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Länderberichte

Korruption in der Türkei eine größere Gefahr als der Terrorismus

von Dr. Wulf Eberhard Schönbohm
Die Aktion "Weiße Energie" hat nach Medienberichten massive Korruptionsausfälle im Bereich Energie offengelegt, in die Politiker, hohe Beamte und angesehene Wirtschaftsfirmen verwickelt sind. Dass über Korruptionsfälle in der Öffentlichkeit berichtet wird, ist ein Fortschritt. Aber jetzt sollten die Schuldigen auch verurteilt werden.

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Schon seit Herbst letzten Jahres hat die türkische Regierung einen Schwerpunkt auf die Bekämpfung der Korruption gesetzt. Innenminister Tantan (ANAP) erklärte, dass die Korruption in der Türkei eine größere Gefahr sei als der Terrorismus.

Am 09. Januar diesen Jahres wurde die türkische Öffentlichkeit durch einen groß aufgemachten Artikel in der Tageszeitung "Hürriyet" darüber informiert, dass eine neue Anti-Korruptionskampagne mit dem Titel ‚Weiße Energie' gestartet worden sei, um Bestechung, Korruption und sonstige Unregelmäßigkeiten im Verantwortungsbereich des Energieministeriums und der staatlichen Elektrizitätsfirma TEAS zu untersuchen.

Grosses Aufsehen erregte in diesem Artikel das Zitat eines ungenannten hohen Offiziers, der behauptete, dass diese Untersuchung nicht von der Polizei und vom Innenministerium, die zuständig wären, sondern von der Gendarmerie ohne Wissen des zuständigen Ministers oder der Regierung gestartet worden sei.

Ministerpräsident Bülent Ecevit erklärte daraufhin, dass dieses Zitat falsch sei und kündigte eine strenge Untersuchung darüber an, wer diese Äußerung gemacht habe, da sie einen Schatten auf den Rechtstaat Türkei werfe. Der stellv. Ministerpräsident und ANAP-Vorsitzende Mesut Yilmaz äußerte daraufhin die Vermutung, dass in den Medien eine Kampagne gestartet worden sei, um in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, alle türkischen Politiker seien korrupt und nicht in der Lage, Unregelmäßigkeiten aufzudecken.

Manche Medien würden sogar die Meinung vertreten, dass es unter einer Militärherrschaft weniger Korruption gebe. Dies sei aber falsch, denn unter einem Militärregime gebe es weniger Transparenz und Offenheit und deshalb mehr Korruption. Darauf reagierte der Generalstab mit einer öffentlichen Erklärung, wonach nicht bekannt sei, wer dieser zitierte hohe Offizier gewesen sei. Die Anti- Korruptionsuntersuchung sei nicht Aufgabe der türkischen Streitkräfte und wer (wie Yilmaz) behaupte, dass unter einem Militärregime mehr Korruption existiere als in einem parlamentarischen System, der äußere eine Beschuldigung und helfe damit denjenigen, "die die Türkei in die Finsternis treiben wollten".

Unterdessen erweckte der amtierende Energieminister Ersümer (ANAP) in öffentlichen Erklärungen den Eindruck, dass er die Untersuchung in Gang gesetzt bzw. unterstütz habe, aber nicht von der Staatsanwaltschaft voll informiert worden sei. Dagegen behauptete der zuständige Staatsanwalt Salk: "Ich habe auf den Knopf gedrückt und die Untersuchungen mit Hilfe der Polizei gestartet."

An konkreten Fakten zu diesem Skandal konnte man den türkischen Medien entnehmen, dass durch verschiedene Berichte verschiedene Behörden deutlich geworden sei, dass bei dem Bau von Stromleitungen in Konya und in Istanbul, aber auch im Zusammenhang mit der Privatisierung staatlicher Kraftwerke, hohe Bestechungsgelder gezahlt und angenommen worden seien.

In Gang gesetzt hatte diese Untersuchungsaktion offensichtlich die Aussage eines früheren TEAS-Generaldirektors, der nach seinen eigenen Behauptungen entlassen worden sei, weil er die von ihm verlangte Überweisung von 3 Millionen Dollar an einen Politiker nicht ausgeführt habe. Er habe verschiedene Funktionäre des Energiesektors bei der Gendarmerie angezeigt, weil er der Polizei nicht vertraue. In der Zwischenzeit waren verschiedene aktive und pensionierte Funktionäre aus dem Energiesektor verhaftet und verhört worden, darunter auch der frühere Energieminister Sönmez (ANAP).

Die Auseinandersetzung wurde durch eine weitere Aussage eines ungenannten Offiziers verschärft, wonach der amtierende Energie-Minister Ersümer als Minister nicht mehr zu halten sei. Yilmaz stellte sich vor Minister Ersümer und dieser erklärte auch, dass er nicht zurücktreten werde. Ministerpräsident Ecevit meinte, es gebe "geheime Offizielle", die nichts mit dem türkischen Militär oder der Gendarmerie zu tun hätten, die auf eigene Rechnung der Regierung und der Demokratie schaden wollten. Wenn man herausfinde, wer dies sei, würden sie vor Gericht gestellt werden.

Im Rahmen der Korruptions-Untersuchungen wurde bekannt, dass der frühere Generaldirektor der TEAS, Selvi, in Vernehmungen erklärt hatte, dass er 195.000 Dollar vom früheren Energieminister Sönmez sowie weitere mehrere 100.000 Dollar von verschiedenen türkischen Firmen zu seiner persönlichen Unterstützung, als "helping-hand", erhalten habe.

Bekannt wurde außerdem, dass die Verfahren gegen hohe Beamte und Politiker drei Tage vor Ablauf der Verjährungsfrist eingeleitet worden waren. Außerdem erklärte er, dass der frühere Energieminister Sönmez ihn gedrängt habe, bei der Vergabe des Atom-Energie-Projektes in Akkuyu eine kanadische Firma an die erste Stelle zu setzen, obwohl nach den Bewerbungsunterlagen das Siemens-Konsortium bessere Konditionen bot. Das Atom-Energie-Projekt war aber später von der türkischen Regierung aufgrund verschiedener Proteste im In- und Ausland gestoppt worden.

Im Zusammenhang mit den Untersuchungen dieses Atom-Energie-Projekt wurden in den Medien 31 Personen verdächtigt, Schmiergelder gezahlt, bzw. entgegengenommen zu haben, darunter auch der Bruder von Mesut Yilmaz, ein Schwiegersohn von Demirel und viele andere größere türkische Firmen. In der Zwischenzeit war der frühere Minister Sönmez auch verhaftet worden.

Im türkischen Parlament wurde von den Oppositionsparteien ein Entlassungsantrag gegen Energieminister Ersümer eingereicht, der aber von den Koalitionsparteien abgelehnt wurde, nachdem Yilmaz sich für den Energieminister verbürgt hatte. Der für die Untersuchung zuständige Staatsanwalt Talat Salk wurde öffentlich von Ecevit kritisiert, weil er bei der Weltbank, dem IMF und der Europäischen Union angefragt hatte, ob sie ihm Informationen zu dem Vorgang geben könnten. Er habe schon in einem anderen Fall seine Kompetenzen überschritten. Gegen Salk ermittelt nunmehr das Justizministerium.

Inzwischen ist das Thema wieder von den ersten Seiten der Tageszeitungen verschwunden, weil in diesen Tagen bei einer Schlägerei zwischen Abgeordneten der MHP und einem DYP-Abgeordneten im türkischen Parlament der DYP-Abgeordnete einen Herzinfarkt erlitt und starb.

Zu dem bizarren Korruptionsskandal, der nur einer von vielen in den letzten Jahren ist, passt, dass auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos die bekannte amerikanische Beratungsagentur Price Waterhouse Coopers bekannt gab, dass die Türkei nach China, Russland und Indonesien das Land mit der größten Korruptionsrate sei und deshalb ca. 30% der Steuereinnahmen dafür ausgebe.

Das Zusammenspiel zwischen korrupten Politikern, Beamten und türkischen Firmen ist ein Dauerthema in der Türkei. Vor einigen Monaten wurde aufgedeckt, dass einige Firmen illegal sehr hohe Exportsubventionen durch Vorlage falscher Unterlagen erhalten hatten. Im Herbst letzten Jahres wurden zahlreiche private Banken vom Schatzamt übernommen, weil sie illegal Gelder in die eigene Tasche gewirtschaftet und daher die Bank finanziell ruiniert hatten, weil der Staat aber die Kundenkonten dieser Pleitebanken garantierte, um einen Zusammenbruch des Banken- und Finanzsystems zu verhindern, entstand für den Staat ein Schaden in Milliardenhöhe. In diesem Zusammenhang wurde übrigens der Neffe des früheren Staatspräsidenten Demirel verhaftet und weitere Untersuchungen laufen gegen Beamte, Politiker und Unternehmer.

Dass über Korruptionsfälle wie die im Energiebereich in den Medien berichtet wird, ist prinzipiell ein Fortschritt.

Entscheidend für das Ansehen der Politiker und des türkischen Rechtsstaates wird aber sein, ob die Untersuchungen konsequent zu Ende geführt und die Schuldigen auch verurteilt werden. Daran hat es in der Vergangenheit häufig genug gefehlt.

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Sven-Joachim Irmer

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