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Cesar Bojorquez / Flickr / CC BY 2.0

Länderberichte

Nach der Wahl ist vor der Wahl

von Ing. Hans-Hartwig Blomeier, Ann-Kathrin Beck, Stella Neumann

Nur wenige Monate nach dem Präsidentschaftswechsel in Mexiko finden in sechs Bundesstaaten Wahlen statt

Nach dem „Superwahljahr“ 2018, stehen am 2. Juni 2019 in sechs mexikanischen Bundesstaaten Wahlen an. Es werden dabei teilweise Gouverneure, Abgeordnete für die lokalen Parlamente, als auch Bürgermeister gewählt. Da das Land nach wie vor auf einer Begeisterungswelle für den Präsidenten Andrés Manuel López Obrador schwimmt, ist zu erwarten, dass seine Partei Movimiento Regeneración Nacional (MORENA) in den meisten Örtlichkeiten als Sieger hervorgehen wird. In wenigen Fällen bestehen Chancen für die Partido Acción Nacional (PAN), die Partido Revolucionario Institucional (PRI) ist weit abgeschlagen.

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Was steht zur Wahl?

Im vergangenen Jahr wählte die Bevölkerung Mexikos sowohl den Präsidenten, als auch den gesamten Nationalen Kongress (Abgeordnete und Senatoren) sowie zahlreiche Gouverneure, Bürgermeister und Abgeordnete auf regionaler und lokaler Ebene. Am kommenden 2. Juni stehen nun Wahlen in einigen Bundesstaaten an. Insgesamt werden nur circa 150 Positionen neu besetzt – ein Bruchteil dessen, was 2018 gewählt wurde – allerdings ist der Gang zur Wahlurne eine erste Zwischenprüfung nach dem Wahlsieg von MORENA im vergangenen Jahr. Es ist zu erwarten, dass die Flitterwochenstimmung anhält; der Präsident hatte zuletzt Zustimmungswerte von 70% bis 80%.

Darunter leiden vor allem die Oppositions-parteien PRI und PAN. Die PRI ist in den meisten Örtlichkeiten komplett abgestürzt und liegt unter 10 %. Die PAN hat zwar in den letzten Umfragen einen leichten Zuwachs erhalten und erreicht derzeit Werte von 15 % bis 20 %[1], wird aber noch einige Zeit brauchen um sich wieder als regierungsfähige, wählbare Alternative zu präsentieren. Die Partido de la Revolución Democrática (PRD), ehemalige Partei des Präsidenten, droht sich komplett aufzulösen.

In Puebla finden außerplanmäßig Wahlen statt, die Bürger entscheiden sowohl über den Gouverneursposten, als auch über fünf Bürgermeisterämter. Auch in Baja California stehen Kandidaten für das Gouverneursamt, sowie fünf Bürgermeisterposten auf den Wahllisten. Außerdem sollen 25 Abgeordnete für das lokale Parlament gefunden werden. In elf Gemeinden im Bundesstaat Aguascalientes werden neue Bürgermeister gewählt; In Durango sind es sogar 39 Bürgermeisterposten, die neu besetzt werden. Bei den Parlamentswahlen in Quintana Roo gilt es 25 Abgeordnetenposten für das lokale Parlament neu zu besetzen, in Tamaulipas stehen ebenfalls 36 Sitze zur Wahl[2].

Zwei Faktoren machen die Wahlen besonders: Bisher hat das Wahlrecht in Mexiko keine konsekutiven Mandate für Abgeordnete zugelassen. Bürgermeister konnten erstmals bei der Wahl 2018 wiedergewählt werden, eine Wiederwahl ist auch bei den aktuellen Lokal-wahlen möglich. Für nationale Abgeordnete wird diese Möglichkeit bei den Parlamentswahlen 2021 zum ersten Mal bestehen. Während viele Mexikaner noch immer Angst haben, dass mehrfache Mandate zu Machtanhäufung und Korruption führen, wird von vielen auch der positive Aspekt der Kontinuität der Arbeit von Abgeordneten hervorgehoben.

Zusätzlich werden derzeit die Legislaturperioden angepasst, so dass in Zukunft landesweit zum gleichen Zeitpunkt Wahlen ausgerichtet werden und Synergieeffekte genutzt werden können. Die kommende Legislaturperiode dauert deshalb nur bis 2021.

Außerplanmäßige Wahlen in Puebla

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Insbesondere die Situation in Puebla sorgt seit Monaten für Schlagzeilen. Ursprünglich wurde im Bundesstaat bereits am 1. Juli 2018 gewählt. In einem hart umkämpften Rennen setzte sich schließlich die Kandidatin der PAN, Martha Érika Alonso, als neue Gouverneurin durch. Sie trat dabei in die Fußstapfen ihres Ehemannes, Rafael Moreno Valle Rosas, der von 2011 bis 2017 Gouverneur war und alles darangesetzt hatte, dass Schlüsselpositionen in Puebla mit Politikern aus seinem Lager besetzt bleiben.

Kritiker sprachen in diesem Zusammenhang bereits seit längerem von einem Morenovallismo, bei dem es vielmehr um den Machterhalt, als um politische Inhalte ging. Während der Wahl 2018 wurden Vorwürfe von Wahlbetrug laut. Insbesondere in fünf Gemeinden kam es scheinbar zu großen Unregelmäßigkeiten während des Wahlprozesses; Die Stimmen wurden neu ausgezählt [3]. Letztendlich wurde trotzdem Alonso als Gouverneurin anerkannt. Die angespannte Lage nahm am 24. Dezember 2018 eine tragische Wendung, als das Ehepaar bei einem Hubschrauberunglück, dessen genauere Umstände und Ursachen bis dato ungeklärt sind, ums Leben kam[4].

Neben der Neuwahl des Gouverneurspostens werden jetzt auch die fünf umstrittenen Bürgermeisterposten (Ocoyucan, Mazapiltepec de Juárez, Tepeojuma, Ahuazotepec y Cañada Morelos) neu gewählt. Um die angespannte Lage in Puebla zu beruhigen, wird die nationale Wahlbehörde INE (Insituto Nacional Electoral) die Aufsicht über den kompletten Wahlprozess innehaben[5]. Für die Parteienkoalition unter Führung von MORENA wird nach anfänglichen parteiinternen Grabenkämpfen wie im Jahr 2018 Luis Miguel Gerónimo Barbosa Huerta antreten.

Die PAN steht vor der doppelten Herausforderung, sich einerseits aus dem Schatten des Morenovallismo zu lösen und sich andererseits gegen MORENA zu behaupten. Die Euphorie gegenüber dem Präsidenten wirkt sich auch auf die Lokalwahlen aus. Die PAN setzt deshalb auf Enrique Cárdenas Sánchez. Obwohl dieser anfangs mit MORENA liebäugelte, tritt er nun als gemeinsamer Kandidat einer Parteienkoalition von PAN, PRD und Movimiento Ciudadano an[6].

Der Ökonom ist erst seit 2017 in der Politik und hat bisher keine Wahlen gewonnen. Er ist jedoch als Akademiker geschätzt, war lange Zeit Rektor an der Universidad de las Américas in Puebla und kommentierte als Kolumnist das politische Geschehen[7]. Es kommt Cárdenas zu Gute, dass er als neuer Mann angesehen wird, der nicht nur mit den Klüngeln der Morenovallistas brechen, sondern auch klare, wohlüberlegte Konzepte und Ideen anbringen kann[8].

Die Ernennung von Cárdenas zum Partei-kandidaten hat zumindest für einen zeitweisen Aufwärtstrend in den Zustimmungswerten der Partei gesorgt. Allerdings kann dies nicht über die relativ aussichtlose Lage der PAN bei dieser Wahl in Puebla hinwegtrösten. Insgesamt hat MORENA eindeutig die Nase vorn. Die Zustimmungswerte sowohl für die Partei, als auch den Kandidat Barbosa, liegen konstant bei über 40%, während die PAN mit Cárdenas, maximal bei knapp über 20%, in manchen Umfragen aber auch bei nur bei 14% liegt[9]. Weit abgeschlagen liegt die PRI mit Werten unter 10%[10].

Wunsch nach Wandel in Baja California

Vor dreißig Jahren war Baja California der erste Bundesstaat in Mexiko in dem die PAN eine Gouverneurswahl gewann. Der Posten blieb bis zuletzt in den Händen der Partei, doch inzwischen herrscht große Unzufriedenheit. Die Bevölkerung hat das Gefühl, dass sich Gewalt, Korruption und Straflosigkeit ausbreiten. Ebenso wie die derzeitige wirtschaftliche Krise, wird dies insbesondere dem amtierenden PAN-Gouverneur, Francisco “Kiko” Vega, zu Lasten gelegt. Die Bevölkerung sehnt sich nach einem politischen Wandel.

Mit Óscar Vega Marín hat die PAN zwar einen erfahrenen Politiker ins Rennen geschickt, der sich ausdrücklich vom aktuellen Gouverneur distanziert und als Alternative innerhalb der Partei gehandelt wird, allerdings dürfte er gegen den MORENA-Bündnis-Kandidaten Jaime Bonilla Valdez keine Chance haben, zu tief sitzt der Unmut über die politische Situation der letzten Jahre[11].

Aktuelle Meinungsumfragen sehen Bonilla als klaren Sieger mit Zustimmungswerten von fast 40 %, während die PAN unter 20 % zurückbleibt[12]. Auch in den Bürgermeisterwahlen wird es aller Wahrscheinlichkeit nach zur Abstrafung der PAN kommen. Ähnlich wie in Puebla spielt die PRI im politischen Diskurs sowie in der Wählergunst kaum eine Rolle.

Diversität bei Lokalwahlen

In den Gemeinden und im Parlament von Tamaulipas und Aguascalientes war die PAN zuletzt die stärkste Partei und stellt auch derzeit die Gouverneure. In Quintana Roo und Durango ist die PAN schwächer, war aber dennoch an der Regierungsarbeit beteiligt[13]. Allerdings ist momentan in allen vier Bundesstaaten die Euphorie für MORENA groß, während die Zustimmung für andere politische Optionen gering ist.

In Durango war die PAN bereits in den Vorjahren eher schwach vertreten. Der Trend wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit fortsetzen. Die Bevölkerung vertraut MORENA weitaus mehr als der PAN, oder gar der PRI[14].

In Quintana Roo hielten sich zuletzt PRI und PAN die Waage, allerdings ist im Süden des Landes die Zustimmung für MORENA besonders hoch, was sich sicherlich auch bei den Abgeordnetenwahlen zu bemerken machen wird.

Ein Lichtblick für die PAN könnte Aguascalientes bieten. Im Bundesstaat nordwestlich der Hauptstadt hatte die PAN zuletzt eine Mehrheit der Bürgermeister gestellt. Auch wenn die allgemeine Zustimmung zur PAN auch hier nur bei 25% liegt und somit weit hinter historischen Werten der Partei in der Region zurückbleibt, liegt der Vorsprung von MORENA in Aguascalientes nur bei knappen fünf Prozentpunkten[15]. Vor allem in der Hauptstadt ist die Lage für die PAN aussichtsreich: Die beliebte amtierende Bürgermeisterin María Teresa Jiménez Esquivel tritt erneut an. Umfragen zufolge lieben ihre Zustimmungswerte bei circa 70 %[16].

Grund zur Hoffnung gibt es auch in Tamaulipas, wo bei den letzten Abgeordnetenwahlen 2016, vielerorts die PAN die Nase vorne hatte und zuletzt das Parlament dominierte. Einige PAN-Kandidaten werden als Favoriten in ihren Wahlkreisen gehandelt[17].

Oppositionsrolle als Verantwortung und Chance
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Trotz lokal unterschiedlicher Kontexte, reißt die große Zustimmungswelle für Präsident Andrés Manuel López Obrador auch die wählenden Bundesstaaten mit. Der Präsident erfreut sich durch seine Volksnähe und Politikversprechungen, die von einem Großteil der Bevölkerung als positiv wahrgenommen werden, extrem hoher Zustimmung. Hierbei wird er für eine Vielzahl von populären Einzelmaßnahmen belohnt, die durchaus die aktuellen Probleme in Mexiko adressieren, deren Nachhaltigkeit und langfristige Effekte aber mehr als fragwürdig sind.

Nach wie vor dominiert in der allgemeinen Wahrnehmung der Bevölkerung die Erwartung und Hoffnung auf Besserung gegenüber einer kritischen Analyse über die tatsächlich getroffenen Entscheidungen, die ökonomisch und politisch große Fragezeichen aufwerfen. Die freihändige Vergabe von massiven Regierungsaufträgen, die Rückentwicklung zentralen Reformvorheben (beispielsweise in den Bereiche Energie und Erziehung), die vom Präsidenten selbst betriebene Polarisierung der Gesellschaft und die weiter steigende Gewalt-spirale sind nur einige der Aspekte, die Grund zur Sorge bereiten.

Besonders schmerzlich für die PAN ist, dass sie mit Baja California und Puebla höchstwahr-scheinlich zwei weitere ihrer einstigen Hochburgen verlieren und dann nur noch in acht von 32 Bundesstaaten die Gouverneure stellen wird. In den Regionen, in denen die PAN noch an der Regierung ist oder Posten verteidigen kann, kommt es nun mehr denn je darauf an ihre Regierungsarbeit bürgernah und

zukunftsorientiert zu gestalten. Andernorts muss sie sich der Herausforderung stellen, die Rolle der Opposition mit Leben zu füllen und kritisch, aber konstruktiv zu agieren.

Die PAN kann und muss als Gegengewicht im politischen Betrieb solide Arbeit leisten. Grundvoraussetzung dafür ist jedoch die Akzeptanz der aktuellen Situation und der Willen, die Partei weiter zu professionalisieren und in den kommenden Jahren strategisch und programmatisch-inhaltlich so aufzustellen, dass sie für die Mexikaner wieder zu einer regierungsfähigen und wählbaren Alternative wird.

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[1] Telefonumfrage auf Bundesstaatenebene von José Carlos Campos Riojas, MassiveCaller vom 3. Mai 2019

[2] Offizielle Angaben der föderalen mexikanischen Wahlbehörde, Instituto Nacional Electoral (INE): https://www.ine.mx/voto-y-elecciones/elecciones-2019/. Zugriff am 6. Mai 2019

[10] Telefonumfrage auf Bundesstaatenebene von José Carlos Campos Riojas, MassiveCaller vom 3. Mai 2019

[12] Telefonumfrage auf Bundesstaatenebene von José Carlos Campos Riojas, MassiveCaller vom 3. Mai 2019

[16] Facebook- Post. MassiveCaller vom 6. Mai 2019 https://www.facebook.com/MassiveCaller/photos/pcb.2280786502184266/2280785458851037/?type=3&theater. Zugriff am 9. Mai 2019

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Kontakt

Ing. Hans-Hartwig Blomeier

Hans Blomeier

Leiter des Auslandsbüros Mexiko

hans.blomeier@kas.de +52 55 55664599

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