Länderberichte
Eine lange und blutige Geschichte
Das kleine Königreich am Fuße des Himalaja hat eine lange und oft blutige Geschichte. An der Handelsroute zwischen Indien und China gelegen war es Treffpunkt verschiedener Kulturen und Völker. Mehrere Dynastien folgten aufeinander und erst im 18. Jahrhundert gelang es der Shah-Dynastie, die bis heute regiert, das Land zu vereinen.
Ein junger ehrgeiziger Adliger profitierte von den komplizierten, oft blutigen Machtkämpfen innerhalb der Herscherfamilie und baute seine eigene Machtbasis auf. Im Jahre 1846 ließ er im sogenannten Kot-Massaker einige hundert der wichtigsten Männer des Königreiches im Hofe des Königspalastes von Kathmandu umbringen und etablierte die Rana-Dynastie von Premierministern, die die eigentliche Macht ausübten, während die Könige der Shah-Dynastie weiter in ihrem Palast als reine Repräsentationsfiguren lebten.
Bis 1951 blieb das Königreich von der Außenwelt abgeschottet, aber dann machten sich doch die großen Veränderungen in den Nachbarstaaten China und Indien bemerkbar. Unter dem Einfluss der indischen Kongresspartei hatte sich eine nepalesische Kongresspartei gebildet, die Ende 1950 eine provisorische Regierung im Süden des Landes bildete. Unter dem Einfluss Indiens wurde ein Kompromiss gefunden und die Shah-Dynastie 1951 wieder eingesetzt, die dann zusammen mit der Kongresspartei regierte.
1955 wurde die erste Verfassung verabschiedet und 1959 die ersten allgemeinen Wahlen abgehalten. Die Kongresspartei gewann mit großer Mehrheit, zur großen Überraschung des Königs, der 1960 die Regierung auflöste, alle Parteien verbot und die Macht selbst übernahm. Er führte das parteilose, indirekte "panchayat" System der lokalen Selbstverwaltung ein, behielt aber die Fäden der Regierung fest in der Hand.
1972 starb König Mahendra und wurde von seinem Sohn Bihendra (dem jetzt ermordeten König) beerbt. Auch dieser behielt die Macht fest in der Hand trotz großer Unruhen im Jahre 1979 und 1989. Dann erst bildeten die Oppositionsparteien eine Koalition, um für ein Mehrparteiensystem und eine konstitutionelle Monarchie zu kämpfen. Nach vielen Demonstrationen, Streiks, Ausgangssperren und Druck von ausländischen Hilfsorganisationen gab die Regierung nach und im Mai 1991 fanden allgemeine Parlamentswahlen statt, aus denen die nepalesische Kongresspartei mit 37,75% hervorging, gefolgt von der Kommunistischen Partei Nepals - den Vereinigten Marxisten-Leninisten mit 27,98%.
Regierungskoalitionen in den 90iger Jahren waren instabil und das politische Leben durch interne Machtkämpfe und Korruptionsskandale geprägt. Nur der König als konstitutioneller Monarch hielt das Ganze zusammen.
Massaker im Königspalast
Am Freitag, dem 1. Juni 2001 , war die nepalesische Königsfamilie zu einem Abendessen versammelt, als Kronprinz Dipendra in den Raum stürzte und mit einem Maschinengewehr erst seinen Vater, dann seine Mutter, seinen Bruder und 6 weitere Verwandte tötete, bevor er die Waffe gegen sich selbst richtete. Zwei Tage lag er im Koma, wurde zwischenzeitlich zum König ernannt, bis er dann auch verstarb und sein Onkel Gyanendra zum König gekrönt wurde.
Der Grund für seinen Amoklauf soll die für ihn geplante Heirat gewesen sein. In Nepal, wie überall in Südasien, werden Heiraten von den Eltern arrangiert, und die Eltern hatten eine rein nepalesische Braut für den Kronprinzen ausgesucht. Der war aber in eine andere Frau verliebt, Deviyani Rana, eine moderne junge Frau mit einer indischen Mutter. Ihre Nichtakzeptanz durch die Eltern soll den Prinzen zu seinem Amoklauf motiviert haben.
Die Bevölkerung fand diese Version der Ereignisse - die jetzt auch die offizielle Version der Untersuchungskommission ist - ausgesprochen unglaubwürdig, dies um so mehr, als nur ein Zweig der Familie ausgerottet wurde. Der andere Zweig überlebte. Der neue König war an dem Abend nicht im Palast und sein Sohn Paras überlebte das Massaker unverletzt. Prinz Paras hat einen schlechten Ruf , da er schon mehrfach im betrunkenen Zustand Menschen überfahren haben soll. Auf diese Weise kam am 7. August 2000 der populäre Sänger Praveen Gurung ums Leben.
Nach dem Massaker begannen in Kathmandu alle möglichen Gerüchte zu zirkulieren und junge Leute demonstrierten gegen die Regierung und den neuen König. Dabei kam es zu Ausschreitungen und Straßenschlachten mit der Polizei, bei denen 25 Personen Schussverletzungen erlitten und 4 ums Leben kamen. Die Regierung verhängte wiederholt Ausgangssperren.
Politische Folgen
Das Blutbad hat einen unpopulären König auf den Thron gebracht, der als Hardliner gilt und von dem man annimmt, dass er einige der demokratischen Reformen rückgängig machen wird, die das Land zur konstitutionellen Monarchie gemacht haben.
Dies könnte die schon unter Korruptionsverdacht stehende Regierung weiter schwächen und die Kluft zwischen Reich und Arm noch vergrößern. Kurz vor dem Massaker hatte ein von der marxistisch-leninistischen Oppositionspartei erklärter Generalstreik das Land drei Tage lang lahmgelegt.
Die eigentliche Gefahr für das Land geht aber von der maoistischen Untergrundsbewegung aus, die vor 5 Jahren in den westlichen Provinzen des Landes begann und schon 1700 Menschenleben gekostet hat. Die Maoisten haben schon ein Drittel des Landes unter ihrer Kontrolle und bereits eigene Sicherheitskräfte und Verwaltungsstellen eingerichtet. Auch westliche Hilfsorganisationen kooperieren nolens volens mit ihnen. Die Maoisten wollen die Monarchie abschaffen und einen kommunistischen Einparteienstaat errichten.
Obwohl die Rebellen sich vorzugsweise in den ländlichen Gebieten aufhalten, treten sie jetzt auch schon in Kathmandu und den anderen Städten auf und verlangen Erpressungsgelder von den Geschäftsleuten. Auch ist ihr Einfluss unter den Jugendlichen groß, wie man den kürzlichen Unruhen in Kathmandu sehen konnte.
Nepal geht unruhigen Zeiten entgegen und die Demokratie könnte das erste Opfer des Konfliktes zwischen Monarchie und Maoisten werden.