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Länderberichte

Gouverneurswahlen in Sankt Petersburg und die Reorganisation der Regionen in der Russischen Föderation

von Dr. Marlies Salazar
Wahlen ohne Auswahl - So wurden scherzhaft die Präsidentschaftswahlen genannt, weil die Rivalen Putins praktisch kaum eine Chance hatten. Aber die Gouverneurswahlen in Sankt Petersburg, die am 14. Mai 2000 stattgefunden haben, sind ganz ähnlich verlaufen.

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Der Amtsinhaber Wladimir Jakowlew hatte viel bessere Chancen als die anderen Kandidaten, weil er Geld und die Verwaltungsressourcen hinter sich hatte. Ausserdem haben die Russen eine Neigung, für den zu stimmen, der schon die Macht hat. Dem Gouverneur wurden von liberalen Kräften Vetternwirtschaft und Verbindungen zur Mafia vorgeworfen. Das scheint aber das Gros der Wählerschaft nicht gestört zu haben.

Die Resultate der Gouverneurswahlen sehen folgendermaßen aus:

W. Jakowlew 72,8 %

I. Artyemyew 14,60 %

Yu. Boldirew 3,76 %

A. Tarasow 4,54 %

Die Wahlbeteiligung lag allerdings nur bei 48 %.

Ein Wahlkampf mit Hindernissen

Gouverneur Jakowlew war wirklich fest entschlossen, im Amt zu bleiben. Er hatte sogar versucht, die Wahlen kurzfristig vorzuverlegen, sie zeitgleich mit den Dumawahlen im Dezember stattfinden zu lassen. Dann hätten seine Rivalen keine Zeit für einen Wahlkampf mehr gehabt. Aber dieser Versuch war wegen eines Formfehlers vom Gericht gestoppt worden.

Der jetzige Wahlkampf war auch durch alle möglichen Interventionen vonseiten Moskaus gekennzeichnet. Obwohl die Sankt Petersburger es aus historischen Gründen bis heute hassen, wenn Moskau ihnen Befehle gibt, schaute doch alles fasziniert auf den Kreml und den gebürtigen Petersburger Putin.

Bei der Beerdigung des sehr beliebten ehemaligen Oberbürgermeisters Sobtschak am 27. Februar sagte der ehemalige Ministerpräsident Sergej Stepaschin, es wäre Zeit, daß die ehemaligen Petersburger wieder aus Moskau zurückkämen, um das höchste Amt in der Stadt zu übernehmen.

Das hatten alle natürlich als eine Andeutung verstanden, daß Stepaschin selbst kandidieren wollte. Der jetzige Gouverneur Jakowlew war übrigens nicht zu der ?eerdigung eingeladen worden, weil die Witwe Sobtschaks und auch Putin ihn indirekt für die Herzbeschwerden und den frühzeitigen Tod Sobtschaks verantwortlich machten. Trotzdem zog Stepaschin nach einiger Zeit seine Kandidatur zurück und wurde dafür von Putin mit dem Posten des Präsidenten des obersten Rechnungshofs belohnt.

Die nächste Kandidatin war Valentina Matweyenko, stellvertretende Ministerpräsidentin der Russischen Föderation. Sie hatte in Sankt Petersburg studiert und eine erfolgreiche Komsomolzenkarriere hinter sich, bevor sie in die Moskauer Politik einstieg. Ihre Wahlkampagne in Sankt Petersburg ließ sich auch recht gut an, aber nachdem sie nicht die notwendigen Ratings erreichte, rief Putin sie kurzerhand aus dem Urlaub zurück und sie nahm mit den Tränen in den Augen ihre Kandidatur zurück.

Am gleichen Tag traf sich Putin mit Jakowlew - auf dem Rückflug von seiner Gastrolle in einem Atom U-Boot in Murmansk - auf dem Petersburger Flughafen. Dort müssen sie ein Abkommen geschlossen haben, denn von diesem Tage an strahlte der Gouverneur und fühlte sich absolut siegessicher.

In letzter Zeit verlegte Putin häufig Termine nach Sankt Petersburg: so nahm er die Schätze aus dem Bernsteinzimmer am 29. April von Minister Naumann in Empfang, am Tag darauf empfing er den japanischen Premierminister in der Eremitage vor dem Denkmal Alexander Newskijs, und er eröffnete zusammen mit dem Gouverneur die Eishockey-weltmeisterschaften in Sankt Petersburg.

Dann kam auch noch der kommunistische Sprecher der Staatsduma Selesnjow nach Sankt Petersburg und schlug dem Gouverneur vor, die Staatsduma aus Moskau nach Sankt Petersburg zu verlegen. Das wäre natürlich ein enormer Prestigegewinn für Sankt Petersburg, aber nach den Wahlen sind diese Pläne wieder auf Eis gelegt worden.

Die demokratischen Parteien "Yabloko"und "Union der Rechten Kräfte" brauchten lange, bis sie sich auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen konnten. Erst am 4. Mai kam es zu Stichwahlen , sog. "Primaries" zwischen Igor Artyemyew von Yabloko und Julij Rybakow von der Union der Rechten Kräfte. Artyemew erhielt mehr Stimmen, hatte aber danach nur noch 10 Tage für seinen Wahlkampf. Das Resultat war dann auch sehr enttäuschend für ihn und trotz aller Proteste wird Gouverneur Jakowlew am 24. Mai offiziell sein Amt antreten.

Reorganisation der Regionen in der Russischen Föderation

All dies wird bald Schnee von gestern sein, denn Präsident Putin hat ganz andere Pläne mit den Gouverneuren. Er hat per Dekret die Russische Föderation in sieben große Verwaltungseinheiten ("Okrug") eingeteilt, an deren Spitze je ein Vertreter des Präsidenten (Generalgouverneur) stehen soll. Bisher gab es nämlich in jedem der 89 unterschiedlich großen "Subjekte der Föderation" einen Vertreter des Präsidenten, der sehr leicht unter den Einfluß des jeweiligen Gouverneurs geriet. Dem will Putin jetzt einen Riegel vorschieben.

Es wurden folgende Verwaltungseinheiten gebildet: der zentrale Bezirk um Moskau, der Nordwesten um Sankt Petersburg, der Nordkaukasus um Rostow am Don, die Wolga-Region um Nischnij Nowgorod, Sibirien um Nowosibirsk und der Ferne Osten um Chabarowsk.

Das liegt völlig im Rahmen der erklärten Ambition Putins, das Zentrum zu stärken und neue, vertikale Machtstrukturen aufzubauen. Sein Vorgänger Jelzin hatte den Regionen zu große Freiheiten gelassen und einige von ihnen - wie z.B. Baschkortostan und Tartarstan - hatten sich zu reinen Scheichtümern entwickelt, in dem fast alles dem dortigen Präsidenten gehörte. Andere - wie z.B. Tuwa und Tschetschenien - hatten die erklärteAmbition, unabhängig von der russischen Föderation zu werden. Und viele Regionen haben Gesetze erlassen, die den Gesetzen der russischen Föderation widersprechen. Diesem Wildwuchs mußte natürlich Einhalt geboten werden.

Am 17. Mai, hat sich Präsident Putin in einer Fernsehansprache an das russische Volk gewandt und erklärt, sie würden sicher Verständnis dafür haben, wenn er in Zukunft auch Gouverneure, die ihre Arbeit nicht gut machen, absetzen würde. Außerdem will er sie aus dem Föderationsrat ausschliessen und durch Vertreter ihrer Regionen ersetzen lassen. Die Gouverneure sollten sich weniger in die föderale Politik einmischen und stattdessen ihre Hausaufgaben in ihren Regionen machen. Dafür das er sie absetzen kann, gibt er ihnen dann aber auch das Recht, die Sprecher ihrer lokalen Parlamente abzusetzen - ein Privileg, das einige von ihnen schon lange anstrebten. Putin teilte mit, daß er der Staatsduma einige Gesetze zur Veränderung der Zusammensetzung des Föderationsrat vorlegen wird. Wahrscheinlich wird es sogar zu Verfassungsänderungen kommen.

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Claudia Crawford

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