Der Markt allein wird es richten“ oder „Protektionismus ist per se schlecht“) einer kritischen Neubewertung unterzogen werden.
Jakob Kullik ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand der Politikwissenschaft an der Technischen Universität Chemnitz und Gastwissenschaftler am Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie.
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