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Wie wir die maritime kritische Infrastruktur Europas resilienter machen

Lebensadern im Fadenkreuz

Maritime kritische Infrastrukturen sind Ziel hybrider Kriegsführung. Sie sind verwundbar und nicht ausreichend geschützt. Die jüngsten Vorfälle an Unterseekabeln haben Schwachstellen offengelegt und zeigen dringenden Handlungsbedarf auf. Doch der Schutz dieser lebenswichtigen Infrastrukturen allein reicht nicht aus, um künftig spürbare Beeinträchtigungen verhindern zu können.

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Zuletzt mehrten sich im Zusammenhang mit maritimen kritischen Infrastrukturen die Vorfälle: zwei beschädigte Unterseedatenkabel im November 2024 sowie Störungen an einem Unterseestrom- und vier Unterseedatenkabeln rund um die Weihnachtstage desselben Jahres im Ostseeraum oder die Beschädigung eines Unterseedatenkabels vor der Küste Taiwans Anfang 2025. Seit dem Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee im September 2022 ist die Sicherheit maritimer kritischer Infrastrukturen in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Es stellen sich Fragen nach Schutzmaßnahmen und dem Umgang mit Ausfällen. Zwar gibt es bereits einige Initiativen und Fortschritte, doch sind diese bei weitem nicht ausreichend, blickt man auf die Bedeutung der Infrastruktur, deren Verwundbarkeit und die Akteure, die gewillt sind, sie zu schädigen. Vor allem Unterseekabel sind das perfekte Ziel hybrider Kriegsführung.

 

Lebenswichtige Einrichtungen über oder unter Wasser

Maritime kritische Infrastruktur unterliegt keiner allgemeingültigen begrifflichen Definition. Stattdessen wird die maritime Komponente in das allgemeine Verständnis der kritischen Infrastrukturen (KRITIS) integriert. Nach dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) handelt es sich bei KRITIS um „Organisationen und Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden“.

Einen maritimen Bezug der KRITIS kann es etwa bei Organisationen und Einrichtungen in Sektoren wie Energie, Informationstechnik und Telekommunikation oder Transport und Verkehr geben. Dazu gehören einerseits Infrastrukturen im und auf dem Wasser, etwa Energieversorgungsanlagen wie Bohrinseln und Windparks, sowie Unterwasserinfrastrukturen wie Pipelines, Unterseedatenkabel und -stromkabel. Andererseits können auch Infrastrukturen an Land zur maritimen KRITIS gezählt werden, wenn diese unmittelbaren maritimen Bezug aufweisen. Das sind elementare physische und digitale Infrastrukturen von Hafeneinrichtungen und -betreibern, Reedereien, Kräne und Logistikzentren, Anlandepunkte von Unterseekabeln oder Umschlagplätze wie Erdöl- und LNG-Terminals.

 

Maritime Besonderheiten

Maritime KRITIS unterliegt einigen Besonderheiten, die ihren Schutz herausfordernd machen. Die teils schwer zugängliche Lage erfordert besondere Fähigkeiten und technische Ausrüstung. Insbesondere Unterwasserinfrastrukturen wie Daten- und Stromkabel oder Pipelines sind je nach Tiefe nur mit entsprechenden Geräten und Ausrüstung erreichbar. Datenkabel, die durch den Atlantik verlaufen, liegen in bis zu 6.000 Metern Tiefe und sind oftmals mehrere tausend Kilometer lang.

Die Eigentumsverhältnisse sind häufig komplex. Oftmals investieren mehrere Unternehmen zusammen in Unterseedatenkabel. Die Kosten für die Planung, den Bau und die Verlegung sind hoch. Das SEA-ME-WE 6 Kabel (South East Asia-Middle East-West Europe 6) beispielsweise ist ein 21.700 Kilometer langes Unterseekabelsystem zwischen Singapur und Marseille und kostete etwa 480 Millionen Euro. Während jahrzehntelang Konsortien staatlicher Telekommunikationsanbieter die Unterseekabelinfrastruktur betrieben, führen die steigenden Kosten, ein größeres Datengeschäft sowie der gestiegene Bedarf von Tech-Unternehmen dazu, dass Big-Tech-Unternehmen wie Alphabet, Apple, Meta, Microsoft und Huawei in diese Infrastruktur investieren und staatliche Investoren und Telekommunikationsanbieter verdrängen.

Maritime kritische Infrastrukturen sind einer großen Bandbreite von potenziellen Gefahren ausgesetzt.

Außerdem verlaufen die Infrastrukturen häufig über nationale Grenzen hinweg, woraus sich völkerrechtlich komplexe Zuständigkeitsfragen und Grauzonen ergeben. So definiert das für die Regulierung auf den Weltmeeren maßgebliche UN-Seerechtsübereinkommen (SRÜ) zwar räumlich klar abgegrenzte Zonen staatlicher Verantwortlichkeit und Befugnisse. Maritime KRITIS, insbesondere Unterwasserinfrastruktur mit transnationalem Charakter wie Pipelines und Unterseekabel, durchschreiten jedoch oft mehrere dieser Zonen mit jeweils unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen. Während ein Staat gemäß SRÜ in seinem Küstenmeer, definiert als das Territorium bis zwölf Seemeilen von der Basislinie der Landgrenze, über Gebietshoheit verfügt und folglich vollumfassende Maßnahmen zum Schutz seiner maritimen KRITIS ergreifen darf, ist dies bereits in der unmittelbar angrenzenden Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ, bis 200 Seemeilen von der Basislinie) nur noch eingeschränkt der Fall. Küstenstaaten haben in ihrer AWZ exklusive ökonomische Nutzungsrechte und die Befugnis, dort eigene Infrastrukturen zu errichten, zu betreiben und zu schützen. Neben Unterwasserinfrastrukturen, die die AWZ durchlaufen, befindet sich hier daher auch ein großer Teil von Offshore-Energieversorgungsanlagen wie Bohrinseln und Windparks. Doch problematisch ist, dass das SRÜ einem Küstenstaat in seiner AWZ und der anschließenden Hohen See keine Befugnis einräumt, Hoheitsgewalt gegenüber dort verkehrenden Schiffen auszuüben. Diese Hoheitsgewalt liegt ausschließlich beim Flaggenstaat eines Schiffes. Das bedeutet, dass der Küstenstaat in seiner AWZ ohne Zustimmung des Flaggenstaates grundsätzlich keine Zwangsmaßnahmen gegenüber einem fremden Schiff ergreifen darf – selbst wenn dieses im Verdacht steht, Sabotage an KRITIS des Küstenstaates zu begehen. Inwieweit andere völkerrechtliche Übereinkünfte in solchen Fällen Maßnahmen des Küstenstaates gegen fremde Schiffe ohne Zustimmung des Flaggenstaates decken, ist umstritten.

 

Infrastruktur als Ziel hybrider Kriegsführung

Maritime KRITIS ist einer großen Bandbreite von potenziellen Gefahren ausgesetzt. Hierzu zählen Umwelteinflüsse wie Stürme, Erdrutsche oder Seebeben und Unfälle durch technisches oder menschliches Versagen, etwa durch Havarien oder Fischerei. Der Großteil der Beeinträchtigungen an maritimer KRITIS geht auf solche natürlichen beziehungsweise unbeabsichtigten Faktoren zurück. So sind beispielsweise rund 70 Prozent der Schäden an Unterseekabeln auf Schiffsanker, Baggerarbeiten oder Schleppnetze zurückzuführen. Im Frühjahr 2024 etwa wurden nach einem Angriff auf den Frachter Rubymar durch die Huthi-Rebellen im Roten Meer mehrere Unterseekabel beschädigt. Von 16 Unterseekabeln, die durch die Meerenge von Bab al-Mandab vom Arabischen ins Rote Meer verlaufen, funktionierten drei nicht mehr. Der am Boden zerrende Anker des gesunkenen Frachters hatte diese beschädigt.

Neben unbeabsichtigten Vorfällen rückt auch die gezielte Schädigung maritimer KRITIS zunehmend in den Fokus. Die hybride Kriegsführung vor allem Russlands, aber auch chinesische Aktivitäten in Europa werden aggressiver. Vorfälle, bei denen absichtliche Beschädigungen im Raum stehen, häufen sich. Abgesehen von den Eingangsbeispielen gab es in den vergangenen Jahren weitere Fälle in Ostsee und Nordatlantik.

Die russische „Schattenflotte“ wird für hybride Kriegsführung eingesetzt.

Sabotage und Spionage an kritischer Infrastruktur sind elementare Instrumente der hybriden Kriegsführung. Durch Angriffe auf kritische Infrastruktur, Beschädigungen oder gar Ausfälle von Leistungen sollen staatliche Belange beeinträchtigt und die Gesellschaft verunsichert und destabilisiert werden. Angemessene, rechtssichere und schnelle staatliche Reaktionen sind erheblich erschwert. Die Einwirkungen auf die Infrastruktur bleiben meist unterhalb der Schwelle eines offenen kriegerischen Aktes und erfolgen unter Verschleierung der Urheberschaft. Eine Zuordnung der schädigenden Handlungen zu einem Akteur wird hierdurch ebenso stark beeinträchtigt wie die Wahl einer verhältnismäßigen Antwort.

Vor allem die Energie- und Telekommunikationsinfrastruktur ist zur Zielscheibe geworden. Im Ostseeraum sind vor allem zwei Szenarien wahrscheinlich:

  1. Kumulierende und in zeitlich enger Folge durchgeführte Sabotageakte an kritischer Infrastruktur, um spürbare Ausfälle zu erzeugen, staatliche Strukturen zu belasten oder gar zu überfordern und um die Gesellschaft zu verunsichern;

  2. Sabotageakte an der Energieinfrastruktur, vor allem an Offshore-Windparks, mit dem Ziel, die europäischen Fortschritte bei der Energietransformation zu bremsen, Investoren abzuschrecken und die Abhängigkeit von fossilen (darunter auch russischen) Energieträgern zu verlängern.

 

Russland betreibt eine Flotte von „Forschungsschiffen“ im Rahmen der Abteilung Tiefseeforschung (auch GUGI genannt), einer Organisationseinheit des russischen Verteidigungsministeriums. Dazu gehören mehr als 50 Schiffe, darunter zivile Forschungsschiffe, Spezialschiffe der russischen Marine sowie Unterseeboote, die auch über Fähigkeiten zur Aufklärung und Sabotage von Einrichtungen sowie zur Kriegsführung am Meeresboden verfügen. Diese Einheit sammelt in Nord- und Ostsee systematisch Daten rund um kritische Energie- und Telekommunikationsinfrastrukturen und kartografiert den Meeresboden.

Russland nutzt allerdings nicht nur diese Einheit für seine hybride Kriegsführung. Auch die russische „Schattenflotte“ wird immer häufiger eingesetzt. Im vergangenen Dezember wurde bekannt, dass der Öltanker Eagle S, dessen Besatzung im Verdacht steht, ein Unterseekabel zwischen Estland und Finnland sabotiert zu haben, zu dieser Flotte gehört. Die russische Schattenflotte besteht aus häufig sehr alten, schlecht gewarteten Tankern und Frachtschiffen, die häufig unter wechselnder fremder Flagge kleinerer Staaten operieren, das Automatische Identifikationssystem (AIS) zum Austausch von Schiffsdaten und -routen oftmals ausgeschaltet haben und erheblich unterversichert sind. Die Eigentümerstrukturen sind meistens unbekannt. Die Flotte kommt zur Umgehung von Wirtschaftssanktionen zum Einsatz, da die Tanker russisches Erdöl exportieren. Zugleich bergen sie erhebliche Risiken für die Umwelt und den Meeresschutz in sich.

Auch China forciert seine hybriden Aktivitäten. Dies zeigte sich exemplarisch bei der Beschädigung der Erdgaspipeline Balticconnector in der Ostsee zwischen Finnland und Estland im Oktober 2023. Ermittlungen ergaben, dass das chinesische Containerschiff Newnew Polar Bear unter der Flagge Hongkongs seinen sechs Tonnen schweren Anker über eine Distanz von 180 Kilometern über den Grund der Ostsee schleifte und damit die Pipeline sowie zwei in der Nähe verlaufende Unterseedatenkabel zerstörte. Chinesische Behörden bestreiten ein absichtliches Vorgehen und sprechen von einem Unfall. Auch vor der Küste Taiwans kam es zu Beschädigungen an Unterseekabeln mit chinesischer Beteiligung.

Hafenbetreiber sehen sich vermehrt mit Cyberangriffen konfrontiert.

Fälle von Sabotage und Spionage beschränken sich nicht auf kritische Unterwasserinfrastrukturen, sondern sind auch bei anderer maritimer KRITIS zu verzeichnen. Dazu zählen unter anderem Überflüge mutmaßlich russischer Überwachungsdrohnen über Hafenanlagen wie etwa LNG-Terminals in Deutschland und über Bohrinseln und Offshore-Windparks vor der Küste Norwegens. Deutsche und europäische Hafenbetreiber und -behörden sehen sich insbesondere seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine 2022 vermehrt mit Cyberangriffen konfrontiert. Im selben Zeitraum häuften sich vor allem im Ostseeraum Vorfälle russischer elektronischer Kampfführung. Signale zur Satellitennavigation werden gestört (jamming) und Positionsangaben ziviler und militärischer Schiffe manipuliert (spoofing). Teile der Schattenflotte kommen auch für Spionage zum Einsatz. Häufig steuern diese Schiffe wahllos europäische Häfen an und werden dort aufgrund ihres Zustandes oder ihrer Ladung abgewiesen. Dabei erfassen sie die Prozesse und Strukturen der Häfen sowie Sicherheitsvorkehrungen vor Ort.

Auch wenn sich die unmittelbaren Auswirkungen dieser Vorfälle bisher in Grenzen hielten oder Schäden meist behoben werden konnten, zeigt sich: Der maritimen KRITIS muss mehr Bedeutung beigemessen werden.

 

Schwachstellen der Infrastruktur

Hierfür ist ein besseres Verständnis der Schwachstellen erforderlich. Oftmals erstrecken sich diese nicht nur entlang der Infrastruktur selbst. Am Beispiel der Unterseekabel wird deutlich, wie vielschichtig sie sind.

 

  1. Schwachstelle: Fehlende Redundanzen

Unterseedatenkabel sind das Rückgrat der globalen Datenübertragung und Kommunikation. Sie transportieren mehr als 95 Prozent des internationalen Datenverkehrs und sind derzeit alternativlos. Datenübertragung über Satelliten ist (noch) zu langsam und mit höheren Kosten sowie Störungsanfälligkeiten verbunden. Sie erfolgt nur in den Regionen, in denen die Verlegung terrestrischer Kabel nicht möglich ist.

Der Bedarf an Datenübertragung wächst rapide, getrieben durch die digitale Transformation, die zunehmende Zahl neuer Internetnutzerinnen und -nutzer sowie datenintensive Technologien wie KI, Cloud-Dienste, Streaming-Plattformen und soziale Medien.

 

  1. Schwachstelle: Große Abhängigkeit von Big-Tech-Unternehmenn

Die meisten Unterseedatenkabel werden mittlerweile von großen Technologieunternehmen finanziert und betrieben. Diese Unternehmen kontrollieren einen erheblichen Teil der globalen Dateninfrastruktur, was zu einer Konzentration von Abhängigkeit führt. Zugleich werden sie immer mehr zum Spielball geoökonomischer Machtspiele zwischen den USA und China. Um die chinesische Konkurrenz beim Bau und der Verlegung – und damit der Verbindung verschiedener Orte weltweit – in Schach zu halten, setzen die USA auf wirtschaftliche Druckmittel. Auch China baut auf staatliche Subventionen beim Kabelbau. Dies wurde vor allem beim Unterseekabelprojekt SEA-ME-WE 6 deutlich.

Bei sich verschärfenden geopolitischen Spannungen, Datenblockaden oder anderweitiger Priorisierung der Datenübertragung durch die Unternehmen fehlt es der Europäischen Union und Deutschland an „eigener Infrastruktur“, auf die sie alternativ zurückgreifen könnten. Eine Ausnahme stellt hier lediglich das Datenkabel EllaLink, ein Projekt der EU und Brasiliens, dar.

 

  1. Schwachstelle: Weltweit geringe Reparaturkapazitäten

Begrenzte Reparaturkapazitäten können zu längeren Ausfallzeiten führen. Die Reparatur von Unterseekabeln ist komplex und je nach Ort und Tiefe der Kabel sehr zeitaufwendig. Es gibt weltweit nur eine begrenzte Anzahl von spezialisierten Schiffen und Experten, die in der Lage sind, diese Reparaturen durchzuführen. Derzeit gibt es weltweit 77 Kabelverlegeschiffe, von denen jedoch nur 22 auf Reparaturen spezialisiert sind. Darüber hinaus sind diese Schiffe im Durchschnitt 28 Jahre alt und nähern sich oft dem Ende ihrer Nutzungsdauer. Für die Betreiber von Kabelschiffen ist es wirtschaftlich sinnvoller, ihre Kapazitäten für die Verlegung neuer Kabel statt für Reparaturen zu nutzen.

 

  1. Schwachstelle: Fehlende fähigkeitsspezifische Zuständigkeitsverteilung

Derzeit sind die Zuständigkeiten für den Schutz der kritischen Infrastruktur in Deutschland nicht entsprechend den Fähigkeiten verteilt. Grundsätzlich obliegt den (privaten) Betreibern der Schutz der Infrastruktur. Diese müssen angemessene technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz vor Störungen und zur Beherrschung von Sicherheitsrisiken ergreifen. Bei der Abwehr von staatlichen Einwirkungen fehlt es diesen Betreibern allerdings an Schiffen mit entsprechenden Fähigkeiten.

Für den weitergehenden Schutz und die Abwehr von Gefahren für Unterwasserinfrastrukturen haben die Landespolizeien die Exekutivgewalt in den Küstengewässern, die Bundespolizei dagegen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone. Das Bundesverkehrsministerium ist verantwortlich für Schifffahrtsstraßen und Häfen, hat allerdings keine Mittel, diese zu schützen. Daher übernimmt dies die Bundespolizei. Die zuständigen Polizeibehörden verfügen nur über eingeschränkte Fähigkeiten, vor allem unter Wasser. Die Marine hingegen verfügt grundsätzlich über die Fähigkeiten, darf allerdings nur per Amtshilfeverfahren unterstützen. Durch diese Fähigkeitsdefizite bei den zuständigen Stellen geht bei einem Vorfall sehr viel Zeit durch Koordination und Antragsverfahren verloren.

 

Weniger Schwachstellen durch Maßnahmenbündel

Nur ein Bündel aus Maßnahmen kann den Schutz erhöhen, das Risiko von Ausfällen minimieren und die Folgen von Störungen verringern.

 

  1. Strategische Knotenpunkte besser schützen

Ein vollumfassender Schutz der Unterseekabel wird nicht möglich sein, zu lang sind die Kabel und zu groß sind die Räume, die geschützt werden müssten. Dennoch gibt es weltweit strategische Knotenpunkte, an denen die Kabelverbindungen konzentriert verlaufen und an Land geführt werden, wie in Marseille, Singapur oder an der irischen Westküste. Auch im Roten Meer liegen viele Kabelverbindungen in geringem Abstand zueinander, was das Risiko gleichzeitiger Beschädigung mehrerer Verbindungen erhöht. Diese kritischen Punkte erfordern besondere Schutzmaßnahmen von Betreibern und Staaten, um sowohl Angreifer abzuschrecken als auch im Schadensfall schneller handeln zu können. Eine kontinuierliche Überwachung durch Patrouillen sowohl auf See als auch unter Wasser unter Einsatz moderner, unbemannter Technologien – wie die Unterwasserdrohne Seekatze, die über präzise Sonare in bis zu 300 Metern Tiefe den Meeresgrund aufklären kann, oder der in der Entwicklung befindliche Unterwasserroboter Robosalp, der besonders abgelegene und tiefe Meeresregionen aufklären soll – ist für die Sicherheit der Infrastruktur unerlässlich. Die NATO hat im Januar eine Flotte aus zehn Schiffen zum Schutz der Unterseekabel entsandt, um bis April im Ostseeraum Sabotage zu verhindern. Allerdings kann sie in internationalen Gewässern die Durchfahrt von Schiffen gemäß der Kopenhagener Konvention von 1857 und dem SRÜ nicht blockieren.

 

  1. Beschaffenheit und Verlegetiefe der Kabel anpassen

Die Beschaffenheit der Unterseekabel muss robuster werden. Die Kabel sind bis zu 15 Zentimeter dick und von einem Stahlkabel ummantelt sowie von einem teergetränkten Nylongemisch umgeben. Diese Ummantelung lässt sich weiter verstärken. Zugleich können die Kabel tiefer im Meeresboden verlegt werden. Vor dem Verlegen prüfen die Kabellegeschiffe den Meeresboden auf Risiken für das Kabel, wie die Bodenbeschaffenheit oder Strömungen. Bei größeren Risiken am Meeresboden werden die Kabel bis zu anderthalb Meter tief in den Meeresboden verlegt. So kann vor allem das Szenario der schleppenden Anker, die Kabel beschädigen, vermieden werden.

Dass es eines umfassenden Lagebildes auch unter Wasser bedarf, ist allen Akteuren klar.

 

  1. Redundanzen erhöhen

Darüber hinaus müssen die Redundanzen erhöht werden. Neben alternativen und zusätzlichen Datenübertragungen über andere Kabelstränge und dem Bau weiterer Datenkabelverbindungen sollte auch die Datenübertragung über Satellitensysteme bei Störungen genutzt werden können. Das NATO-Projekt HEIST (Hybrid Space-Submarine Architecture Ensuring Infosec of Telecommunications) ist ein guter Anfang. Hier soll die Datenübertragung im Falle eines größeren Angriffs auf die Kabelinfrastruktur auf Satelliten umgelenkt werden. Außerdem sollten staatliche Resilienzpläne besonders wichtige Datenübertragungen priorisieren, sodass wesentliche Verbindungen bei einem großflächigeren Ausfall direkt umgeleitet und aufrechterhalten werden.

 

  1. Reparaturkapazitäten ausbauen

Die Zahl der Spezialschiffe muss deutlich erhöht werden, um die Reparaturfähigkeiten regional zu verteilen und schnell Reparaturen einleiten zu können. Denkbar wäre, dass die EU selbst Kapazitäten aufbaut und drei bis fünf Reparaturschiffe vorhält, damit sie diese den privaten Betreibern im Schadensfall zur Verfügung stellen kann, und so die Lastenteilung bei der Instandhaltung und Sicherheit der Infrastruktur zwischen Staat und privaten Betreibern ausgeglichener ist. Bisher tragen die privaten Betreiber die Hauptlast. Alternativ könnte die International Telecommunication Union (ITU) der UN, die mit dem Branchenverband International Cable Protection Committee (ICPC) den International Advisory Body for Submarine Cable Resilience gegründet hat, eine Rolle bei der globalen Distribution von Reparaturkapazitäten einnehmen.

 

  1. Umfassendes Lagebild aufbauen

Dass es eines umfassenden Lagebildes auch unter Wasser bedarf, ist allen Akteuren klar. Die Daten von Schiffen, Aufklärern, Drohnen, Satelliten und den Betreibern der Unterseekabel müssen in einem Lagebild zusammenlaufen. Mit technologischen Mitteln wie Sensoren, Flächenecholoten, Infrarotkameras oder Laserlichtquellen lässt sich auch unter Wasser ein noch besseres Bild erzeugen, das für den Schutz und die schnelle Reaktion auf Vorfälle unerlässlich ist. Unbedingt sollten die Betreiber durch Genehmigungsauflagen beim Bau der Infrastruktur zum Anbringen von mehr Sensoren und Kameras im Bereich der Infrastruktur verpflichtet werden. Die umzusetzenden europäischen Regelungen zum Schutz kritischer Infrastruktur, die NIS-2-Richtlinie und die CER-Richtlinie, gehen hier nicht weit genug. Die Commander Task Force Baltic (CTF Baltic) wurde in Rostock aufgestellt, um für die NATO unter anderem ein Unter- und Überwasserlagebild zu erstellen.

 

  1. KI-gestützte AIS-Datenbank nutzen

Die AIS der Schiffe müssen besser für die Abwehr von Gefahren für die Unterseekabel genutzt werden. Die AIS-Daten können, in einer Datenbank erfasst, frühzeitig Hinweise über zuvor auffällige Schiffe geben und diese besonders kennzeichnen, um eine intensivere Beobachtung zu erleichtern. Schiffe der russischen Schattenflotte können so leichter erfasst und in Echtzeit verfolgt werden. Zugleich könnten die unzureichenden Versicherungen der Schiffe eine zusätzliche Zugriffsmöglichkeit für Behörden darstellen.

Die Marine muss schneller eingreifen können.

Die Datenmenge kann über KI-gestützte Systeme ausgewertet und zugleich eine Risikoprognose für die Schiffe erstellt werden. Grundlage könnte das von der Joint Expeditionary Force (JEF) geplante, mit künstlicher Intelligenz betriebene, maritime Überwachungstool sein.

 

  1. Fähigkeitsspezifische Zuständigkeitsverteilung schaffen

Zudem braucht es eine fähigkeitsspezifische Verteilung der Zuständigkeiten. Die Marine, mit ausgeweiteten Unterwasserfähigkeiten ausgestattet, muss schneller eingreifen können. Eine Regelung angelehnt an die Weisungsbefugnis des Havariekommandos könnte hier Abhilfe schaffen. Das Havariekommando übernimmt in komplexen Krisenlagen die Einsatzleitung und führt Einsatzkräfte und -mittel, gibt Einsatzziele vor und beauftragt die zuständigen Stellen. Denkbar wäre ein ähnliches Modell für die Bundes- und Landespolizei sowie die Marine für die maritime KRITIS.

 

  1. Klar kommunizieren und konsequent handeln

Außerdem braucht es bei Vorfällen zügige Gegenmaßnahmen sowie eine präzise und öffentlichkeitswirksame Kommunikation der Behörden und Betreiber. Verdachtsmomente, die sich bestätigen oder verlaufen, sollten regelmäßig mit der Bevölkerung geteilt und Ermittlungserfolge – über Bild- und Videomaterial – präsentiert werden. Exemplarisch haben die finnischen Behörden auf die mutmaßliche Sabotage durch den Öltanker Eagle S im Dezember 2024 gut und schnell reagiert.

 

  1. Völkerrecht anpassen

Im SRÜ sollte ein Verbot von Sabotage und Spionage an Unterseekabeln und -pipelines (beispielsweise als neuer Artikel 112a SRÜ) aufgenommen und sollten den Küstenstaaten entsprechende Befugnisse übertragen werden. In der eigenen AWZ etwa sollte ein Küstenstaat Zwangsmaßnahmen und Ermittlungen gegen fremde Schiffe auch ohne Zustimmung des Flaggenstaates durchführen dürfen, wenn diese Schiffe im Verdacht stehen, Sabotage oder Spionage an maritimer KRITIS des Küstenstaates zu begehen. Im Gegensatz zu klaren Befugnissen gegenüber Schiffen, die der Piraterie (Art. 105 SRÜ) oder illegaler Fischereiaktivitäten (Art. 62 (4) und Art. 73 SRÜ) verdächtigt werden, ist dies unzureichend geregelt.

 

  1. Infrastrukturinvestitionen verstärken

Vor allem muss auch die EU mehr in die Infrastruktur investieren, unter anderem, um die große Abhängigkeit von Big-Tech-Unternehmen zu verringern, die derzeit überwiegend in den Ausbau der Kabelinfrastruktur investieren. Hierbei sollten die Investitionen nicht nur zusätzliche Kabelverläufe oder Reparaturkapazitäten betreffen, sondern auch Satellitensysteme als redundante Übertragungsmöglichkeit. Entweder die EU investiert selbst in die Infrastruktur, oder sie unterstützt Investitionen europäischer Unternehmen. Entscheidend hierbei ist, die Abhängigkeit von nichteuropäischen Staaten und Unternehmen zu verringern.

 

Fazit

In den vergangenen Monaten reagierten einige Küstenstaaten auf die Vorfälle im Ostseeraum schneller als in den Jahren zuvor. Dennoch sind die Schutzvorkehrungen für Unterseekabel und die Maßnahmen zur Bewältigung von Ausfällen noch immer unzureichend. Angesichts des steigenden Risikos weiterer Vorfälle ist es notwendig, umfassendere Maßnahmen zu ergreifen und die Kosten für Angreifer künftig zu erhöhen. Nur ein Bündel an kleineren und größeren Maßnahmen kann unsere Schwachstellen schließen, den hybriden Angriffen begegnen und die maritime KRITIS absichern.

 


 

Ferdinand Gehringer ist Referent Innere Sicherheit und Cybersicherheit in der Hauptabteilung Analyse und Beratung der Konrad-Adenauer-Stiftung.

 

Matthias Hespe ist Referent Maritime Sicherheit in der Hauptabteilung Analyse und Beratung der Konrad-Adenauer-Stiftung.

 


 

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