Länderberichte
Zu dem Friedensmarsch hatte die National Constitutional Assembly (NCA), eine aus unterschiedlichen Gruppierungen der Zivilgesellschaft und der Opposition bestehende Organisation, bereits vor drei Wochen aufgerufen. Ursächlich dafür ist die Tatsache, dass das Land wirtschaftlich und politisch völlig heruntergewirtschaftet ist und vor dem sozialen Chaos und der gesellschaftlichen Anarchie steht.
Unmittelbarer Anlass zu der Kundgebung waren einerseits die seit über einem Monat andauernden Besetzungen der Höfe von weißen Bauern durch sogenannte Kriegsveteranen. Diesen Besetzungen wird trotz eines Urteils des Höchsten Gerichts kein Ende bereitet, die Besetzer haben im Gegenteil offensichtlich die Unterstützung des Staatspräsidenten Mugabe. Andererseits erwartet man im Vorfeld der anstehenden Wahlen eine Zunahme gewaltsamer Aktionen und korrupter Praktiken seitens der Regierungspartei ZANU-PF, gegen die man sich - durch Friedensmärsche und regelmäßige Freitagsgebete sowie durch öffentliche Debatten rechtzeitig und friedlich zur Wehr setzen will.
Die Demonstranten trafen sich vor einem größeren Postgebäude in der Innenstadt von Harare. Zunächst bestand die Gruppe aus nur ca. 100 Personen, darunter viele Pfarrer, Priester und Ordensleute sowie Aktivisten der NCA und der größten Oppositionspartei Movement for Democracy (MDC). Die meisten Anwesenden trugen Plakate und Banner mit Aufrufen zum Frieden und zur Einhaltung des Rechtsstaates oder mit christlichen Parolen und Bibelzitaten.
Diesen Friedensmarschierern stand zu Beginn ein etwa gleich großes Polizeiaufgebot gegenüber, welches versuchte, den sich in Bewegung setzenden Marsch zu blockieren. Daraufhin setzten sich die immer wieder die Hände zum Friedenszeichen erhebenden und ,,Friede! Friede!" skandierenden Demonstranten zum Gebet auf die Straße nieder. Wenige Minuten später stieß eine weitere wesentlich größere Gruppe von Demonstranten, aus Seitenstraßen kommend, zu den bereits Versammelten, und gemeinsam setzte sich der Zug in Bewegung in Richtung auf die sehr belebte Einkaufszone von Harare.
Die Polizei war offensichtlich überrascht vom ständigen Anwachsen des Friedenszuges und ließ diesen weiter marschieren. Die Sicherheitskräfte begleiteten danach den friedlichen, teilweise fröhlichen Demonstrationsmarsch - sichtlich konsterniert und unsicher - durch die Straßen und über die Kreuzungen der Innenstadt. Auch viele nationale und internationale Journalisten und Beobachter liefen mit. Innerhalb kürzester Zeit wuchs der Demonstrationszug - einerseits einem offensichtlich gut ausgeklügelten Plan der Veranstalter folgend, andererseits von Sympathisanten spontan verstärkt - auf etwa 8 - 10.000 Menschen an.
Obwohl die Demonstration mehrere Staus hervorrief und es immer wieder zu Verkehrsstillstand kam, zeigten sich Autofahrer, Geschäftsleute und Einkaufspassanten keinesfalls ungeduldig. Es kam im Gegenteil immer häufiger zu Solidaritätsbekundungen. Viele Menschen, die noch nie an einer Massenkundgebung teilgenommen hatten, schlossen sich diesem Demonstrationszug spontan an. Bauarbeiter auf Hochhäusern, Geschäftsbesitzer, Busfahrer, Banker und Angestellte signalisierten spontan ihre Unterstützung. Die gesamte Innenstadt Harares verfiel in eine Art von fröhlicher, einer besseren Zukunft zugewandten Euphorie. Mehrere Teilnehmer und Beobachter der Situation äußerten die Überzeugung, dass dieser Tag den Durchbruch für ein neues Simbabwe bringen werde.
Im Demonstrationszug selbst gab es sichtliche und überschwenglich ausgedrückte Einigkeit zwischen den verschiedenen sozialen, rassischen und ethnischen Gruppierungen, die die simbabwesche Gesellschaft ausmachen. Es war keinerlei Dissens zwischen weißen Farmern, schwarzen Arbeitern oder indischen Geschäftsleuten zu beobachten. Anhänger konkurrierender Oppositionsgruppen sangen und tanzten gemeinsam. Arbeiter und Geschäftsleute, Shona und Ndebele demonstrierten gemeinsam.
Am späten Vormittag erreichte die Demonstration die Hauptstraße Union Avenue und hatte damit die Stadt einmal fast vollständig durchzogen. Plötzlich zeigte sich, aus Richtung des Hauptquartiers der Regierungspartei ZANU-PF kommend, ein weiterer Demonstrationszug am Ende der Straße. Der Hauptzug blieb daher stehen, um die Vereinigung mit dieser vermeintlichen weiteren Gruppe von Sympathisanten zu ermöglichen.
Nach einigen Minuten wurde aber deutlich, dass es sich hier nicht um Friedensdemonstranten handelte, sondern um eine etwa 1.000 Menschen umfassende Gruppe mit Knüppeln und Steinen bewaffneter War Veterans, die - ein Banner der Regierungspartei vor sich her tragend und offensichtlich von Haß und möglicherweise Drogen aufgeputscht - auf den Friedenszug zu marschierten. Die Friedensdemonstranten gingen mit erhobenen Händen und Friedensrufen auf die Veteranen zu. Die Polizei versuchte zunächst Distanz zu halten zwischen den beiden Gruppen, aber die Veteranen begannen schwere Gesteinsbrocken aus nächster Nähe auf die Demonstranten zu werfen und auf diese einzuschlagen. Dabei wurden gezielt Weiße zum Opfer gemacht. Die Polizei reagierte, indem sie zusätzlich Tränengas nicht etwa in Richtung der Veteranen, sondern auf die Friedensdemonstranten abfeuerte.
Der Berichterstatter wurde von schwarzen Simbabwern gemeinsam mit einem Journalisten, einem Touristen und einer Ordensschwester, alles Weiße, in einem Neubau in Sicherheit gebracht, wo Gelegenheit bestand, die Augen nach der Tränengasattacke der Polizei auszuwaschen.
Über der Stadt kreisten mehrere Hubschrauber und ein Militärflugzeug; am Boden waren überall Mannschaftswagen der Polizei zu sehen. Blutig geschlagene Demonstranten, darunter sehr viele alte Menschen, meist Weiße, mußten von Ambulanzfahrzeugen abtransportiert werden.
Als sich der auf 500 Personen dezimierte Demonstrationszug an seinem Ausgangspunkt wieder versammeln wollte, wurde sofort von der Polizei mit Tränengas reagiert und die Demonstranten wurden mit Knüppeln verjagt. Auch unbeteiligte Passanten, die man mit der Demonstration in Verbindung brachte, wurden von Polizeifahrzeugen verfolgt, brutal zusammengeschlagen und aus nächster Nähe mit Tränengas beschossen. Die Hubschrauber waren den Polizisten am Boden offensichtlich beim Aufspüren von vermeintlichen Demonstranten behilflich.