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Der Fall Fujimori-Montesinos

Peru forciert seine Vergangenheitsbewältigung

Es mag wohl Perfektionisten unter den Verbrechern geben, glücklicherweise aber gibt es kein perfektes Verbrechen.

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So in etwa lässt sich am besten beschreiben, was die fünf Mitglieder einer parlamentarischen Untersuchungskommission Mitte Juni und damit sieben Monate nach Aufnahme ihrer Detektivarbeit in ihrer 12.720 (!) Seiten umfassenden Anklageschrift der peruanischen Öffentlichkeit als Ergebnis präsentierten: Es wird geschätzt, dass Vladimiro Montesinos und sein Korruptionsnetz sich mehrere Milliarden US-Dollar angeeignet haben.

Bis dato steht als Untersuchungsergebnis fest, dass der Sicherheitsberater des ehemaligen Präsidenten Fujimori, Dr. Vladimiro Montesinos Torres, dank seines Netzes von einigen Hundert Militärs, Politikern und Wirtschaftsmagnaten insgesamt 264 Millionen US-Dollar auf 16 private In- und Auslandskonten, vorzugsweise in der Schweiz, den USA und den Caiman Islands, transferieren konnte. Die Taktik, die Montesinos hierbei benützte, entspricht den bekannten internationalen Geldwäschemethoden: Geld wurde auf Konten fiktiver Firmen im Ausland eingezahlt, deren verborgene Nutznießer Montesinos selbst bzw. enge Vertraute und Familienangehörige waren.

Gegenüber der an und für sich strikten Steuerbehörde SUNAT gab Montesinos natürlich nur sein offizielles Gehalt als Sicherheitsberater des Staatspräsidenten an. Der auch für peruanische Verhältnisse unglaubwürdig geringe Betrag von 1318 Soles (etwa 800 DM) im Jahr 2000 hätte unter normalen Umständen sofortige Untersuchungen wegen Steuerhinterziehung zur Folge gehabt. Tatsächlich können der Kongress und die verschiedenen staatlichen Ermittlungsbehörden daher von sich behaupten, durch ihre intensiven Untersuchungen das umfangreichste Mafianetz in der peruanischen Geschichte aufgedeckt zu haben.

Dieses Netz konnte sich etablieren, indem - laut parlamentarischem Untersuchungsbericht - die wichtigsten staatlichen Organe und Schaltstellen infiltriert wurden, wozu v.a. das Amt des Staatspräsidenten selbst wie auch verschiedene Ministerposten, Kongresssitze und höchste Offiziersstellen in Polizei und Streitkräften zählen. Wohlgemerkt: Es geht nicht darum, dass Einzelpersonen sich illegal verhalten haben, sondern dass der gesamte Staat Peru von einer illegalen Organisation mit verbrecherischen Zielsetzungen infiltriert und regiert wurde!

Die wohl lukrativsten "Einkommensquellen" stellten unsaubere Waffengeschäfte v.a. mit russischen und ukrainischen Flugzeugherstellern sowie die Erlöse aus den Privatisierungen ehemaliger Staatsbetriebe dar. Im ersten Falle wurden die Kaufpreise um viele Millionen US-Dollar zu hoch angesetzt und diese Geschäfte dann dadurch verschleiert, indem sie durch Staatsdekrete zu Fragen der nationalen Sicherheit erklärt und damit der Geheimhaltung unterworfen sowie der parlamentarischen Kontrolle entzogen wurden.

Der Tatbestand der illegalen wirtschaftlichen Bereicherung verblasst jedoch angesichts der unzähligen politischen Verbrechen, die von der tiefen ethischen Verworfenheit des fujimontesinischen Duumvirats zeugen. Das Spektrum reicht von Erpressung und Bestechung bis hin zum staatlich organisierten Drogenhandel und Auftragsmord.

Neben dem Drahtzieher Montesinos steht hier vor allen der ehemalige Staatspräsident Alberto Fujimori selbst im Zentrum des Untersuchungsinteresses. Der ständige Kommission des Kongresses hat bereits Anklage in drei Punkten gegen den ehemaligen Staatspräsidenten (und desweiteren gegen sieben derzeitige Kongressabgeordnete, acht ehemalige Parlamentarier und zwei ehemalige Staatsminister) erhoben: Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Vaterlandsverrat und Korruption. Weitere Anklagen können bis zum 26. Juli durch verschiedene Kommissionen und Unterkommissionen des Kongresses erhoben werden. Der neue Kongress, der sich am 27. Juli konstituieren wird, soll dann über das weitere Vorgehen entscheiden.

Fujimori hält sich seit seiner Flucht im November vergangenen Jahres in Japan auf und kann sich aufgrund seiner japanischen Staatsbürgerschaft und der Nichtauslieferungspolitik der japanischen Regierung im Falle eigener Staatsbürger zumindest zum jetzigen Zeitpunkt noch recht sicher fühlen. Doch insbesondere der Anklagepunkt "Verbrechen gegen die Menschlichkeit", der im Zusammenhang mit dem Verschwinden verschiedener Personen aus Geheimdienstkreisen zur Verschleierung von unakzeptablen Methoden in der Terrorismusbekämpfung gegen Fujimori erhoben wurde, könnte die japanische Regierung in eine gewisse Bedrängnis bringen und zur Auslieferung Fujimoris veranlassen. Bei einer rechtskräftigen Verurteilung müsste er mit mindesten 15 Jahren Haftstrafe rechnen.

Fujimori und Montesinos sind aber nur die Spitzen des Eisbergs an Korruption und Verbrechen. Schon jetzt befinden sich über 40 namhafte ehemalige Generäle, Minister, Kongressabgeordnete, Bürgermeister und Unternehmer in Untersuchungshaft und warten auf ihre Prozesse. Und seit dem 24. Juni hat sich dieser illustre Kreis um eine seiner beiden Schlüsselfiguren bereichert: Vladimiro Montesinos, dessen Gefangennahme in Caracas vom venezolanischen Staatspräsidenten persönlich bei der Eröffnung des Gipfels der Andengemeinschaft medienwirksam verkündet wurde.

Bereits einen Tag später wurde Montesinos an Peru ausgeliefert und im Justizpalast von Lima ersten Verhören unterzogen. Ironie der Geschichte: Bei einer allgemein erwarteten Verurteilung wird Montesinos voraussichtlich Zellennachbar des Erzfeindes des Fujimontesinos-Regimes: Abimael Guzman, dem Gründer und ehemaligen Chef der Terrororganisation "Leuchtender Pfad", der seit 1993 im Hochsicherheitstrakt der Militärbasis von Callao, dem Hafen von Lima, seine lebenslange Kerkerstrafe absitzt.

Mit der Festnahme und Auslieferung Montesinos´ konnte die Übergangsregierung Valentin Paniaguas auch ihr zweites Versprechen gegenüber dem peruanischen Volk einlösen: Nachdem sie schon für die Durchführung sauberer und demokratischer Präsidentschafts- und Kongresswahlen gesorgt hatte, kann sie nun mit Recht von sich behaupten, alles zur Aufdeckung der Verbrechen der Fujimori-Regierung getan und das Fundament für eine profunde Vergangenheitsbewältigung gelegt zu haben. Doch das Ende der Untersuchungen ist noch lange nicht abzusehen.

Immerhin liegen noch etwa 2000 Videos des Perfektionisten Montesinos ungesehen in den Kellern des Kongresses und erwarten den Tag ihrer Auswertung. Wieviel politischer Sprengstoff in diesen in Peru als "Vladivideos" bekannten Beweismitteln noch verborgen ist, kann heute nicht einmal annähernd abgeschätzt werden. Klar ist, dass auch die neue Regierung Toledo vor unerwarteten Veröffentlichungen nicht gefeit sein wird, und es bleibt zu hoffen, dass sich die sicherlich wichtige Bewältigung der Ära Fujimori nicht zu einer schweren Bürde für den neuen demokratischen Anlauf des Landes entwickelt.

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Sebastian Grundberger

Sebastian Grundberger

Direktor Regionalprogramm Parteiendialog und Demokratie /Länderprogramm Uruguay

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