Länderberichte
Bauernkonflikt in Caazapá
Seit einiger Zeit hatten landlose Bauern eine 16.000 ha große Farm im Osten des Landes illegal besetzt. Bei der gerichtlich festgesetzten Räumung wurden mehrere Bauern, schwangere Frauen und Kinder durch die Polizei schwer verletzt. Innenminister Bower, der sich vor Ort befand und die Polizeieinheiten koordinierte, verneinte zwar kategorisch die ihm angelastete Gewaltanwendung, die Verletzten blieben gegnüber der Presse jedoch bei ihrer Darstellung der Ereignisse. Es wurden mehr als 250 Personen unter Gewaltanwendung der Polizei und Tränengaseinsatz festgenommen.
Militärische Kampfflugzeuge haben das besetzte Land überflogen und Hubschrauber haben beim Einsatz von Tränengas gegen die mit Macheten und teilweise auch Pistolen bewaffneten Bauern mitgewirkt. Die Bürger der Region um Caazapá haben sich mit den protestierenden Landlosen solidarisiert und zeigten ihre volle Unterstützung gegenüber den Besetzern. Auch wurde zu Straßenblockaden von Bauernorganisationen in verschiedenen Departments aufgerufen. So kam es tageweise zur Blockade der zwei grössten Verkehrsadern des Landes.
Zu der Landbesetzung kam es u.a. wegen der seit vielen Jahren andauernden Forderung nach einer effizienten und gerechten Landreform. In Paraguay herrschen extreme Besitzdisparitäten, wobei ca. 1 % der Bevölkerung allein 85% des Landes besitzt. Die soziale Zeitbombe tickt und die Armut auf dem Land nimmt bedrückende Formen an. Obwohl die Nationale Bauernföderation und das Institut für Ländliche Entwicklung den Landlosen in der Region um Caazapá ca. 22.000 ha zugesichert hatten, die auf ca. 1.900 Familien verteilt werden sollten, wurde trotzdem die Hacienda einer bekannten Viehzüchter-Familie besetzt. Mit diesen Protestaktionen versuchen die Landlosen seit geraumer Zeit, auf ihre desolate Situation aufmerksam zu machen.
Die Bauernföderation gab der Regierung eine Frist bis Ende Mai, um die problematische Situation über entsprechende Landkäufe und Teil-Enteignungen von Grossgrundbesitzern zu lösen. Falls die Regierung nicht entsprechend reagieren sollte, werden weitere Landbesetzungen stattfinden.
Vereitelter Militärputsch vom 18./19. Mai 2000
Es war der dritte Putschversuch seit dem Niedergang des Strössner-Regimes 1989, der den fragilen Demokratisierungsversuchen in Paraguay einen weiteren Rückschlag versetzt und das Land vor der Weltöffentlichkeit erneut in ein negatives Licht gerückt hat. Glücklicherweise gab es nur drei Verletzte bei dem 6 Stunden anhaltenden "Schauspiel", welches über Radio und Fernsehen in allen Einzelheiten mitverfolgt werden konnte.
Eine Gruppe ehemaliger Militärs und unzufriedenen Offizieren in der Kavallerie sowie fünf oviedotreue Abgeordnete und eine Reihe von Zivilisten waren an dem subversiven Putschversuch beteiligt. Es wurden rund 90 Personen, 9 ehemalige Generäle, hohe Offiziere, Polizisten und Zivilisten festgenommen. Fünf Abgeordnete, die dem Ex-General Oviedo nahestehen, waren ebenfalls in den Putsch verwickelt. Unterdessen wurden 2 Abgeordneten im Parlament die Immunität aberkannt, damit ein entsprechendes Verfahren gegen sie eingeleitet werden kann.
Hintergrund
Der 55-jährige Populist und Ex-General Oviedo war es, der im Jahre 1989 das Strössner-Regime durch Stürmung des Diktator-Bunkers zu Fall brachte und General Rodriguez bei den Putschaktivitäten unterstützte. Oviedo kooperierte mit dem ersten gewählten demokratischen Präsidenten Juan Carlos Wasmosy, bis es 1993 zu einer ersten verbalen Auseinandersetzung mit Befehlsverweigerung seitens Oviedos kam, worauf ihn Wasmosy wegen Beleidigung zu einer 30-tägigen Haft verurteilen liess. Eine erbitterte Feindschaft begann zwischen den Parteifreunden, die in Flügelkämpfe der sogenannten "Oviedistas" und "Wasmosistas" innerhalb der regierenden Colorado-Partei mündeten.
Wasmosy liess Oviedo in einem ausserordentlichen Militärgerichtsverfahren zu 10 Jahren Haft verurteilen, da er Hauptverantwortlicher des Putschversuches gegen seine Regierung vom 22./23. April 1996 gewesen war. Verantwortlich für das Attentat auf den Vizepräsidenten Luis María Argaña im März 1999 war er zunächst in Argentinien exiliert und seit Dezember 1999 - mit der Auslieferungsankündigung des argentinischen Präsidenten de la Rúa - auf der Flucht. Seine Anhänger in der Coloradopartei, die immerhin 20-25% ausmachen, und einige Abgeordnete zählen zu den eifrigen Verfechtern seiner subversiven Ideen. Der sogenannte "oviedismo" wird mit Millionen von Dollars gelenkt, die der Ex-General aus seinen illegalen Geschäften mit Waffen, Drogen und toxischem Müll geerntet hat.
Ein weiterer Militäraufstand einer kleiner Gruppe von unzufriedenen Offizieren erfolgte im Februar 2000 in einem ca. 60 km von Asunción stationierten Regiment. Hier handelte es sich um Befehlsverweigerungen und konspirative Treffen von Offizieren, die dem Oviedo-Kreis zugeschrieben wurden. In seiner Eigenschaft als Oberster Befehlshaber der Streitkräfte liess Präsident Macchi daraufhin 14 Offiziere dieses Regiments verhaften und ordnete eine Säuberung im Heer an.
Der in der Nacht vom 18. auf den 19. Mai 2000 erfolgte Putschversuch ist in der Geschichte Paraguays deshalb von Bedeutung, da es sich das erste Mal um eine Auseinandesetzung zwischen regierungstreuen Militärs und Oviedo-Anhängern innerhalb der Streitkräfte handelte. Die aufständische Gruppierung von Ex-Militärs, Politikern, Zivilisten und Offizieren trug den Namen "Patriotische Bewegung Tentiente Coronel Fulgencio Yegros" und wurde massgeblich von engen Vertrauten Lino Oviedos aus dem Militär und dem politischen Sektor angeführt.
Über den Nachrichtensender CNN dementierte Lino Oviedo entschieden seine Mitwirkung an dem gescheiterten Putsch. Im übrigen zeigte er sich überzeugt, daß der Putsch unter seiner Beteiligung erfolgreich durchgeführt worden wäre. Ausserdem sei das Ganze vom liberalen Politiker Hermes Saguier mit-initiiert worden und als Colorado hätte er mit den Liberalen keine Gemeinsamkeiten, so Oviedo.
30 Tage Ausnahmezustand
Nach dem Ende des Putsches und einer Marathonsitzung im Kongress wurde am 19. Mai 2000 fast einstimmig ein 30-taegiger Ausnahmezustand genehmigt, bei dem der Präsident besondere Rechte zur Dekretierung von Exekutivmassnahmen bekam. Er konnte gemäß Artikel 288 der Verfassung ohne gerichtlichen Beschluss Personen festnehmen lassen und das Versammlungsrecht einschränken. Obwohl de jure die Festnahme von Personen nur unter Beachtung verfassungsmässiger Grundrechte zulässig war, wurden Personen gewaltsam aus ihren Wohnungen mitgenommen. Bei diesen und anderen Massnahmen kam es zur eklatanten Verletzung der individuellen Grundrechte.
Bedenklich, dass ein Journalist der regierungskritischen Tageszeitung ABC-Color aufgrund eines von ihm verfassten Artikels mit der überschrift "Putsch oder Selbstputsch?" festgenommen wurde. Offensichtlich nutzte die Regierung im Ausnahmezustand ihre besonderen Rechte, um unliebsame Kritiker einzuschüchtern. Damit wurden massive Proteste der lateinamerikanischen Journalistenvereinigung und auch der grössten europäischen Nachrichtenagenturen ausgelöst.
Besuch des argentinischen Staatspräsidenten Fernando de la Rúa
Am 13. Mai traf der argentinische Staatspräsident Fernando de la Rúa zu seinem ersten Besuch in Paraguay ein. Er kam in Begleitung seiner Ehefrau und ca. 10 seiner Berater, um neben den anstehenden aussenpolitischen Gesprächen auch an den Feierlichkeiten zum paraguayischen Unabhängigkeitstag (14./15. Mai) teilzunehmen.
Bei den Gesprächen ging es zum einen um die Klärung strittiger Punkte im Bereich des Warenhandels und der Migrationspolitik sowie um die Verabschiedung des gemeinsamen Projekts des Staudamms Corpus Christi und um die Fertigstellung des Yacyretá- Staudammes.
Ein weiteres Anliegen de la Rúas, zielte auf die Stärkung und Weiterentwicklung des MERCOSUR-Raumes .Zur Demokratiestärkung seien Stabilität, Frieden und Entwicklung die wichtigsten Voraussetzungen. Für beide Völker sei nicht nur die wirtschaftliche Integration sehr wichtig, sondern auch die Ausweitung der Beziehungen auf alle anderen Bereiche. Frühere Meinungsverschiedenheiten sollten die gemeinsamen Ziele nicht behindern. Schließlich sprach sich de la Rúa für das weitere Vorgehen gegen den Drogenhandel und Pirateriehandel aus.
In einem Schlußkommuniqué wurden einvernehmlich Regelungen für folgende Themen vereinbart:
- Festigung der Demokratie in der Region
- Vertiefung aller wirtschaftlicher Aspekte
- Weiterentwicklung des Mercosur
- Einführung der Grenz-Wirtschaftspole
- integrierte Grenzkontrollen
- Gründung einer Kommission zur Überwachung der Migrationsabmachungen
- Verbesserung der Infrastruktur für den Auto und Gütertransit
- Bau des Kraftwerks Corpus Christi
- Korrektur des Yacyretá Paktes (Kraftwerk)
- Menschenrechtsprinzipien
- Erhaltung der Fischfauna
- Gemeinsame Verbrechen- und Drogenbekämpfung